Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.Dies Alles wäre schon hinreichend gewesen, ein Immer tiefer und tiefer sank das Haupt Krügers Noch hatte ich mich mit übermenschlicher Kraft ge¬ Dies Alles wäre ſchon hinreichend geweſen, ein Immer tiefer und tiefer ſank das Haupt Krügers Noch hatte ich mich mit übermenſchlicher Kraft ge¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0379" n="351"/> <p>Dies Alles wäre ſchon hinreichend geweſen, ein<lb/> junges lachluſtiges Mädchen aus der Faſſung zu brin¬<lb/> gen … Aber zu meinem Unglück mußte ich auch noch<lb/> für die arme Mutter fürchten, die bereits zuſammen¬<lb/> gekrümmt in ihrer Sophaecke kauerte und — das Taſchen¬<lb/> tuch gegen die Lippen gepreßt — am unnatürlichſten<lb/> Huſten zu erſticken drohte … dabei jedoch es für ihre<lb/> mütterliche Pflicht hielt, mir zwiſchendurch die verzweif¬<lb/> lungsvollſten Blicke zuzuwerfen, die mir ſagen ſollten:<lb/> »Lina, Du wirſt mir doch nicht das Herzeleid anthun<lb/> und losplatzen?!« Die Frau Gevatterin Krüger kam<lb/> aus dem erſchütterndſten Nieſen und aus ihrem Schnupf¬<lb/> tuche gar nicht mehr heraus und ich ſah nicht ohne Ge¬<lb/> nugthuung, wie ſie bald roth, bald blaß wurde — im<lb/> qualvollſten aller geſellſchaftlichen Kämpfe gegen den<lb/> Dämon: Lachkitzel!</p><lb/> <p>Immer tiefer und tiefer ſank das Haupt Krügers<lb/> auf ſein Manuſcript und ſeine ſonſt ſo klangvolle Stimme<lb/> tönte gepreßt, wie aus der Unterwelt. Er hatte wenig¬<lb/> ſtens die Kraft der Selbſtrettung: Niemanden mehr<lb/> eines Blickes zu würdigen. Seine Hände umklammerten<lb/> zitternd und zerknitternd das unſelige Manuſcript, als<lb/> hinge Leben und Seligkeit davon ab.</p><lb/> <p>Noch hatte ich mich mit übermenſchlicher Kraft ge¬<lb/> halten … da begegneten meine armen Augen den teuf¬<lb/> liſch blitzenden Brillengläſern Saphirs … Wie ein Sa¬<lb/> tyr ſaß er da, vor Vergnügen förmlich glänzend und<lb/> ſich ſchadenfroh an unſeren Qualen weidend … Und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [351/0379]
Dies Alles wäre ſchon hinreichend geweſen, ein
junges lachluſtiges Mädchen aus der Faſſung zu brin¬
gen … Aber zu meinem Unglück mußte ich auch noch
für die arme Mutter fürchten, die bereits zuſammen¬
gekrümmt in ihrer Sophaecke kauerte und — das Taſchen¬
tuch gegen die Lippen gepreßt — am unnatürlichſten
Huſten zu erſticken drohte … dabei jedoch es für ihre
mütterliche Pflicht hielt, mir zwiſchendurch die verzweif¬
lungsvollſten Blicke zuzuwerfen, die mir ſagen ſollten:
»Lina, Du wirſt mir doch nicht das Herzeleid anthun
und losplatzen?!« Die Frau Gevatterin Krüger kam
aus dem erſchütterndſten Nieſen und aus ihrem Schnupf¬
tuche gar nicht mehr heraus und ich ſah nicht ohne Ge¬
nugthuung, wie ſie bald roth, bald blaß wurde — im
qualvollſten aller geſellſchaftlichen Kämpfe gegen den
Dämon: Lachkitzel!
Immer tiefer und tiefer ſank das Haupt Krügers
auf ſein Manuſcript und ſeine ſonſt ſo klangvolle Stimme
tönte gepreßt, wie aus der Unterwelt. Er hatte wenig¬
ſtens die Kraft der Selbſtrettung: Niemanden mehr
eines Blickes zu würdigen. Seine Hände umklammerten
zitternd und zerknitternd das unſelige Manuſcript, als
hinge Leben und Seligkeit davon ab.
Noch hatte ich mich mit übermenſchlicher Kraft ge¬
halten … da begegneten meine armen Augen den teuf¬
liſch blitzenden Brillengläſern Saphirs … Wie ein Sa¬
tyr ſaß er da, vor Vergnügen förmlich glänzend und
ſich ſchadenfroh an unſeren Qualen weidend … Und
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