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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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22jährigen Dichter befiel und zeitweise ganz des Ge¬
brauchs seiner Glieder und seiner Feder beraubte. Leider
war die Heilung keine dauernde und in Dresden fand
ich den Armen oft von Gicht ganz zusammengekrümmt
in seinen Lehnsessel gebannt. Von Ziebingen aus ging
er mit dem treuen und stets hülfreichen Burgsdorff nach
England und machte in Londons Bibliotheken und Theatern
Studien zu einem wissenschaftlichen Werk über Shakespeare,
das aber kaum über Notizen hinausgekommen ist. Als
Graf Finkenstein im Frühjahr 1818 starb, ging die
Gräfin mit Tieck und dessen Familie nach Dresden und
gründete dem vergötterten Dichter mit ihren reichen
Mitteln ein behagliches, sorgenfreies Daheim. Sie leitete
und bestritt den Hausstand, sie machte an den Besuchs-
und Vorleseabenden die Honneurs, sie pflegte den von
Gicht Geplagten unermüdlich, sie begleitete den Theater¬
freund und späteren Dramaturgen in's Theater ...
und Tieck's Jugendliebe, seine Gattin Amalie, ging mit
wunderbarer Milde und zartfühligem Takt in dies selt¬
same Verhältniß ein. Ja, ich habe nie einen ernsten
Mißton zwischen den beiden Frauen unseres Grafen
Gleichen bemerkt; auch die Töchter Dorothea und Agnes
verkehrten auf's Freundlichste mit der Gräfin Finken¬
stein, und der alte Romantiker schien sich als Graf
Gleichen II. sehr behaglich zu fühlen.

Als ich die Gräfin Finkenstein kennen lernte, hatte
sie den Freund schon über dreißig Jahre mit rührender
Treue verehrt, gepflegt, sich in jede seiner vielen Launen

22jährigen Dichter befiel und zeitweiſe ganz des Ge¬
brauchs ſeiner Glieder und ſeiner Feder beraubte. Leider
war die Heilung keine dauernde und in Dresden fand
ich den Armen oft von Gicht ganz zuſammengekrümmt
in ſeinen Lehnſeſſel gebannt. Von Ziebingen aus ging
er mit dem treuen und ſtets hülfreichen Burgsdorff nach
England und machte in Londons Bibliotheken und Theatern
Studien zu einem wiſſenſchaftlichen Werk über Shakeſpeare,
das aber kaum über Notizen hinausgekommen iſt. Als
Graf Finkenſtein im Frühjahr 1818 ſtarb, ging die
Gräfin mit Tieck und deſſen Familie nach Dresden und
gründete dem vergötterten Dichter mit ihren reichen
Mitteln ein behagliches, ſorgenfreies Daheim. Sie leitete
und beſtritt den Hausſtand, ſie machte an den Beſuchs-
und Vorleſeabenden die Honneurs, ſie pflegte den von
Gicht Geplagten unermüdlich, ſie begleitete den Theater¬
freund und ſpäteren Dramaturgen in's Theater …
und Tieck's Jugendliebe, ſeine Gattin Amalie, ging mit
wunderbarer Milde und zartfühligem Takt in dies ſelt¬
ſame Verhältniß ein. Ja, ich habe nie einen ernſten
Mißton zwiſchen den beiden Frauen unſeres Grafen
Gleichen bemerkt; auch die Töchter Dorothea und Agnes
verkehrten auf's Freundlichſte mit der Gräfin Finken¬
ſtein, und der alte Romantiker ſchien ſich als Graf
Gleichen II. ſehr behaglich zu fühlen.

Als ich die Gräfin Finkenſtein kennen lernte, hatte
ſie den Freund ſchon über dreißig Jahre mit rührender
Treue verehrt, gepflegt, ſich in jede ſeiner vielen Launen

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[394/0422] 22jährigen Dichter befiel und zeitweiſe ganz des Ge¬ brauchs ſeiner Glieder und ſeiner Feder beraubte. Leider war die Heilung keine dauernde und in Dresden fand ich den Armen oft von Gicht ganz zuſammengekrümmt in ſeinen Lehnſeſſel gebannt. Von Ziebingen aus ging er mit dem treuen und ſtets hülfreichen Burgsdorff nach England und machte in Londons Bibliotheken und Theatern Studien zu einem wiſſenſchaftlichen Werk über Shakeſpeare, das aber kaum über Notizen hinausgekommen iſt. Als Graf Finkenſtein im Frühjahr 1818 ſtarb, ging die Gräfin mit Tieck und deſſen Familie nach Dresden und gründete dem vergötterten Dichter mit ihren reichen Mitteln ein behagliches, ſorgenfreies Daheim. Sie leitete und beſtritt den Hausſtand, ſie machte an den Beſuchs- und Vorleſeabenden die Honneurs, ſie pflegte den von Gicht Geplagten unermüdlich, ſie begleitete den Theater¬ freund und ſpäteren Dramaturgen in's Theater … und Tieck's Jugendliebe, ſeine Gattin Amalie, ging mit wunderbarer Milde und zartfühligem Takt in dies ſelt¬ ſame Verhältniß ein. Ja, ich habe nie einen ernſten Mißton zwiſchen den beiden Frauen unſeres Grafen Gleichen bemerkt; auch die Töchter Dorothea und Agnes verkehrten auf's Freundlichſte mit der Gräfin Finken¬ ſtein, und der alte Romantiker ſchien ſich als Graf Gleichen II. ſehr behaglich zu fühlen. Als ich die Gräfin Finkenſtein kennen lernte, hatte ſie den Freund ſchon über dreißig Jahre mit rührender Treue verehrt, gepflegt, ſich in jede ſeiner vielen Launen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/422>, abgerufen am 22.11.2024.