von Sr. Excellenz nicht noch schlimmere Dinge zu hören bekommen, als heute Mittag!" Mein Zweck war erreicht -- das Gewitter in der arbeitenden Brust des verwun¬ deten, ehrgeizigen Künstlers hatte sich ohne Donner und Blitz verzogen und wir gingen am andern Morgen wohlgemuth in die Probe zur "gefährlichen Tante". Aber ich sollte sie nicht verlassen, ohne neue Erfahrungen gemacht zu haben.
In der Pause fragte mich Frl. Reichel, welche die Kammerjungfer spielte: "Sie werden doch in dem präch¬ tigen rothen Sammetmantel, mit echtem Hermelin be¬ setzt, auftreten, wie Karoline Müller? Der nimmt sich zu dem weißen Atlaskleide prächtig aus!"
"Nein, ich werde mich bemühen, wie "Adele Müller" zu erscheinen, die bei einem kleinen Provinztheater ange¬ stellt ist und schwerlich einen Hermelinmantel besitzt, um in demselben nach der Vorstellung nach Hause zu fahren."
"Dann -- werden Sie nicht beim Auftreten applau¬ dirt werden, wie Karoline Müller stets ..."
"Aber Adele Müller hätte ja für solch' einen kost¬ baren Mantel mehr als eine ganze Jahresgage opfern müssen, -- und sie ist doch nur Schauspielerin, um ihre arme Familie zu erhalten?"
Die Reichel zuckte die Achseln: "Danach fragt unser Publikum nicht!"
Das war der erste Stachel -- aber es sollten noch mehr dazu kommen.
von Sr. Excellenz nicht noch ſchlimmere Dinge zu hören bekommen, als heute Mittag!« Mein Zweck war erreicht — das Gewitter in der arbeitenden Bruſt des verwun¬ deten, ehrgeizigen Künſtlers hatte ſich ohne Donner und Blitz verzogen und wir gingen am andern Morgen wohlgemuth in die Probe zur »gefährlichen Tante«. Aber ich ſollte ſie nicht verlaſſen, ohne neue Erfahrungen gemacht zu haben.
In der Pauſe fragte mich Frl. Reichel, welche die Kammerjungfer ſpielte: »Sie werden doch in dem präch¬ tigen rothen Sammetmantel, mit echtem Hermelin be¬ ſetzt, auftreten, wie Karoline Müller? Der nimmt ſich zu dem weißen Atlaskleide prächtig aus!«
»Nein, ich werde mich bemühen, wie »Adele Müller« zu erſcheinen, die bei einem kleinen Provinztheater ange¬ ſtellt iſt und ſchwerlich einen Hermelinmantel beſitzt, um in demſelben nach der Vorſtellung nach Hauſe zu fahren.«
»Dann — werden Sie nicht beim Auftreten applau¬ dirt werden, wie Karoline Müller ſtets …«
»Aber Adele Müller hätte ja für ſolch' einen koſt¬ baren Mantel mehr als eine ganze Jahresgage opfern müſſen, — und ſie iſt doch nur Schauſpielerin, um ihre arme Familie zu erhalten?«
Die Reichel zuckte die Achſeln: »Danach fragt unſer Publikum nicht!«
Das war der erſte Stachel — aber es ſollten noch mehr dazu kommen.
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von Sr. Excellenz nicht noch ſchlimmere Dinge zu hören
bekommen, als heute Mittag!« Mein Zweck war erreicht
— das Gewitter in der arbeitenden Bruſt des verwun¬
deten, ehrgeizigen Künſtlers hatte ſich ohne Donner und
Blitz verzogen und wir gingen am andern Morgen
wohlgemuth in die Probe zur »gefährlichen Tante«.
Aber ich ſollte ſie nicht verlaſſen, ohne neue Erfahrungen
gemacht zu haben.
In der Pauſe fragte mich Frl. Reichel, welche die
Kammerjungfer ſpielte: »Sie werden doch in dem präch¬
tigen rothen Sammetmantel, mit echtem Hermelin be¬
ſetzt, auftreten, wie Karoline Müller? Der nimmt ſich
zu dem weißen Atlaskleide prächtig aus!«
»Nein, ich werde mich bemühen, wie »Adele Müller«
zu erſcheinen, die bei einem kleinen Provinztheater ange¬
ſtellt iſt und ſchwerlich einen Hermelinmantel beſitzt,
um in demſelben nach der Vorſtellung nach Hauſe zu
fahren.«
»Dann — werden Sie nicht beim Auftreten applau¬
dirt werden, wie Karoline Müller ſtets …«
»Aber Adele Müller hätte ja für ſolch' einen koſt¬
baren Mantel mehr als eine ganze Jahresgage opfern
müſſen, — und ſie iſt doch nur Schauſpielerin, um ihre
arme Familie zu erhalten?«
Die Reichel zuckte die Achſeln: »Danach fragt unſer
Publikum nicht!«
Das war der erſte Stachel — aber es ſollten noch
mehr dazu kommen.
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/345>, abgerufen am 23.11.2024.
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