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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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in die Zauberburg am Altmarkt und überreichte dem
alten Romantiker einen Strauß Lilas mit Maiblumen.
Solche kleinen Aufmerksamkeiten erfreuten ihn stets sehr.
Er war in heiterster Laune und lobte mein blühendes
Aussehen, fand meine neue Frühlingstoilette von hell¬
grüner Mousseline mit weißem, maiblumengeschmückten
Basthute sehr hübsch und kleidsam und lächelte: "Sie
mögen auch oft in den Spiegel geguckt haben, über¬
müthiges Weltkind!" -- was ich gar nicht verneinte.
Dann gingen wir an die Arbeit. Ich rezitirte meine
Rolle, als plötzlich während meiner pathetischsten Stelle
die Bibliothekthür mir gegenüber sich öffnete und eine
lange, hagere Gestalt im weißen Percal-Ueberrocke mit
rosa Gürtel und weißem Tüllhäubchen mit zierlichen rosa
Schleifen gleich einer verschollenen Ahnfrau herein¬
schwebte ... Mir stockte die Rede, als ich die alte, fast
siebenzigjährige Gräfin Finkenstein so geschmückt sah.
Sie grüßte zierlich und durchschritt den kleinen Raum
bis zu der Saalthür auffallend langsam, -- in der
Thür schaute sie sich noch einmal um und nickte dem
geliebten Freunde kokett lächelnd zu, als wollte sie sagen:
"Nicht wahr, so gefalle ich Dir doch?" Tieck nickte ihr
mit zärtlichem, wohlgefälligen Lächeln wieder zu und
sagte nach dem Verschwinden der Ahnfrau: "Nun, ist
die Gräfin nicht noch höchst anmuthig? Die Gute hat
sich schön herausgeputzt, um mit nur heute Abend
Mozart's herrliche Zauberflöte zu hören!" -- Zum
ersten Mal fehlte meiner flinken Zunge eine Antwort.

in die Zauberburg am Altmarkt und überreichte dem
alten Romantiker einen Strauß Lilas mit Maiblumen.
Solche kleinen Aufmerkſamkeiten erfreuten ihn ſtets ſehr.
Er war in heiterſter Laune und lobte mein blühendes
Ausſehen, fand meine neue Frühlingstoilette von hell¬
grüner Mouſſeline mit weißem, maiblumengeſchmückten
Baſthute ſehr hübſch und kleidſam und lächelte: »Sie
mögen auch oft in den Spiegel geguckt haben, über¬
müthiges Weltkind!« — was ich gar nicht verneinte.
Dann gingen wir an die Arbeit. Ich rezitirte meine
Rolle, als plötzlich während meiner pathetiſchſten Stelle
die Bibliothekthür mir gegenüber ſich öffnete und eine
lange, hagere Geſtalt im weißen Percal–Ueberrocke mit
roſa Gürtel und weißem Tüllhäubchen mit zierlichen roſa
Schleifen gleich einer verſchollenen Ahnfrau herein¬
ſchwebte … Mir ſtockte die Rede, als ich die alte, faſt
ſiebenzigjährige Gräfin Finkenſtein ſo geſchmückt ſah.
Sie grüßte zierlich und durchſchritt den kleinen Raum
bis zu der Saalthür auffallend langſam, — in der
Thür ſchaute ſie ſich noch einmal um und nickte dem
geliebten Freunde kokett lächelnd zu, als wollte ſie ſagen:
»Nicht wahr, ſo gefalle ich Dir doch?« Tieck nickte ihr
mit zärtlichem, wohlgefälligen Lächeln wieder zu und
ſagte nach dem Verſchwinden der Ahnfrau: »Nun, iſt
die Gräfin nicht noch höchſt anmuthig? Die Gute hat
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Mozart's herrliche Zauberflöte zu hören!« — Zum
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[407/0435] in die Zauberburg am Altmarkt und überreichte dem alten Romantiker einen Strauß Lilas mit Maiblumen. Solche kleinen Aufmerkſamkeiten erfreuten ihn ſtets ſehr. Er war in heiterſter Laune und lobte mein blühendes Ausſehen, fand meine neue Frühlingstoilette von hell¬ grüner Mouſſeline mit weißem, maiblumengeſchmückten Baſthute ſehr hübſch und kleidſam und lächelte: »Sie mögen auch oft in den Spiegel geguckt haben, über¬ müthiges Weltkind!« — was ich gar nicht verneinte. Dann gingen wir an die Arbeit. Ich rezitirte meine Rolle, als plötzlich während meiner pathetiſchſten Stelle die Bibliothekthür mir gegenüber ſich öffnete und eine lange, hagere Geſtalt im weißen Percal–Ueberrocke mit roſa Gürtel und weißem Tüllhäubchen mit zierlichen roſa Schleifen gleich einer verſchollenen Ahnfrau herein¬ ſchwebte … Mir ſtockte die Rede, als ich die alte, faſt ſiebenzigjährige Gräfin Finkenſtein ſo geſchmückt ſah. Sie grüßte zierlich und durchſchritt den kleinen Raum bis zu der Saalthür auffallend langſam, — in der Thür ſchaute ſie ſich noch einmal um und nickte dem geliebten Freunde kokett lächelnd zu, als wollte ſie ſagen: »Nicht wahr, ſo gefalle ich Dir doch?« Tieck nickte ihr mit zärtlichem, wohlgefälligen Lächeln wieder zu und ſagte nach dem Verſchwinden der Ahnfrau: »Nun, iſt die Gräfin nicht noch höchſt anmuthig? Die Gute hat ſich ſchön herausgeputzt, um mit nur heute Abend Mozart's herrliche Zauberflöte zu hören!« — Zum erſten Mal fehlte meiner flinken Zunge eine Antwort.

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/435>, abgerufen am 15.05.2024.