ja die Hand darauf gegeben, meinen Frauen nur Lustiges vorzulügen!"
"Meinen Frauen!" Ich muß heute darüber lächeln, wie harmlos patriarchalisch dies Wort von Tieck's Lippen klang -- und wie scharf, wie spöttisch die bösen Zungen Dresdens es betonten. Die nannten Tieck oft nur den "Grafen von Gleichen unseres Jahrhunderts".
Es war allerdings ein wunderliches Verhältniß, das sich im Lauf der Jahre zwischen dem alten Roman¬ tiker und seiner Frau und der Freundin Gräfin Finken¬ stein gebildet hatte. Aber es war auch eine andere, romantischere Zeit, als unsere Tage.
Tieck hatte, wie seine Lieblingshelden, lange Jahre eine Art fahrendes Künstlerleben geführt -- zum Theil mit Weib und Kind. Seine geniale, abenteuerliche Jugendzeit gährte fort und fort in ihm und ließ ihn nicht zu einem festen Lebenshalt kommen und auch nicht zu einem festen Wohnsitz. Und da seine pekuniären Verhältnisse nie die glänzendsten waren, lebte er bald hier, bald da -- und oft jahrelang bei Freunden als Gast, am liebsten und am längsten in Ziebingen, erst auf dem Gute seines Freundes v. Burgsdorff und dann im Hause des Grafen Finkenstein. Hier finden wir die Familie Tieck in den ersten achtzehn Jahren dieses Jahr¬ hunderts fast jeden Sommer. Von hier aus machte er seine Reise nach Italien, um in den Bädern von Pisa und unter dem milden Himmel von Rom Genesung von seinem heftigen Gichtleiden zu suchen, das den erst
ja die Hand darauf gegeben, meinen Frauen nur Luſtiges vorzulügen!«
»Meinen Frauen!« Ich muß heute darüber lächeln, wie harmlos patriarchaliſch dies Wort von Tieck's Lippen klang — und wie ſcharf, wie ſpöttiſch die böſen Zungen Dresdens es betonten. Die nannten Tieck oft nur den »Grafen von Gleichen unſeres Jahrhunderts«.
Es war allerdings ein wunderliches Verhältniß, das ſich im Lauf der Jahre zwiſchen dem alten Roman¬ tiker und ſeiner Frau und der Freundin Gräfin Finken¬ ſtein gebildet hatte. Aber es war auch eine andere, romantiſchere Zeit, als unſere Tage.
Tieck hatte, wie ſeine Lieblingshelden, lange Jahre eine Art fahrendes Künſtlerleben geführt — zum Theil mit Weib und Kind. Seine geniale, abenteuerliche Jugendzeit gährte fort und fort in ihm und ließ ihn nicht zu einem feſten Lebenshalt kommen und auch nicht zu einem feſten Wohnſitz. Und da ſeine pekuniären Verhältniſſe nie die glänzendſten waren, lebte er bald hier, bald da — und oft jahrelang bei Freunden als Gaſt, am liebſten und am längſten in Ziebingen, erſt auf dem Gute ſeines Freundes v. Burgsdorff und dann im Hauſe des Grafen Finkenſtein. Hier finden wir die Familie Tieck in den erſten achtzehn Jahren dieſes Jahr¬ hunderts faſt jeden Sommer. Von hier aus machte er ſeine Reiſe nach Italien, um in den Bädern von Piſa und unter dem milden Himmel von Rom Geneſung von ſeinem heftigen Gichtleiden zu ſuchen, das den erſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0421"n="393"/>
ja die Hand darauf gegeben, meinen Frauen nur Luſtiges<lb/>
vorzulügen!«</p><lb/><p>»Meinen Frauen!« Ich muß heute darüber lächeln,<lb/>
wie harmlos patriarchaliſch dies Wort von Tieck's Lippen<lb/>
klang — und wie ſcharf, wie ſpöttiſch die böſen Zungen<lb/>
Dresdens es betonten. Die nannten Tieck oft nur den<lb/>
»Grafen von Gleichen unſeres Jahrhunderts«.</p><lb/><p>Es war allerdings ein wunderliches Verhältniß,<lb/>
das ſich im Lauf der Jahre zwiſchen dem alten Roman¬<lb/>
tiker und ſeiner Frau und der Freundin Gräfin Finken¬<lb/>ſtein gebildet hatte. Aber es war auch eine andere,<lb/>
romantiſchere Zeit, als unſere Tage.</p><lb/><p>Tieck hatte, wie ſeine Lieblingshelden, lange Jahre<lb/>
eine Art fahrendes Künſtlerleben geführt — zum Theil<lb/>
mit Weib und Kind. Seine geniale, abenteuerliche<lb/>
Jugendzeit gährte fort und fort in ihm und ließ ihn<lb/>
nicht zu einem feſten Lebenshalt kommen und auch nicht<lb/>
zu einem feſten Wohnſitz. Und da ſeine pekuniären<lb/>
Verhältniſſe nie die glänzendſten waren, lebte er bald<lb/>
hier, bald da — und oft jahrelang bei Freunden als<lb/>
Gaſt, am liebſten und am längſten in Ziebingen, erſt<lb/>
auf dem Gute ſeines Freundes v. Burgsdorff und dann<lb/>
im Hauſe des Grafen Finkenſtein. Hier finden wir die<lb/>
Familie Tieck in den erſten achtzehn Jahren dieſes Jahr¬<lb/>
hunderts faſt jeden Sommer. Von hier aus machte er<lb/>ſeine Reiſe nach Italien, um in den Bädern von Piſa<lb/>
und unter dem milden Himmel von Rom Geneſung von<lb/>ſeinem heftigen Gichtleiden zu ſuchen, das den erſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[393/0421]
ja die Hand darauf gegeben, meinen Frauen nur Luſtiges
vorzulügen!«
»Meinen Frauen!« Ich muß heute darüber lächeln,
wie harmlos patriarchaliſch dies Wort von Tieck's Lippen
klang — und wie ſcharf, wie ſpöttiſch die böſen Zungen
Dresdens es betonten. Die nannten Tieck oft nur den
»Grafen von Gleichen unſeres Jahrhunderts«.
Es war allerdings ein wunderliches Verhältniß,
das ſich im Lauf der Jahre zwiſchen dem alten Roman¬
tiker und ſeiner Frau und der Freundin Gräfin Finken¬
ſtein gebildet hatte. Aber es war auch eine andere,
romantiſchere Zeit, als unſere Tage.
Tieck hatte, wie ſeine Lieblingshelden, lange Jahre
eine Art fahrendes Künſtlerleben geführt — zum Theil
mit Weib und Kind. Seine geniale, abenteuerliche
Jugendzeit gährte fort und fort in ihm und ließ ihn
nicht zu einem feſten Lebenshalt kommen und auch nicht
zu einem feſten Wohnſitz. Und da ſeine pekuniären
Verhältniſſe nie die glänzendſten waren, lebte er bald
hier, bald da — und oft jahrelang bei Freunden als
Gaſt, am liebſten und am längſten in Ziebingen, erſt
auf dem Gute ſeines Freundes v. Burgsdorff und dann
im Hauſe des Grafen Finkenſtein. Hier finden wir die
Familie Tieck in den erſten achtzehn Jahren dieſes Jahr¬
hunderts faſt jeden Sommer. Von hier aus machte er
ſeine Reiſe nach Italien, um in den Bädern von Piſa
und unter dem milden Himmel von Rom Geneſung von
ſeinem heftigen Gichtleiden zu ſuchen, das den erſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/421>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.