Mendelssohn ist der anmuthigste Jüngling, den man sich denken kann. Kaum achtzehn Jahre alt, das dunkle Haar gescheitelt, die sanften, braunen Augen, der liebliche Mund, schönes Profil ... könnte er als Benjamin einen, Maler zum Modell dienen. Ja, wie ein echter Benjamin, "ein Sohn des Alters", -- ein "Sohn der rechten Hand", (ich hoffe, Du bewunderst meine hebräische Gelehrsamkeit!) erschien mir Mendelssohn, wenn er so liebevoll, so kindlich Zelter und Berger ansah, so zutraulich sprach.
Lächle nicht über diesen Vergleich, Louis -- Du weißt, wenn ich Jemand schildere, versuche ich es nach Bildern zu thun. So möchte ich Zelter mit Jakob ver¬ gleichen, denn patriarchalisch zeigt sich Zelter in seinem würdevollen und doch so einfach edlen Benehmen.
Es war hohe Zeit, daß wir uns zum Souper nieder¬ ließen und als Sterbliche den guten Sachen zusprachen, -- denn alles Gehörte, Empfundene, hatte uns in fieber¬ hafte Aufregung gebracht -- wenigstens mich und Mendels¬ sohn. Seine Wangen glühten gleich den meinigen, und Zelter sagte scherzend: "Die Augen der lieben Jugend glänzen gleich dem Karfunkel!" -- Es wurde viel ge¬ plaudert, auch gelacht; selbst Berger wurde heiter und verglich Zelter mit einem Dirigenten, der mit Wohlgefallen sein Orchester den Gaben Gottes zusprechen sieht.
Kurz vor dem Gehen erbat ich mir Zelter's Rath: ob ich Engagement bei der Hofbühne annehmen solle?
"Unbedingt!" entgegnete er rasch. "Was helfen momentane Erfolge, wenn Sie den Launen von un¬
Mendelsſohn iſt der anmuthigſte Jüngling, den man ſich denken kann. Kaum achtzehn Jahre alt, das dunkle Haar geſcheitelt, die ſanften, braunen Augen, der liebliche Mund, ſchönes Profil … könnte er als Benjamin einen, Maler zum Modell dienen. Ja, wie ein echter Benjamin, »ein Sohn des Alters«, — ein »Sohn der rechten Hand«, (ich hoffe, Du bewunderſt meine hebräiſche Gelehrſamkeit!) erſchien mir Mendelsſohn, wenn er ſo liebevoll, ſo kindlich Zelter und Berger anſah, ſo zutraulich ſprach.
Lächle nicht über dieſen Vergleich, Louis — Du weißt, wenn ich Jemand ſchildere, verſuche ich es nach Bildern zu thun. So möchte ich Zelter mit Jakob ver¬ gleichen, denn patriarchaliſch zeigt ſich Zelter in ſeinem würdevollen und doch ſo einfach edlen Benehmen.
Es war hohe Zeit, daß wir uns zum Souper nieder¬ ließen und als Sterbliche den guten Sachen zuſprachen, — denn alles Gehörte, Empfundene, hatte uns in fieber¬ hafte Aufregung gebracht — wenigſtens mich und Mendels¬ ſohn. Seine Wangen glühten gleich den meinigen, und Zelter ſagte ſcherzend: »Die Augen der lieben Jugend glänzen gleich dem Karfunkel!« — Es wurde viel ge¬ plaudert, auch gelacht; ſelbſt Berger wurde heiter und verglich Zelter mit einem Dirigenten, der mit Wohlgefallen ſein Orcheſter den Gaben Gottes zuſprechen ſieht.
Kurz vor dem Gehen erbat ich mir Zelter's Rath: ob ich Engagement bei der Hofbühne annehmen ſolle?
»Unbedingt!« entgegnete er raſch. »Was helfen momentane Erfolge, wenn Sie den Launen von un¬
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Mendelsſohn iſt der anmuthigſte Jüngling, den man
ſich denken kann. Kaum achtzehn Jahre alt, das dunkle
Haar geſcheitelt, die ſanften, braunen Augen, der liebliche
Mund, ſchönes Profil … könnte er als Benjamin einen,
Maler zum Modell dienen. Ja, wie ein echter Benjamin,
»ein Sohn des Alters«, — ein »Sohn der rechten Hand«,
(ich hoffe, Du bewunderſt meine hebräiſche Gelehrſamkeit!)
erſchien mir Mendelsſohn, wenn er ſo liebevoll, ſo
kindlich Zelter und Berger anſah, ſo zutraulich ſprach.
Lächle nicht über dieſen Vergleich, Louis — Du
weißt, wenn ich Jemand ſchildere, verſuche ich es nach
Bildern zu thun. So möchte ich Zelter mit Jakob ver¬
gleichen, denn patriarchaliſch zeigt ſich Zelter in ſeinem
würdevollen und doch ſo einfach edlen Benehmen.
Es war hohe Zeit, daß wir uns zum Souper nieder¬
ließen und als Sterbliche den guten Sachen zuſprachen,
— denn alles Gehörte, Empfundene, hatte uns in fieber¬
hafte Aufregung gebracht — wenigſtens mich und Mendels¬
ſohn. Seine Wangen glühten gleich den meinigen, und
Zelter ſagte ſcherzend: »Die Augen der lieben Jugend
glänzen gleich dem Karfunkel!« — Es wurde viel ge¬
plaudert, auch gelacht; ſelbſt Berger wurde heiter und
verglich Zelter mit einem Dirigenten, der mit Wohlgefallen
ſein Orcheſter den Gaben Gottes zuſprechen ſieht.
Kurz vor dem Gehen erbat ich mir Zelter's Rath:
ob ich Engagement bei der Hofbühne annehmen ſolle?
»Unbedingt!« entgegnete er raſch. »Was helfen
momentane Erfolge, wenn Sie den Launen von un¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/99>, abgerufen am 27.11.2024.
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