bin gerecht, -- obgleich die Müller sich sehr spröde ge¬ gen mich benommen, und nach dem Schluß der Vor¬ stellung sogar unartig -- feindlich.
Als wir im Garderobezimmer die Schminke ab¬ wischten und uns einhüllten, um über den Platz nach Hause zu gehen, kam noch Kunowsky, um uns Beiden seinen Dank zu Füßen zu legen ... Fräulein Müller -- zog ihn in die Ecke und flüsterte, heftig gestikulirend -- ich konnte hören: "Ja, ja, Cabale war angezettelt worden -- mein Name wurde am wenigsten gerufen!" ... Er suchte sie zu beruhigen -- aber vergebens! Ohne mir gute Nacht zu wünschen stürzte sie fort. Ich aber rief außer mir, Kunowsky festhaltend: "Ist das mein Dank? Ich opferte mich, der Direktion und Fräulein Müller zu Gefallen, und nun muß ich von Kabale hören -- und ein unartiges Benehmen dulden ... Nein! Herr Justiz¬ rath, ich verlasse dieses Institut nach sechs Monaten, theilen Sie dies den Actionären mit!" -- ein Thränen¬ strom folgte und weinend verließ ich das Zimmer, Ku¬ nowsky wie erstarrt stehen lassend. "Das sind heiße Bretter!" -- klagte ich der betrübten Mutter -- "o, wären wir doch in unserem schönen friedlichen Karlsruhe geblieben! ..."
Den folgenden Vormittag trat wie ein Friedensbote ein stattlicher Herr in's Zimmer -- der Geheimerath v. Gräfe.
Mit größtem Interesse betrachtete ich "den ersten Augenarzt und Chirurgen seiner Zeit!" Und wie ver¬
Erinnerungen etc. 5
bin gerecht, — obgleich die Müller ſich ſehr ſpröde ge¬ gen mich benommen, und nach dem Schluß der Vor¬ ſtellung ſogar unartig — feindlich.
Als wir im Garderobezimmer die Schminke ab¬ wiſchten und uns einhüllten, um über den Platz nach Hauſe zu gehen, kam noch Kunowsky, um uns Beiden ſeinen Dank zu Füßen zu legen … Fräulein Müller — zog ihn in die Ecke und flüſterte, heftig geſtikulirend — ich konnte hören: »Ja, ja, Cabale war angezettelt worden — mein Name wurde am wenigſten gerufen!« … Er ſuchte ſie zu beruhigen — aber vergebens! Ohne mir gute Nacht zu wünſchen ſtürzte ſie fort. Ich aber rief außer mir, Kunowsky feſthaltend: »Iſt das mein Dank? Ich opferte mich, der Direktion und Fräulein Müller zu Gefallen, und nun muß ich von Kabale hören — und ein unartiges Benehmen dulden … Nein! Herr Juſtiz¬ rath, ich verlaſſe dieſes Inſtitut nach ſechs Monaten, theilen Sie dies den Actionären mit!« — ein Thränen¬ ſtrom folgte und weinend verließ ich das Zimmer, Ku¬ nowsky wie erſtarrt ſtehen laſſend. »Das ſind heiße Bretter!« — klagte ich der betrübten Mutter — »o, wären wir doch in unſerem ſchönen friedlichen Karlsruhe geblieben! …«
Den folgenden Vormittag trat wie ein Friedensbote ein ſtattlicher Herr in's Zimmer — der Geheimerath v. Gräfe.
Mit größtem Intereſſe betrachtete ich »den erſten Augenarzt und Chirurgen ſeiner Zeit!« Und wie ver¬
Erinnerungen ꝛc. 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0093"n="65"/>
bin gerecht, — obgleich die Müller ſich ſehr ſpröde ge¬<lb/>
gen mich benommen, und nach dem Schluß der Vor¬<lb/>ſtellung ſogar unartig — feindlich.</p><lb/><p>Als wir im Garderobezimmer die Schminke ab¬<lb/>
wiſchten und uns einhüllten, um über den Platz nach<lb/>
Hauſe zu gehen, kam noch Kunowsky, um uns Beiden<lb/>ſeinen Dank zu Füßen zu legen … Fräulein Müller<lb/>— zog ihn in die Ecke und flüſterte, heftig geſtikulirend<lb/>— ich konnte hören: »Ja, ja, Cabale war angezettelt<lb/>
worden — mein Name wurde am wenigſten gerufen!« …<lb/>
Er ſuchte ſie zu beruhigen — aber vergebens! Ohne mir<lb/>
gute Nacht zu wünſchen ſtürzte ſie fort. Ich aber rief<lb/>
außer mir, Kunowsky feſthaltend: »Iſt das mein Dank?<lb/>
Ich opferte mich, der Direktion und Fräulein Müller zu<lb/>
Gefallen, und nun muß ich von Kabale hören — und<lb/>
ein unartiges Benehmen dulden … Nein! Herr Juſtiz¬<lb/>
rath, ich verlaſſe dieſes Inſtitut nach ſechs Monaten,<lb/>
theilen Sie dies den Actionären mit!« — ein Thränen¬<lb/>ſtrom folgte und weinend verließ ich das Zimmer, Ku¬<lb/>
nowsky wie erſtarrt ſtehen laſſend. »Das ſind heiße<lb/>
Bretter!« — klagte ich der betrübten Mutter — »o,<lb/>
wären wir doch in unſerem ſchönen friedlichen Karlsruhe<lb/>
geblieben! …«</p><lb/><p>Den folgenden Vormittag trat wie ein Friedensbote<lb/>
ein ſtattlicher Herr in's Zimmer — der Geheimerath<lb/>
v. Gräfe.</p><lb/><p>Mit größtem Intereſſe betrachtete ich »den erſten<lb/>
Augenarzt und Chirurgen ſeiner Zeit!« Und wie ver¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Erinnerungen ꝛc. 5<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[65/0093]
bin gerecht, — obgleich die Müller ſich ſehr ſpröde ge¬
gen mich benommen, und nach dem Schluß der Vor¬
ſtellung ſogar unartig — feindlich.
Als wir im Garderobezimmer die Schminke ab¬
wiſchten und uns einhüllten, um über den Platz nach
Hauſe zu gehen, kam noch Kunowsky, um uns Beiden
ſeinen Dank zu Füßen zu legen … Fräulein Müller
— zog ihn in die Ecke und flüſterte, heftig geſtikulirend
— ich konnte hören: »Ja, ja, Cabale war angezettelt
worden — mein Name wurde am wenigſten gerufen!« …
Er ſuchte ſie zu beruhigen — aber vergebens! Ohne mir
gute Nacht zu wünſchen ſtürzte ſie fort. Ich aber rief
außer mir, Kunowsky feſthaltend: »Iſt das mein Dank?
Ich opferte mich, der Direktion und Fräulein Müller zu
Gefallen, und nun muß ich von Kabale hören — und
ein unartiges Benehmen dulden … Nein! Herr Juſtiz¬
rath, ich verlaſſe dieſes Inſtitut nach ſechs Monaten,
theilen Sie dies den Actionären mit!« — ein Thränen¬
ſtrom folgte und weinend verließ ich das Zimmer, Ku¬
nowsky wie erſtarrt ſtehen laſſend. »Das ſind heiße
Bretter!« — klagte ich der betrübten Mutter — »o,
wären wir doch in unſerem ſchönen friedlichen Karlsruhe
geblieben! …«
Den folgenden Vormittag trat wie ein Friedensbote
ein ſtattlicher Herr in's Zimmer — der Geheimerath
v. Gräfe.
Mit größtem Intereſſe betrachtete ich »den erſten
Augenarzt und Chirurgen ſeiner Zeit!« Und wie ver¬
Erinnerungen ꝛc. 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/93>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.