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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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nicht allzu zuverlässigen Lachmuskeln nicht auf eine zu
harte Probe zu stellen ...

Johanna ging -- und kehrte nimmer wieder!

Aber, wie ich draußen in meinem Fiaker gelacht
habe -- und dann, als ich der Mutter und Freund
Witthauer dramatisch und vor allen Dingen elegisch von
meinem Besuche Bericht erstattete -- davon darf ich
wohl schweigen.

Und dann gab Witthauer auch ein Histörchen von
der stadtbekannten, in den alltäglichsten Dingen über¬
schwenglichen Sentimentalität der Frau von Weißenthurn
zum Besten -- und unsere kaum ein wenig eingedämmte
Heiterkeit brach wieder wolkenbruchartig hervor. Ja, die
Feder entfällt noch heute vor Lachen meiner Hand, wenn
ich mir die Situation so recht lebensvoll vor's Auge
zaubere.

Es regnet nämlich in Wien und Frau von Weißen¬
thurn steigt mit graziösem Storchschritt hochgeschürzt
durch die Wasserfluten, elegisch ihren Parapluie balan¬
cirend. Zu ihrem Unglück muß sie an einer Fiakerreihe
vorüber.

"Fahr'n mer, Ihro Gnad'n?" sagt der erste Kutscher.

"Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!"
entgegnet Frau von Weißenthurn schmachtend, mit ele¬
gischem Augen- und Parapluie-Aufschlag, als deklamirte
sie mit Johanna:

"Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!"

nicht allzu zuverläſſigen Lachmuskeln nicht auf eine zu
harte Probe zu ſtellen …

Johanna ging — und kehrte nimmer wieder!

Aber, wie ich draußen in meinem Fiaker gelacht
habe — und dann, als ich der Mutter und Freund
Witthauer dramatiſch und vor allen Dingen elegiſch von
meinem Beſuche Bericht erſtattete — davon darf ich
wohl ſchweigen.

Und dann gab Witthauer auch ein Hiſtörchen von
der ſtadtbekannten, in den alltäglichſten Dingen über¬
ſchwenglichen Sentimentalität der Frau von Weißenthurn
zum Beſten — und unſere kaum ein wenig eingedämmte
Heiterkeit brach wieder wolkenbruchartig hervor. Ja, die
Feder entfällt noch heute vor Lachen meiner Hand, wenn
ich mir die Situation ſo recht lebensvoll vor's Auge
zaubere.

Es regnet nämlich in Wien und Frau von Weißen¬
thurn ſteigt mit graziöſem Storchſchritt hochgeſchürzt
durch die Waſſerfluten, elegiſch ihren Parapluie balan¬
cirend. Zu ihrem Unglück muß ſie an einer Fiakerreihe
vorüber.

»Fahr'n mer, Ihro Gnad'n?« ſagt der erſte Kutſcher.

»Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!»
entgegnet Frau von Weißenthurn ſchmachtend, mit ele¬
giſchem Augen- und Parapluie-Aufſchlag, als deklamirte
ſie mit Johanna:

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[306/0334] nicht allzu zuverläſſigen Lachmuskeln nicht auf eine zu harte Probe zu ſtellen … Johanna ging — und kehrte nimmer wieder! Aber, wie ich draußen in meinem Fiaker gelacht habe — und dann, als ich der Mutter und Freund Witthauer dramatiſch und vor allen Dingen elegiſch von meinem Beſuche Bericht erſtattete — davon darf ich wohl ſchweigen. Und dann gab Witthauer auch ein Hiſtörchen von der ſtadtbekannten, in den alltäglichſten Dingen über¬ ſchwenglichen Sentimentalität der Frau von Weißenthurn zum Beſten — und unſere kaum ein wenig eingedämmte Heiterkeit brach wieder wolkenbruchartig hervor. Ja, die Feder entfällt noch heute vor Lachen meiner Hand, wenn ich mir die Situation ſo recht lebensvoll vor's Auge zaubere. Es regnet nämlich in Wien und Frau von Weißen¬ thurn ſteigt mit graziöſem Storchſchritt hochgeſchürzt durch die Waſſerfluten, elegiſch ihren Parapluie balan¬ cirend. Zu ihrem Unglück muß ſie an einer Fiakerreihe vorüber. »Fahr'n mer, Ihro Gnad'n?« ſagt der erſte Kutſcher. »Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!» entgegnet Frau von Weißenthurn ſchmachtend, mit ele¬ giſchem Augen- und Parapluie-Aufſchlag, als deklamirte ſie mit Johanna: »Kurz iſt der Schmerz und ewig iſt die Freude!«

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/334>, abgerufen am 22.11.2024.