Goethelieder: "Rastlose Liebe" und "Der König in Thule." ... Zelter flüsterte ihr vor dem letzteren Liede zu: "Bitte, sanft und frei -- als säßen Sie am Meeres¬ ufer ganz in Gedanken versunken."
Und wie durchschauerte mich das wundersame Lied -- besonders die letzten Takte ... traurig verhallend -- wie in's Meer versinkend ... Die andere Schülerin mit der Sopranstimme trug "Rose, die Müllerin" von Berger vor, dann sein "Veilchen", -- ein wehmüthig klagendes Lied, welches er nach dem Tode seiner Frau komponirt hatte:
"Von blauen Veilchen war der Kranz, Der Hannchen's Locken schmückte, Als ich zum ersten Mal beim Tanz Sie schüchtern an mich drückte ..."
Zwölf Jahre hatte Berger in St. Petersburg, von Field protegirt, sich übermenschlich angestrengt, um sein Hannchen, die geliebte Braut, heimführen zu können, und nach einem Jahre glücklichster Ehe -- starb sie sammt dem Kinde. -- Da verließ Berger Petersburg und zog nach Berlin. Er ist allgemein geachtet, von seinen Schülern innigst verehrt, nicht nur als ausgezeichneter Klavierlehrer, sondern als fein gebildeter, geistreicher Mann. Seine Physiognomie trägt noch die Spuren tiefen Grames, auch sieht er kränklich aus; aber man empfindet Sympathie für den so schwer Geprüften. Sein Benehmen ist gewinnend und sein Aeußeres wie das eines vierzigjährigen deutschen Gelehrten, der aber die Toilette -- nicht vernachlässigt.
Goethelieder: »Raſtloſe Liebe« und »Der König in Thule.« … Zelter flüſterte ihr vor dem letzteren Liede zu: »Bitte, ſanft und frei — als ſäßen Sie am Meeres¬ ufer ganz in Gedanken verſunken.«
Und wie durchſchauerte mich das wunderſame Lied — beſonders die letzten Takte … traurig verhallend — wie in's Meer verſinkend … Die andere Schülerin mit der Sopranſtimme trug »Roſe, die Müllerin« von Berger vor, dann ſein »Veilchen«, — ein wehmüthig klagendes Lied, welches er nach dem Tode ſeiner Frau komponirt hatte:
»Von blauen Veilchen war der Kranz, Der Hannchen's Locken ſchmückte, Als ich zum erſten Mal beim Tanz Sie ſchüchtern an mich drückte …«
Zwölf Jahre hatte Berger in St. Petersburg, von Field protegirt, ſich übermenſchlich angeſtrengt, um ſein Hannchen, die geliebte Braut, heimführen zu können, und nach einem Jahre glücklichſter Ehe — ſtarb ſie ſammt dem Kinde. — Da verließ Berger Petersburg und zog nach Berlin. Er iſt allgemein geachtet, von ſeinen Schülern innigſt verehrt, nicht nur als ausgezeichneter Klavierlehrer, ſondern als fein gebildeter, geiſtreicher Mann. Seine Phyſiognomie trägt noch die Spuren tiefen Grames, auch ſieht er kränklich aus; aber man empfindet Sympathie für den ſo ſchwer Geprüften. Sein Benehmen iſt gewinnend und ſein Aeußeres wie das eines vierzigjährigen deutſchen Gelehrten, der aber die Toilette — nicht vernachläſſigt.
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Goethelieder: »Raſtloſe Liebe« und »Der König in
Thule.« … Zelter flüſterte ihr vor dem letzteren Liede
zu: »Bitte, ſanft und frei — als ſäßen Sie am Meeres¬
ufer ganz in Gedanken verſunken.«
Und wie durchſchauerte mich das wunderſame Lied
— beſonders die letzten Takte … traurig verhallend —
wie in's Meer verſinkend … Die andere Schülerin
mit der Sopranſtimme trug »Roſe, die Müllerin« von
Berger vor, dann ſein »Veilchen«, — ein wehmüthig
klagendes Lied, welches er nach dem Tode ſeiner Frau
komponirt hatte:
»Von blauen Veilchen war der Kranz,
Der Hannchen's Locken ſchmückte,
Als ich zum erſten Mal beim Tanz
Sie ſchüchtern an mich drückte …«
Zwölf Jahre hatte Berger in St. Petersburg, von
Field protegirt, ſich übermenſchlich angeſtrengt, um ſein
Hannchen, die geliebte Braut, heimführen zu können, und
nach einem Jahre glücklichſter Ehe — ſtarb ſie ſammt dem
Kinde. — Da verließ Berger Petersburg und zog nach
Berlin. Er iſt allgemein geachtet, von ſeinen Schülern
innigſt verehrt, nicht nur als ausgezeichneter Klavierlehrer,
ſondern als fein gebildeter, geiſtreicher Mann. Seine
Phyſiognomie trägt noch die Spuren tiefen Grames, auch
ſieht er kränklich aus; aber man empfindet Sympathie für
den ſo ſchwer Geprüften. Sein Benehmen iſt gewinnend
und ſein Aeußeres wie das eines vierzigjährigen deutſchen
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/98>, abgerufen am 25.11.2024.
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