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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Aus übervollem, bangen Herzen, mit Seufzen und
Thränen klang uns dieser Willkomm in der wildfremden
Stadt entgegen. Bekümmert und erschrocken setzten die
Mutter und ich uns auf eines der Betten in dem sopha¬
losen, unbehaglichen Zimmer, und Fräulein Weidner und
ihre Mutter auf das gegenüberstehende. Klagend fuhr
die Kollegin fort: "Es herrscht hier heillose Unordnung!
Nichts ist fertig, nur Weniges vorbereitet. Keine Rollen
sind vertheilt, keine Proben angesetzt. Vice-Direktor und
Sekretär Baron von Biedenfeld vermag trotz des besten
Willens keine Autorität zu erlangen. Niemand will ge¬
horchen. Die Regisseure Schmelka und Angeli hemmen
die Thätigkeit ihres einsichtsvollen Mitregisseurs Nagel
durch Eifersüchteleien und Mißtrauen. Der Geschäfts¬
führer, Justizrath Kunowsky, ist ein geistreicher Mann
und mit Enthusiasmus dem neuen Institut ergeben, aber
ihm fehlt Zeit, Praxis und -- Energie. Er taucht auf
und verschwindet wie ein Irrwisch und hinterläßt nur
Verwirrung. Die Aktionäre wissen wohl die Einnahmen
zu berechnen, geizen aber mit den nöthigsten Ausgaben.
O hätte ich doch mein trautes München nicht verlassen!"

"Und wir nicht unser schönes Karlsruhe!" -- und
Thränen drohten auch bei mir auszubrechen ... Da
ertönte eine Flöte -- wehmüthige Melodieen -- sehr gut
geblasen ...

"Der Stiefsohn Bethmann's" -- erklärte die Weid¬
ner, sanfter, ernster Jüngling; er wohnt über
uns und musizirt oft die ganze Nacht hindurch."

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Aus übervollem, bangen Herzen, mit Seufzen und
Thränen klang uns dieſer Willkomm in der wildfremden
Stadt entgegen. Bekümmert und erſchrocken ſetzten die
Mutter und ich uns auf eines der Betten in dem ſopha¬
loſen, unbehaglichen Zimmer, und Fräulein Weidner und
ihre Mutter auf das gegenüberſtehende. Klagend fuhr
die Kollegin fort: »Es herrſcht hier heilloſe Unordnung!
Nichts iſt fertig, nur Weniges vorbereitet. Keine Rollen
ſind vertheilt, keine Proben angeſetzt. Vice-Direktor und
Sekretär Baron von Biedenfeld vermag trotz des beſten
Willens keine Autorität zu erlangen. Niemand will ge¬
horchen. Die Regiſſeure Schmelka und Angeli hemmen
die Thätigkeit ihres einſichtsvollen Mitregiſſeurs Nagel
durch Eiferſüchteleien und Mißtrauen. Der Geſchäfts¬
führer, Juſtizrath Kunowsky, iſt ein geiſtreicher Mann
und mit Enthuſiasmus dem neuen Inſtitut ergeben, aber
ihm fehlt Zeit, Praxis und — Energie. Er taucht auf
und verſchwindet wie ein Irrwiſch und hinterläßt nur
Verwirrung. Die Aktionäre wiſſen wohl die Einnahmen
zu berechnen, geizen aber mit den nöthigſten Ausgaben.
O hätte ich doch mein trautes München nicht verlaſſen!«

»Und wir nicht unſer ſchönes Karlsruhe!« — und
Thränen drohten auch bei mir auszubrechen … Da
ertönte eine Flöte — wehmüthige Melodieen — ſehr gut
geblaſen …

»Der Stiefſohn Bethmann's« — erklärte die Weid¬
ner, ſanfter, ernſter Jüngling; er wohnt über
uns und muſizirt oft die ganze Nacht hindurch.«

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[35/0063] Aus übervollem, bangen Herzen, mit Seufzen und Thränen klang uns dieſer Willkomm in der wildfremden Stadt entgegen. Bekümmert und erſchrocken ſetzten die Mutter und ich uns auf eines der Betten in dem ſopha¬ loſen, unbehaglichen Zimmer, und Fräulein Weidner und ihre Mutter auf das gegenüberſtehende. Klagend fuhr die Kollegin fort: »Es herrſcht hier heilloſe Unordnung! Nichts iſt fertig, nur Weniges vorbereitet. Keine Rollen ſind vertheilt, keine Proben angeſetzt. Vice-Direktor und Sekretär Baron von Biedenfeld vermag trotz des beſten Willens keine Autorität zu erlangen. Niemand will ge¬ horchen. Die Regiſſeure Schmelka und Angeli hemmen die Thätigkeit ihres einſichtsvollen Mitregiſſeurs Nagel durch Eiferſüchteleien und Mißtrauen. Der Geſchäfts¬ führer, Juſtizrath Kunowsky, iſt ein geiſtreicher Mann und mit Enthuſiasmus dem neuen Inſtitut ergeben, aber ihm fehlt Zeit, Praxis und — Energie. Er taucht auf und verſchwindet wie ein Irrwiſch und hinterläßt nur Verwirrung. Die Aktionäre wiſſen wohl die Einnahmen zu berechnen, geizen aber mit den nöthigſten Ausgaben. O hätte ich doch mein trautes München nicht verlaſſen!« »Und wir nicht unſer ſchönes Karlsruhe!« — und Thränen drohten auch bei mir auszubrechen … Da ertönte eine Flöte — wehmüthige Melodieen — ſehr gut geblaſen … »Der Stiefſohn Bethmann's« — erklärte die Weid¬ ner, ſanfter, ernſter Jüngling; er wohnt über uns und muſizirt oft die ganze Nacht hindurch.« 3 *

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/63>, abgerufen am 25.11.2024.