Sie sprach nicht mal richtig deutsch. Dieser gescheiterte Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunst der Dresdener zu verdrängen, verstimmte den launischen Tieck nur noch tiefer gegen mich. Er, der sich sonst immer gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬ schein in sein melancholisches Studirstübchen brachte, ließ sich sogar bei meinen Besuchen einige Male verleugnen. Da kam ich dann nicht wieder. Und so wurden die Schatten zwischen uns dunkler und dichter und länger. Zu einer Szene, zu einem Aussprechen ist es nie zwischen uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen "in Ungnade Gefallenen", von denen mir der alte, liebens¬ würdige Böttiger schon bei meinem Gastspiel in Dresden gesagt hatte. Aber mir hat im Leben selten etwas so weh gethan, wie diese Ungnade meines trotz all' seiner Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.
Ob diese Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬ gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe thaten?
Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck ist nie wahrer, uneigennütziger, selbstloser Freundschaft und Liebe fähig gewesen.
Als er 1837 seine Gattin, seine erste Knabenliebe und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen ni den Augen von seinem, von unserem großen Verluste
Sie ſprach nicht mal richtig deutſch. Dieſer geſcheiterte Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunſt der Dresdener zu verdrängen, verſtimmte den launiſchen Tieck nur noch tiefer gegen mich. Er, der ſich ſonſt immer gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬ ſchein in ſein melancholiſches Studirſtübchen brachte, ließ ſich ſogar bei meinen Beſuchen einige Male verleugnen. Da kam ich dann nicht wieder. Und ſo wurden die Schatten zwiſchen uns dunkler und dichter und länger. Zu einer Szene, zu einem Ausſprechen iſt es nie zwiſchen uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen »in Ungnade Gefallenen«, von denen mir der alte, liebens¬ würdige Böttiger ſchon bei meinem Gaſtſpiel in Dresden geſagt hatte. Aber mir hat im Leben ſelten etwas ſo weh gethan, wie dieſe Ungnade meines trotz all' ſeiner Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.
Ob dieſe Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬ gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe thaten?
Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck iſt nie wahrer, uneigennütziger, ſelbſtloſer Freundſchaft und Liebe fähig geweſen.
Als er 1837 ſeine Gattin, ſeine erſte Knabenliebe und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen ni den Augen von ſeinem, von unſerem großen Verluſte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0454"n="426"/>
Sie ſprach nicht mal richtig deutſch. Dieſer geſcheiterte<lb/>
Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunſt der<lb/>
Dresdener zu verdrängen, verſtimmte den launiſchen Tieck<lb/>
nur noch tiefer gegen mich. Er, der ſich ſonſt immer<lb/>
gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬<lb/>ſchein in ſein melancholiſches Studirſtübchen brachte, ließ<lb/>ſich ſogar bei meinen Beſuchen einige Male verleugnen.<lb/>
Da kam ich dann nicht wieder. Und ſo wurden die<lb/>
Schatten zwiſchen uns dunkler und dichter und länger.<lb/>
Zu einer Szene, zu einem Ausſprechen iſt es nie zwiſchen<lb/>
uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen<lb/>
Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen »in<lb/>
Ungnade Gefallenen«, von denen mir der alte, liebens¬<lb/>
würdige Böttiger ſchon bei meinem Gaſtſpiel in Dresden<lb/>
geſagt hatte. Aber mir hat im Leben ſelten etwas ſo<lb/>
weh gethan, wie dieſe Ungnade meines trotz all' ſeiner<lb/>
Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag<lb/>
hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.</p><lb/><p>Ob dieſe Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬<lb/>
gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe<lb/>
thaten?</p><lb/><p>Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck iſt<lb/>
nie wahrer, uneigennütziger, ſelbſtloſer Freundſchaft und<lb/>
Liebe fähig geweſen.</p><lb/><p>Als er 1837 ſeine Gattin, ſeine erſte Knabenliebe<lb/>
und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte<lb/>
und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen<lb/>
ni den Augen von ſeinem, von unſerem großen Verluſte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[426/0454]
Sie ſprach nicht mal richtig deutſch. Dieſer geſcheiterte
Plan, mir wehe zu thun und mich in der Gunſt der
Dresdener zu verdrängen, verſtimmte den launiſchen Tieck
nur noch tiefer gegen mich. Er, der ſich ſonſt immer
gefreut hatte, wenn meine Fröhlichkeit etwas Sonnen¬
ſchein in ſein melancholiſches Studirſtübchen brachte, ließ
ſich ſogar bei meinen Beſuchen einige Male verleugnen.
Da kam ich dann nicht wieder. Und ſo wurden die
Schatten zwiſchen uns dunkler und dichter und länger.
Zu einer Szene, zu einem Ausſprechen iſt es nie zwiſchen
uns gekommen, auch nie zu einem offenen, ehrlichen
Bruch. Ich gehörte einfach zu den vielen, vielen »in
Ungnade Gefallenen«, von denen mir der alte, liebens¬
würdige Böttiger ſchon bei meinem Gaſtſpiel in Dresden
geſagt hatte. Aber mir hat im Leben ſelten etwas ſo
weh gethan, wie dieſe Ungnade meines trotz all' ſeiner
Schwächen und Launen doch bis auf den heutigen Tag
hochverehrten, geliebten Ludwig Tieck.
Ob dieſe Schatten, dies kühle, fremde Auseinander¬
gehen dem alten Dramaturgen auch wohl ein wenig wehe
thaten?
Ich glaube es kaum. Ich fürchte, Ludwig Tieck iſt
nie wahrer, uneigennütziger, ſelbſtloſer Freundſchaft und
Liebe fähig geweſen.
Als er 1837 ſeine Gattin, ſeine erſte Knabenliebe
und langjährige treue, milde Gefährtin, verloren hatte
und ich einen Kranz auf den Sarg legte und mit Thränen
ni den Augen von ſeinem, von unſerem großen Verluſte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/454>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.