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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Sie sprach nicht mal richtig deutsch. Dieser gescheiterte
Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunst der
Dresdener zu verdrängen, verstimmte den launischen Tieck
nur noch tiefer gegen mich. Er, der sich sonst immer
gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬
schein in sein melancholisches Studirstübchen brachte, ließ
sich sogar bei meinen Besuchen einige Male verleugnen.
Da kam ich dann nicht wieder. Und so wurden die
Schatten zwischen uns dunkler und dichter und länger.
Zu einer Szene, zu einem Aussprechen ist es nie zwischen
uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen
Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen "in
Ungnade Gefallenen", von denen mir der alte, liebens¬
würdige Böttiger schon bei meinem Gastspiel in Dresden
gesagt hatte. Aber mir hat im Leben selten etwas so
weh gethan, wie diese Ungnade meines trotz all' seiner
Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag
hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.

Ob diese Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬
gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe
thaten?

Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck ist
nie wahrer, uneigennütziger, selbstloser Freundschaft und
Liebe fähig gewesen.

Als er 1837 seine Gattin, seine erste Knabenliebe
und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte
und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen
ni den Augen von seinem, von unserem großen Verluste

Sie ſprach nicht mal richtig deutſch. Dieſer geſcheiterte
Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunſt der
Dresdener zu verdrängen, verſtimmte den launiſchen Tieck
nur noch tiefer gegen mich. Er, der ſich ſonſt immer
gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬
ſchein in ſein melancholiſches Studirſtübchen brachte, ließ
ſich ſogar bei meinen Beſuchen einige Male verleugnen.
Da kam ich dann nicht wieder. Und ſo wurden die
Schatten zwiſchen uns dunkler und dichter und länger.
Zu einer Szene, zu einem Ausſprechen iſt es nie zwiſchen
uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen
Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen »in
Ungnade Gefallenen«, von denen mir der alte, liebens¬
würdige Böttiger ſchon bei meinem Gaſtſpiel in Dresden
geſagt hatte. Aber mir hat im Leben ſelten etwas ſo
weh gethan, wie dieſe Ungnade meines trotz all' ſeiner
Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag
hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.

Ob dieſe Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬
gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe
thaten?

Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck iſt
nie wahrer, uneigennütziger, ſelbſtloſer Freundſchaft und
Liebe fähig geweſen.

Als er 1837 ſeine Gattin, ſeine erſte Knabenliebe
und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte
und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen
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[426/0454] Sie ſprach nicht mal richtig deutſch. Dieſer geſcheiterte Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunſt der Dresdener zu verdrängen, verſtimmte den launiſchen Tieck nur noch tiefer gegen mich. Er, der ſich ſonſt immer gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬ ſchein in ſein melancholiſches Studirſtübchen brachte, ließ ſich ſogar bei meinen Beſuchen einige Male verleugnen. Da kam ich dann nicht wieder. Und ſo wurden die Schatten zwiſchen uns dunkler und dichter und länger. Zu einer Szene, zu einem Ausſprechen iſt es nie zwiſchen uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen »in Ungnade Gefallenen«, von denen mir der alte, liebens¬ würdige Böttiger ſchon bei meinem Gaſtſpiel in Dresden geſagt hatte. Aber mir hat im Leben ſelten etwas ſo weh gethan, wie dieſe Ungnade meines trotz all' ſeiner Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck. Ob dieſe Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬ gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe thaten? Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck iſt nie wahrer, uneigennütziger, ſelbſtloſer Freundſchaft und Liebe fähig geweſen. Als er 1837 ſeine Gattin, ſeine erſte Knabenliebe und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen ni den Augen von ſeinem, von unſerem großen Verluſte

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/454>, abgerufen am 22.11.2024.