Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_088.001 Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, pba_088.004 pba_088.009Wie auch der menschliche wanke; pba_088.005 Hoch über der Zeit und dem Raume webt pba_088.006 Lebendig der höchste Gedanke, pba_088.007 Und ob alles in ewigem Wechsel kreist, pba_088.008 Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist -- sondern der lebendige Punkt, aus welchem sein Lied quillt, ist die Bezeichnung pba_088.010 Denn unfühlend pba_088.014 Jst die Natur: pba_088.015 Es leuchtet die Sonne pba_088.016 Ueber Bös' und Gute, pba_088.017 Und dem Verbrecher pba_088.018 Glänzen wie dem Besten pba_088.019 Der Mond und die Sterne. pba_088.020 Wind und Ströme, pba_088.025 Donner und Hagel pba_088.026 Rauschen ihren Weg pba_088.027 Und ergreifen pba_088.028 Vorübereilend pba_088.029 Einen um den Andern. pba_088.030 Auch so das Glück pba_088.036
Tappt unter die Menge, pba_088.037 Faßt bald des Knaben pba_088.038 Lockige Unschuld, pba_088.039 Bald auch den kahlen pba_088.040 Schuldigen Scheitel. pba_088.001 Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, pba_088.004 pba_088.009Wie auch der menschliche wanke; pba_088.005 Hoch über der Zeit und dem Raume webt pba_088.006 Lebendig der höchste Gedanke, pba_088.007 Und ob alles in ewigem Wechsel kreist, pba_088.008 Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist — sondern der lebendige Punkt, aus welchem sein Lied quillt, ist die Bezeichnung pba_088.010 Denn unfühlend pba_088.014 Jst die Natur: pba_088.015 Es leuchtet die Sonne pba_088.016 Ueber Bös' und Gute, pba_088.017 Und dem Verbrecher pba_088.018 Glänzen wie dem Besten pba_088.019 Der Mond und die Sterne. pba_088.020 Wind und Ströme, pba_088.025 Donner und Hagel pba_088.026 Rauschen ihren Weg pba_088.027 Und ergreifen pba_088.028 Vorübereilend pba_088.029 Einen um den Andern. pba_088.030 Auch so das Glück pba_088.036
Tappt unter die Menge, pba_088.037 Faßt bald des Knaben pba_088.038 Lockige Unschuld, pba_088.039 Bald auch den kahlen pba_088.040 Schuldigen Scheitel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="88"/><lb n="pba_088.001"/> zusprechen, oder der „<hi rendition="#g">Grenzen der Menschheit</hi>“ jenem gegenüber, so <lb n="pba_088.002"/> lautet das nicht, wie bei Schiller:</p> <lb n="pba_088.003"/> <lg> <l>Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,</l> <lb n="pba_088.004"/> <l> Wie auch der menschliche wanke;</l> <lb n="pba_088.005"/> <l>Hoch über der Zeit und dem Raume webt</l> <lb n="pba_088.006"/> <l> Lebendig der höchste Gedanke,</l> <lb n="pba_088.007"/> <l>Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,</l> <lb n="pba_088.008"/> <l>Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist —</l> </lg> <lb n="pba_088.009"/> <p>sondern der lebendige Punkt, aus welchem sein Lied quillt, ist die Bezeichnung <lb n="pba_088.010"/> derjenigen Regung des menschlichen Gemütes, aus welcher <lb n="pba_088.011"/> jedes Gottesbewußtsein und jeder Glaube an Göttliches allein seinen Ursprung <lb n="pba_088.012"/> hat.</p> <lb n="pba_088.013"/> <lg> <l>Denn unfühlend</l> <lb n="pba_088.014"/> <l>Jst die Natur:</l> <lb n="pba_088.015"/> <l>Es leuchtet die Sonne</l> <lb n="pba_088.016"/> <l>Ueber Bös' und Gute,</l> <lb n="pba_088.017"/> <l>Und dem Verbrecher</l> <lb n="pba_088.018"/> <l>Glänzen wie dem Besten</l> <lb n="pba_088.019"/> <l>Der Mond und die Sterne.</l> </lg> <p><lb n="pba_088.020"/> Aus der bloßen Beobachtung der Natur stammt die Gottesidee <lb n="pba_088.021"/> nicht, denn wie sie wahllos allen ihre Gaben austeilt, so treffen <lb n="pba_088.022"/> Schrecken und Vernichtung aus ihrer Hand ohne Unterschied und denkbare <lb n="pba_088.023"/> Ursache:</p> <lb n="pba_088.024"/> <lg> <l>Wind und Ströme,</l> <lb n="pba_088.025"/> <l>Donner und Hagel</l> <lb n="pba_088.026"/> <l>Rauschen ihren Weg</l> <lb n="pba_088.027"/> <l>Und ergreifen</l> <lb n="pba_088.028"/> <l>Vorübereilend</l> <lb n="pba_088.029"/> <l>Einen um den Andern.</l> </lg> <p><lb n="pba_088.030"/> Und ist etwa in den Verschlingnngen des Waltens der Naturkräfte <lb n="pba_088.031"/> und der menschlichen Thaten, in dem, was wir das Schicksal nennen, <lb n="pba_088.032"/> die Gewißheit eines planvollen göttlichen Entscheidens irgendwo unmittelbar <lb n="pba_088.033"/> zu erkennen? Vielmehr erscheint nichts launischer und regelloser <lb n="pba_088.034"/> als das Schalten des Glückes:</p> <lb n="pba_088.035"/> <lg> <l>Auch so das Glück</l> <lb n="pba_088.036"/> <l>Tappt unter die Menge,</l> <lb n="pba_088.037"/> <l>Faßt bald des Knaben</l> <lb n="pba_088.038"/> <l>Lockige Unschuld,</l> <lb n="pba_088.039"/> <l>Bald auch den kahlen</l> <lb n="pba_088.040"/> <l>Schuldigen Scheitel.</l> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [88/0106]
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zusprechen, oder der „Grenzen der Menschheit“ jenem gegenüber, so pba_088.002
lautet das nicht, wie bei Schiller:
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Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt, pba_088.004
Wie auch der menschliche wanke; pba_088.005
Hoch über der Zeit und dem Raume webt pba_088.006
Lebendig der höchste Gedanke, pba_088.007
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist, pba_088.008
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist —
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sondern der lebendige Punkt, aus welchem sein Lied quillt, ist die Bezeichnung pba_088.010
derjenigen Regung des menschlichen Gemütes, aus welcher pba_088.011
jedes Gottesbewußtsein und jeder Glaube an Göttliches allein seinen Ursprung pba_088.012
hat.
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Es leuchtet die Sonne pba_088.016
Ueber Bös' und Gute, pba_088.017
Und dem Verbrecher pba_088.018
Glänzen wie dem Besten pba_088.019
Der Mond und die Sterne.
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Aus der bloßen Beobachtung der Natur stammt die Gottesidee pba_088.021
nicht, denn wie sie wahllos allen ihre Gaben austeilt, so treffen pba_088.022
Schrecken und Vernichtung aus ihrer Hand ohne Unterschied und denkbare pba_088.023
Ursache:
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Wind und Ströme, pba_088.025
Donner und Hagel pba_088.026
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Vorübereilend pba_088.029
Einen um den Andern.
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Und ist etwa in den Verschlingnngen des Waltens der Naturkräfte pba_088.031
und der menschlichen Thaten, in dem, was wir das Schicksal nennen, pba_088.032
die Gewißheit eines planvollen göttlichen Entscheidens irgendwo unmittelbar pba_088.033
zu erkennen? Vielmehr erscheint nichts launischer und regelloser pba_088.034
als das Schalten des Glückes:
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Lockige Unschuld, pba_088.039
Bald auch den kahlen pba_088.040
Schuldigen Scheitel.
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