Kopf fällt neben seiner ideal schönen Gemahlin -- einer rührenden Erscheinung mit feinen, blassen, milden Zügen -- nur noch mehr auf. Aber er schaut so gutmüthig und wohlwollend darein, daß ich mich redlich bemühe, seine Unschönheit gar nicht mehr zu sehen. -- Fürst Metternich hat die Haltung eines Königs und die Augen eines klugen Ministers. Die Fürstin, seine zweite Frau, ist jung, blühend und sehr graziös -- aber sie sieht stolz und selbstbewußt aus. Dazu paßt prächtig die kleine Geschichte, die mir hier erzählt wird: Der Marquis St. Aulair, der Gesandte des Bürgerkönigs Louis Philipp, machte der Fürstin einst das Kompliment: "Welch' ein prachtvolles Diadem schmückt Ihre schöne Stirn!"
Stolz antwortete ihm die Fürstin: "Es ist wenig¬ stens kein -- geraubtes, wie das mancher Könige!"
Sogleich eilte der Marquis zum Fürsten Metternich, erzählte ihm das Vorgefallene und sagte: "Mein Fürst, nach einer solchen Beleidigung meines Königs von der Gattin des östreichischen Staatskanzlers werde ich nach Paris schreiben müssen und um meine Abberufung bitten!"
Wie diplomatisch fein war Metternich's Antwort! Dem Marquis die Hand reichend, sagte er mit milder Würde: "Mon cher Marquis! J'ai aime ma femme, je l'ai choisie, mais -- je ne l'ai pas elevee!"
Und der Marquis war besänftigt.*)
*) Dies erinnert mich an eine hübsche kleine Geschichte, die später Franz Liszt mit der stolzen Fürstin Metternich passirt ist. -- Liszt war an die Fürstin empfohlen und machte ihr in Wien seinen
Kopf fällt neben ſeiner ideal ſchönen Gemahlin — einer rührenden Erſcheinung mit feinen, blaſſen, milden Zügen — nur noch mehr auf. Aber er ſchaut ſo gutmüthig und wohlwollend darein, daß ich mich redlich bemühe, ſeine Unſchönheit gar nicht mehr zu ſehen. — Fürſt Metternich hat die Haltung eines Königs und die Augen eines klugen Miniſters. Die Fürſtin, ſeine zweite Frau, iſt jung, blühend und ſehr graziös — aber ſie ſieht ſtolz und ſelbſtbewußt aus. Dazu paßt prächtig die kleine Geſchichte, die mir hier erzählt wird: Der Marquis St. Aulair, der Geſandte des Bürgerkönigs Louis Philipp, machte der Fürſtin einſt das Kompliment: »Welch' ein prachtvolles Diadem ſchmückt Ihre ſchöne Stirn!«
Stolz antwortete ihm die Fürſtin: »Es iſt wenig¬ ſtens kein — geraubtes, wie das mancher Könige!«
Sogleich eilte der Marquis zum Fürſten Metternich, erzählte ihm das Vorgefallene und ſagte: »Mein Fürſt, nach einer ſolchen Beleidigung meines Königs von der Gattin des öſtreichiſchen Staatskanzlers werde ich nach Paris ſchreiben müſſen und um meine Abberufung bitten!«
Wie diplomatiſch fein war Metternich's Antwort! Dem Marquis die Hand reichend, ſagte er mit milder Würde: »Mon cher Marquis! J'ai aimé ma femme, je l'ai choisie, mais — je ne l'ai pas élevée!«
Und der Marquis war beſänftigt.*)
*) Dies erinnert mich an eine hübſche kleine Geſchichte, die ſpäter Franz Liszt mit der ſtolzen Fürſtin Metternich paſſirt iſt. — Liszt war an die Fürſtin empfohlen und machte ihr in Wien ſeinen
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Kopf fällt neben ſeiner ideal ſchönen Gemahlin — einer
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und wohlwollend darein, daß ich mich redlich bemühe,
ſeine Unſchönheit gar nicht mehr zu ſehen. — Fürſt
Metternich hat die Haltung eines Königs und die Augen
eines klugen Miniſters. Die Fürſtin, ſeine zweite Frau,
iſt jung, blühend und ſehr graziös — aber ſie ſieht
ſtolz und ſelbſtbewußt aus. Dazu paßt prächtig die
kleine Geſchichte, die mir hier erzählt wird: Der Marquis
St. Aulair, der Geſandte des Bürgerkönigs Louis Philipp,
machte der Fürſtin einſt das Kompliment: »Welch' ein
prachtvolles Diadem ſchmückt Ihre ſchöne Stirn!«
Stolz antwortete ihm die Fürſtin: »Es iſt wenig¬
ſtens kein — geraubtes, wie das mancher Könige!«
Sogleich eilte der Marquis zum Fürſten Metternich,
erzählte ihm das Vorgefallene und ſagte: »Mein Fürſt,
nach einer ſolchen Beleidigung meines Königs von der
Gattin des öſtreichiſchen Staatskanzlers werde ich nach
Paris ſchreiben müſſen und um meine Abberufung bitten!«
Wie diplomatiſch fein war Metternich's Antwort!
Dem Marquis die Hand reichend, ſagte er mit milder
Würde: »Mon cher Marquis! J'ai aimé ma femme,
je l'ai choisie, mais — je ne l'ai pas élevée!«
Und der Marquis war beſänftigt. *)
*) Dies erinnert mich an eine hübſche kleine Geſchichte, die
ſpäter Franz Liszt mit der ſtolzen Fürſtin Metternich paſſirt iſt. —
Liszt war an die Fürſtin empfohlen und machte ihr in Wien ſeinen
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/324>, abgerufen am 22.11.2024.
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