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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Das war der "Emmerling" von Theodor Döring, jetzt
die größte Zierde des Berliner Schauspielhauses. Döring
hat mich stets lebhaft an Ludwig Devrient erinnert und
ich halte ihn für den würdigsten Nachfolger des großen
Todten. Auch Ludwig Tieck schätzte Döring sehr und
nannte seinen Adam in Kleist's "zerbrochenem Krug" ein
vollendetes Meisterwerk.

Pauli und ich verabredeten also schon in Dresden,
am Burgtheater zusammen in der "gefährlichen Tante"
zu gastiren. Ausnahmsweise wurde mir von der Dres¬
dener Intendanz gestattet, mein schönes, antikes Tanten¬
kostüm mitzunehmen. Das stammte sicher aus dem
vorigen Jahrhundert und war altmodisch und kostbar,
wie die Urgroßmütter es getragen. Das schwere braun
und gelb gestreifte Atlaskleid war mit Blumen durch¬
wirkt, dazu eine kolossale, reich getollte und hochge¬
thürmte weiße Haube.

Pauli debütirte als Jago in "Othello", fand glän¬
zenden Empfang und wurde nach jedem Akt gerufen.
Meister Anschütz war ein unübertrefflicher Othello, und
Julie Rettich, die seit einem Jahre mit lebenslänglichem
Engagement wieder dem Burgtheater angehörte, entzückte
und rührte wunderbar als Desdemona.

Alles ließ sich prächtig an. Graf Fürstenberg, der
Nachfolger des Grafen Czernin als Intendant, gab den
beiden Dresdener Gästen zu Ehren ein gemütliches
Künstlerdiner, und Pauli und ich waren seelenvergnügt.
Der Intendant, ein freundlicher, zuvorkommender Herr

Das war der »Emmerling« von Theodor Döring, jetzt
die größte Zierde des Berliner Schauſpielhauſes. Döring
hat mich ſtets lebhaft an Ludwig Devrient erinnert und
ich halte ihn für den würdigſten Nachfolger des großen
Todten. Auch Ludwig Tieck ſchätzte Döring ſehr und
nannte ſeinen Adam in Kleiſt's »zerbrochenem Krug« ein
vollendetes Meiſterwerk.

Pauli und ich verabredeten alſo ſchon in Dresden,
am Burgtheater zuſammen in der »gefährlichen Tante«
zu gaſtiren. Ausnahmsweiſe wurde mir von der Dres¬
dener Intendanz geſtattet, mein ſchönes, antikes Tanten¬
koſtüm mitzunehmen. Das ſtammte ſicher aus dem
vorigen Jahrhundert und war altmodiſch und koſtbar,
wie die Urgroßmütter es getragen. Das ſchwere braun
und gelb geſtreifte Atlaskleid war mit Blumen durch¬
wirkt, dazu eine koloſſale, reich getollte und hochge¬
thürmte weiße Haube.

Pauli debütirte als Jago in »Othello«, fand glän¬
zenden Empfang und wurde nach jedem Akt gerufen.
Meiſter Anſchütz war ein unübertrefflicher Othello, und
Julie Rettich, die ſeit einem Jahre mit lebenslänglichem
Engagement wieder dem Burgtheater angehörte, entzückte
und rührte wunderbar als Desdemona.

Alles ließ ſich prächtig an. Graf Fürſtenberg, der
Nachfolger des Grafen Czernin als Intendant, gab den
beiden Dresdener Gäſten zu Ehren ein gemütliches
Künſtlerdiner, und Pauli und ich waren ſeelenvergnügt.
Der Intendant, ein freundlicher, zuvorkommender Herr

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[312/0340] Das war der »Emmerling« von Theodor Döring, jetzt die größte Zierde des Berliner Schauſpielhauſes. Döring hat mich ſtets lebhaft an Ludwig Devrient erinnert und ich halte ihn für den würdigſten Nachfolger des großen Todten. Auch Ludwig Tieck ſchätzte Döring ſehr und nannte ſeinen Adam in Kleiſt's »zerbrochenem Krug« ein vollendetes Meiſterwerk. Pauli und ich verabredeten alſo ſchon in Dresden, am Burgtheater zuſammen in der »gefährlichen Tante« zu gaſtiren. Ausnahmsweiſe wurde mir von der Dres¬ dener Intendanz geſtattet, mein ſchönes, antikes Tanten¬ koſtüm mitzunehmen. Das ſtammte ſicher aus dem vorigen Jahrhundert und war altmodiſch und koſtbar, wie die Urgroßmütter es getragen. Das ſchwere braun und gelb geſtreifte Atlaskleid war mit Blumen durch¬ wirkt, dazu eine koloſſale, reich getollte und hochge¬ thürmte weiße Haube. Pauli debütirte als Jago in »Othello«, fand glän¬ zenden Empfang und wurde nach jedem Akt gerufen. Meiſter Anſchütz war ein unübertrefflicher Othello, und Julie Rettich, die ſeit einem Jahre mit lebenslänglichem Engagement wieder dem Burgtheater angehörte, entzückte und rührte wunderbar als Desdemona. Alles ließ ſich prächtig an. Graf Fürſtenberg, der Nachfolger des Grafen Czernin als Intendant, gab den beiden Dresdener Gäſten zu Ehren ein gemütliches Künſtlerdiner, und Pauli und ich waren ſeelenvergnügt. Der Intendant, ein freundlicher, zuvorkommender Herr

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/340>, abgerufen am 17.05.2024.