Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie ist älter, geschickter, spielt schon viele Jahre ...
Ich bin nur froh, daß mir die langweilige Minna
nicht zugetheilt wurde. -- Als ich mit diesen philo¬
sophischen Ansichten mich so recht beruhigt hatte, ließen
sich melden: -- Kunowsky, Biedenfeld, Angeli und
Bankier Fränkel. -- Ganz erstaunt frug ich: wie ich zur
Ehre des Besuches der gesammten Direktion käme? ...
Endlich kam die verlegene Bitte ziemlich kleinlaut zum
Vorschein: Ich möchte die Minna in drei Tagen ein¬
studiren, denn in fünf Tagen sei das Lustspiel der
königlichen Bühne verfallen ... es müßte daher am
vierten Abende aufgeführt werden ... die Franziska sei
der Triumph der Müller ...

Sprachlos starrte ich die naiven, unbegreiflich auf¬
richtigen Herren an ... Erst nach langer Pause konnte
ich erwidern: "Und da muthen Sie mir zu, meine
Herren, ich soll mich blamiren -- um der neu Ange¬
kommenen zum Siege zu verhelfen?! -- ich soll die
Minna in drei Tagen auswendig lernen -- wie viel
Bogen hat die Plaudertasche zu sprechen?"

"Einundzwanzig!" sagte Angeli sehr leise.

"Dann ist es ja von vornherein unmöglich!" rief
ich entsetzt, -- "kaum die Worte vermöchte ich in's Ge¬
dächtniß zu drängen -- aber den Geist der Rolle -- die
schwere Darstellung ... nein! nein! ich kann Ihre Bitte
nicht erfüllen -- acht Tage wenigstens ist gesetzlich ..."

"Dann ist das Stück verfallen!" schrie Kunowsky
verzweiflungsvoll. "Ein immenser Schaden für unser

Sie iſt älter, geſchickter, ſpielt ſchon viele Jahre …
Ich bin nur froh, daß mir die langweilige Minna
nicht zugetheilt wurde. — Als ich mit dieſen philo¬
ſophiſchen Anſichten mich ſo recht beruhigt hatte, ließen
ſich melden: — Kunowsky, Biedenfeld, Angeli und
Bankier Fränkel. — Ganz erſtaunt frug ich: wie ich zur
Ehre des Beſuches der geſammten Direktion käme? …
Endlich kam die verlegene Bitte ziemlich kleinlaut zum
Vorſchein: Ich möchte die Minna in drei Tagen ein¬
ſtudiren, denn in fünf Tagen ſei das Luſtſpiel der
königlichen Bühne verfallen … es müßte daher am
vierten Abende aufgeführt werden … die Franziska ſei
der Triumph der Müller …

Sprachlos ſtarrte ich die naiven, unbegreiflich auf¬
richtigen Herren an … Erſt nach langer Pauſe konnte
ich erwidern: »Und da muthen Sie mir zu, meine
Herren, ich ſoll mich blamiren — um der neu Ange¬
kommenen zum Siege zu verhelfen?! — ich ſoll die
Minna in drei Tagen auswendig lernen — wie viel
Bogen hat die Plaudertaſche zu ſprechen?«

»Einundzwanzig!« ſagte Angeli ſehr leiſe.

»Dann iſt es ja von vornherein unmöglich!« rief
ich entſetzt, — »kaum die Worte vermöchte ich in's Ge¬
dächtniß zu drängen — aber den Geiſt der Rolle — die
ſchwere Darſtellung … nein! nein! ich kann Ihre Bitte
nicht erfüllen — acht Tage wenigſtens iſt geſetzlich …«

»Dann iſt das Stück verfallen!« ſchrie Kunowsky
verzweiflungsvoll. »Ein immenſer Schaden für unſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="63"/>
Sie i&#x017F;t älter, ge&#x017F;chickter, &#x017F;pielt &#x017F;chon viele Jahre &#x2026;<lb/>
Ich bin nur froh, daß mir die langweilige Minna<lb/>
nicht zugetheilt wurde. &#x2014; Als ich mit die&#x017F;en philo¬<lb/>
&#x017F;ophi&#x017F;chen An&#x017F;ichten mich &#x017F;o recht beruhigt hatte, ließen<lb/>
&#x017F;ich melden: &#x2014; Kunowsky, Biedenfeld, Angeli und<lb/>
Bankier Fränkel. &#x2014; Ganz er&#x017F;taunt frug ich: wie ich zur<lb/>
Ehre des Be&#x017F;uches der ge&#x017F;ammten Direktion käme? &#x2026;<lb/>
Endlich kam die verlegene Bitte ziemlich kleinlaut zum<lb/>
Vor&#x017F;chein: Ich möchte die Minna in drei Tagen ein¬<lb/>
&#x017F;tudiren, denn in fünf Tagen &#x017F;ei das Lu&#x017F;t&#x017F;piel der<lb/>
königlichen Bühne verfallen &#x2026; es müßte daher am<lb/>
vierten Abende aufgeführt werden &#x2026; die Franziska &#x017F;ei<lb/>
der Triumph der Müller &#x2026;</p><lb/>
        <p>Sprachlos &#x017F;tarrte ich die naiven, unbegreiflich auf¬<lb/>
richtigen Herren an &#x2026; Er&#x017F;t nach langer Pau&#x017F;e konnte<lb/>
ich erwidern: »Und da muthen Sie mir zu, meine<lb/>
Herren, ich &#x017F;oll mich blamiren &#x2014; um der neu Ange¬<lb/>
kommenen zum Siege zu verhelfen?! &#x2014; ich &#x017F;oll die<lb/>
Minna in drei Tagen auswendig lernen &#x2014; wie viel<lb/>
Bogen hat die Plauderta&#x017F;che zu &#x017F;prechen?«</p><lb/>
        <p>»Einundzwanzig!« &#x017F;agte Angeli &#x017F;ehr lei&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>»Dann i&#x017F;t es ja von vornherein unmöglich!« rief<lb/>
ich ent&#x017F;etzt, &#x2014; »kaum die Worte vermöchte ich in's Ge¬<lb/>
dächtniß zu drängen &#x2014; aber den Gei&#x017F;t der Rolle &#x2014; die<lb/>
&#x017F;chwere Dar&#x017F;tellung &#x2026; nein! nein! ich kann Ihre Bitte<lb/>
nicht erfüllen &#x2014; acht Tage wenig&#x017F;tens i&#x017F;t ge&#x017F;etzlich &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»Dann i&#x017F;t das Stück verfallen!« &#x017F;chrie Kunowsky<lb/>
verzweiflungsvoll. »Ein immen&#x017F;er Schaden für un&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0091] Sie iſt älter, geſchickter, ſpielt ſchon viele Jahre … Ich bin nur froh, daß mir die langweilige Minna nicht zugetheilt wurde. — Als ich mit dieſen philo¬ ſophiſchen Anſichten mich ſo recht beruhigt hatte, ließen ſich melden: — Kunowsky, Biedenfeld, Angeli und Bankier Fränkel. — Ganz erſtaunt frug ich: wie ich zur Ehre des Beſuches der geſammten Direktion käme? … Endlich kam die verlegene Bitte ziemlich kleinlaut zum Vorſchein: Ich möchte die Minna in drei Tagen ein¬ ſtudiren, denn in fünf Tagen ſei das Luſtſpiel der königlichen Bühne verfallen … es müßte daher am vierten Abende aufgeführt werden … die Franziska ſei der Triumph der Müller … Sprachlos ſtarrte ich die naiven, unbegreiflich auf¬ richtigen Herren an … Erſt nach langer Pauſe konnte ich erwidern: »Und da muthen Sie mir zu, meine Herren, ich ſoll mich blamiren — um der neu Ange¬ kommenen zum Siege zu verhelfen?! — ich ſoll die Minna in drei Tagen auswendig lernen — wie viel Bogen hat die Plaudertaſche zu ſprechen?« »Einundzwanzig!« ſagte Angeli ſehr leiſe. »Dann iſt es ja von vornherein unmöglich!« rief ich entſetzt, — »kaum die Worte vermöchte ich in's Ge¬ dächtniß zu drängen — aber den Geiſt der Rolle — die ſchwere Darſtellung … nein! nein! ich kann Ihre Bitte nicht erfüllen — acht Tage wenigſtens iſt geſetzlich …« »Dann iſt das Stück verfallen!« ſchrie Kunowsky verzweiflungsvoll. »Ein immenſer Schaden für unſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/91
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/91>, abgerufen am 22.11.2024.