wenn Statira-Teichmann im schmelzenden Flöten sich fast verhauchte ... dann rief der Schändliche mit seinen entzücktesten Tönen: "Bravo! meisterhaft gelesen! -- so gemüthvoll! so poesieduftig ..." -- uns Armen noch den Rest von Selbstbeherrschung raubend.
Ich habe in meinem Leben nie ähnliche Qualen aus¬ gestanden, wie in diesem zweistündigen Kampfe gegen das Lachen. Eine Tortur in den Gefängnissen der spa¬ nischen Inquisition soll ja darin bestanden haben, daß die armen Opfer so lange gekitzelt wurden, bis sie ge¬ standen oder -- sich zu Tode gelacht hatten ... Von diesem Abende an verstand ich erst das Furchtbare dieser Tortur! Und doch möchte ich fast behaupten: Wir haben bei "Alexander und Darius" noch mehr gelitten ... denn wir wurden zwei Stunden lang gekitzelt und -- durften doch nicht lachen! Ich glaube, ich hätte mit Vergnügen eine ganze Monatsgage dafür gegeben, wenn die Mutter und ich uns hätten nur drei Minuten lang so recht von Herzen frei auslachen dürfen! -- -- Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, stemmte die Füße wie Atlas gegen den Fußboden, biß die Zähne auf die arme Zunge und stammelte -- besinnungslos meine Rolle weiter ...
Da kam aber noch die schwerste Prüfung. Statira- Teichmann sieht im letzten Akt im Geist, wie eine Vision, das furchtbare Schlachtgewühl ... Sie schildert in Ekstase, wie ihr geliebter Darius flieht -- verfolgt wird und ... wird ohnmächtig ... Eine solche Prachtauf¬
wenn Statira-Teichmann im ſchmelzenden Flöten ſich faſt verhauchte … dann rief der Schändliche mit ſeinen entzückteſten Tönen: »Bravo! meiſterhaft geleſen! — ſo gemüthvoll! ſo poeſieduftig …« — uns Armen noch den Reſt von Selbſtbeherrſchung raubend.
Ich habe in meinem Leben nie ähnliche Qualen aus¬ geſtanden, wie in dieſem zweiſtündigen Kampfe gegen das Lachen. Eine Tortur in den Gefängniſſen der ſpa¬ niſchen Inquiſition ſoll ja darin beſtanden haben, daß die armen Opfer ſo lange gekitzelt wurden, bis ſie ge¬ ſtanden oder — ſich zu Tode gelacht hatten … Von dieſem Abende an verſtand ich erſt das Furchtbare dieſer Tortur! Und doch möchte ich faſt behaupten: Wir haben bei »Alexander und Darius« noch mehr gelitten … denn wir wurden zwei Stunden lang gekitzelt und — durften doch nicht lachen! Ich glaube, ich hätte mit Vergnügen eine ganze Monatsgage dafür gegeben, wenn die Mutter und ich uns hätten nur drei Minuten lang ſo recht von Herzen frei auslachen dürfen! — — Ich nahm meine ganze Kraft zuſammen, ſtemmte die Füße wie Atlas gegen den Fußboden, biß die Zähne auf die arme Zunge und ſtammelte — beſinnungslos meine Rolle weiter …
Da kam aber noch die ſchwerſte Prüfung. Statira- Teichmann ſieht im letzten Akt im Geiſt, wie eine Viſion, das furchtbare Schlachtgewühl … Sie ſchildert in Ekſtaſe, wie ihr geliebter Darius flieht — verfolgt wird und … wird ohnmächtig … Eine ſolche Prachtauf¬
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wenn Statira-Teichmann im ſchmelzenden Flöten ſich
faſt verhauchte … dann rief der Schändliche mit ſeinen
entzückteſten Tönen: »Bravo! meiſterhaft geleſen! — ſo
gemüthvoll! ſo poeſieduftig …« — uns Armen noch
den Reſt von Selbſtbeherrſchung raubend.
Ich habe in meinem Leben nie ähnliche Qualen aus¬
geſtanden, wie in dieſem zweiſtündigen Kampfe gegen
das Lachen. Eine Tortur in den Gefängniſſen der ſpa¬
niſchen Inquiſition ſoll ja darin beſtanden haben, daß
die armen Opfer ſo lange gekitzelt wurden, bis ſie ge¬
ſtanden oder — ſich zu Tode gelacht hatten … Von
dieſem Abende an verſtand ich erſt das Furchtbare dieſer
Tortur! Und doch möchte ich faſt behaupten: Wir haben
bei »Alexander und Darius« noch mehr gelitten …
denn wir wurden zwei Stunden lang gekitzelt und —
durften doch nicht lachen! Ich glaube, ich hätte mit
Vergnügen eine ganze Monatsgage dafür gegeben, wenn
die Mutter und ich uns hätten nur drei Minuten lang
ſo recht von Herzen frei auslachen dürfen! — — Ich
nahm meine ganze Kraft zuſammen, ſtemmte die Füße
wie Atlas gegen den Fußboden, biß die Zähne auf die
arme Zunge und ſtammelte — beſinnungslos meine
Rolle weiter …
Da kam aber noch die ſchwerſte Prüfung. Statira-
Teichmann ſieht im letzten Akt im Geiſt, wie eine Viſion,
das furchtbare Schlachtgewühl … Sie ſchildert in
Ekſtaſe, wie ihr geliebter Darius flieht — verfolgt wird
und … wird ohnmächtig … Eine ſolche Prachtauf¬
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/380>, abgerufen am 17.05.2024.
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