klang mir meine eigene Stimme in diesem weiten, öden Raum. Ich hätte keine unglücklichere Wahl treffen können, als dies graziöseste, feinste aller Lustspiele. Alle poesieduftigen, zarten Nüancen verflogen spurlos in der Leere und Hohlheit des Raumes und -- der Augen, Ohren und Herzen des ungarischen Publikums, obgleich die deutschen Zuschauer mir redlich ihre Theilnahme zeigten, Verzweiflungsvoll griff ich zu stärkeren Mitteln -- und zwar zum "Letzten Mittel" der Frau von Weißen¬ thurn. Ich gab die Baronin Waldhüll ... und mußte das lieblich verschämt zu mir selber gesprochene: "Er kommt -- er kommt gewiß!" laut in's Parterre hinab¬ schreien, um nur dort wenigstens verstanden zu werden ... und er, der Geliebte, der es doch nicht hören sollte, stand wenige Schritte von mir ... Mich wundert heute noch, daß ihm das Trommelfell nicht gesprungen.
Mir war das Weinen längst näher, als das Lachen. In dieser Stimmung erklärte ich dem Direktor, daß ich auf dieser Bühne auf poetische Liebhaberinnen und zarte Salondamen verzichten müsse ...
"Aber was dann, mein Fräulein?"
"Probiren wir einmal "Kartoffeln in der Schale" -- da kann Ihr werthes Publikum mich doch sentimental- naiv Kartoffeln schälen und kindlich hüpfen sehen, wenn es auch keine Sylbe versteht" ... sagte ich mit wahrem Galgenhumor.
Aber auch sogar das "Hüpfen" sollte mir in Pest verleidet werden und mir fast meine Lunge kosten.
klang mir meine eigene Stimme in dieſem weiten, öden Raum. Ich hätte keine unglücklichere Wahl treffen können, als dies graziöſeſte, feinſte aller Luſtſpiele. Alle poeſieduftigen, zarten Nüancen verflogen ſpurlos in der Leere und Hohlheit des Raumes und — der Augen, Ohren und Herzen des ungariſchen Publikums, obgleich die deutſchen Zuſchauer mir redlich ihre Theilnahme zeigten, Verzweiflungsvoll griff ich zu ſtärkeren Mitteln — und zwar zum »Letzten Mittel« der Frau von Weißen¬ thurn. Ich gab die Baronin Waldhüll … und mußte das lieblich verſchämt zu mir ſelber geſprochene: »Er kommt — er kommt gewiß!« laut in's Parterre hinab¬ ſchreien, um nur dort wenigſtens verſtanden zu werden … und er, der Geliebte, der es doch nicht hören ſollte, ſtand wenige Schritte von mir … Mich wundert heute noch, daß ihm das Trommelfell nicht geſprungen.
Mir war das Weinen längſt näher, als das Lachen. In dieſer Stimmung erklärte ich dem Direktor, daß ich auf dieſer Bühne auf poetiſche Liebhaberinnen und zarte Salondamen verzichten müſſe …
»Aber was dann, mein Fräulein?«
»Probiren wir einmal »Kartoffeln in der Schale« — da kann Ihr werthes Publikum mich doch ſentimental- naiv Kartoffeln ſchälen und kindlich hüpfen ſehen, wenn es auch keine Sylbe verſteht« … ſagte ich mit wahrem Galgenhumor.
Aber auch ſogar das »Hüpfen« ſollte mir in Peſt verleidet werden und mir faſt meine Lunge koſten.
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klang mir meine eigene Stimme in dieſem weiten, öden
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können, als dies graziöſeſte, feinſte aller Luſtſpiele. Alle
poeſieduftigen, zarten Nüancen verflogen ſpurlos in der
Leere und Hohlheit des Raumes und — der Augen,
Ohren und Herzen des ungariſchen Publikums, obgleich
die deutſchen Zuſchauer mir redlich ihre Theilnahme
zeigten, Verzweiflungsvoll griff ich zu ſtärkeren Mitteln
— und zwar zum »Letzten Mittel« der Frau von Weißen¬
thurn. Ich gab die Baronin Waldhüll … und mußte
das lieblich verſchämt zu mir ſelber geſprochene: »Er
kommt — er kommt gewiß!« laut in's Parterre hinab¬
ſchreien, um nur dort wenigſtens verſtanden zu werden
… und er, der Geliebte, der es doch nicht hören ſollte,
ſtand wenige Schritte von mir … Mich wundert heute
noch, daß ihm das Trommelfell nicht geſprungen.
Mir war das Weinen längſt näher, als das Lachen.
In dieſer Stimmung erklärte ich dem Direktor, daß ich
auf dieſer Bühne auf poetiſche Liebhaberinnen und
zarte Salondamen verzichten müſſe …
»Aber was dann, mein Fräulein?«
»Probiren wir einmal »Kartoffeln in der Schale«
— da kann Ihr werthes Publikum mich doch ſentimental-
naiv Kartoffeln ſchälen und kindlich hüpfen ſehen, wenn
es auch keine Sylbe verſteht« … ſagte ich mit wahrem
Galgenhumor.
Aber auch ſogar das »Hüpfen« ſollte mir in Peſt
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/314>, abgerufen am 25.11.2024.
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