mich in diesen Tagen ein Buch entzückte -- als Zeichen, daß Raimund trotz unserer so sehr vergeßlichen Zeit doch noch unvergessen ist! Ich meine das Trauerspiel Julius Reuper's: "Ferdinand Raimund". Der Dichter zeichnet uns hier mit Wärme und Pietät die Kämpfe, welche Raimund zu bestehen hatte, ehe er -- der arme Conditor¬ lehrling -- sich der vergötterten Bühne widmen durfte -- die Dornen seines Künstlererdenwallens -- und seinen Tod. Es wäre eine interessante und dankbare Aufgabe unserer Bühnen, durch dies Trauerspiel das Andenken Ferdinand Raimund's neu zu beleben.
Zur großen Betrübniß unseres zeisiggrünen Sepperl hatten wir die ungemüthliche "Goldene Anden" schon den dritten Tag mit dem comfortablen "Erzherzog Karl" vertauscht.
Ich mußte nun auch ernstlich daran denken, mich den Gewalthabern des Burgtheaters vorzustellen und das Nöthige wegen meines Gastspiels Anfangs August zu be¬ sprechen. Ich besuchte zuerst den artistischen Direktor Deinhardstein und fand einen liebenswürdigen, jovialen Herrn, der es gewohnt zu sein schien, das Leben und die Kunst und seine Stellung möglichst bequem und leicht auf die Achseln zu nehmen. Er war in Wien als passionirter Angler bekannt und ließ sich dann nicht gern durch Direk¬ tionsgeschäfte stören. Ueber seinen Chef, den Oberst¬ kämmerer und Intendanten Grafen Czernin, der eines
mich in dieſen Tagen ein Buch entzückte — als Zeichen, daß Raimund trotz unſerer ſo ſehr vergeßlichen Zeit doch noch unvergeſſen iſt! Ich meine das Trauerſpiel Julius Reuper's: »Ferdinand Raimund«. Der Dichter zeichnet uns hier mit Wärme und Pietät die Kämpfe, welche Raimund zu beſtehen hatte, ehe er — der arme Conditor¬ lehrling — ſich der vergötterten Bühne widmen durfte — die Dornen ſeines Künſtlererdenwallens — und ſeinen Tod. Es wäre eine intereſſante und dankbare Aufgabe unſerer Bühnen, durch dies Trauerſpiel das Andenken Ferdinand Raimund's neu zu beleben.
Zur großen Betrübniß unſeres zeiſiggrünen Sepperl hatten wir die ungemüthliche »Goldene Anden« ſchon den dritten Tag mit dem comfortablen »Erzherzog Karl« vertauſcht.
Ich mußte nun auch ernſtlich daran denken, mich den Gewalthabern des Burgtheaters vorzuſtellen und das Nöthige wegen meines Gaſtſpiels Anfangs Auguſt zu be¬ ſprechen. Ich beſuchte zuerſt den artiſtiſchen Direktor Deinhardſtein und fand einen liebenswürdigen, jovialen Herrn, der es gewohnt zu ſein ſchien, das Leben und die Kunſt und ſeine Stellung möglichſt bequem und leicht auf die Achſeln zu nehmen. Er war in Wien als paſſionirter Angler bekannt und ließ ſich dann nicht gern durch Direk¬ tionsgeſchäfte ſtören. Ueber ſeinen Chef, den Oberſt¬ kämmerer und Intendanten Grafen Czernin, der eines
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mich in dieſen Tagen ein Buch entzückte — als Zeichen,
daß Raimund trotz unſerer ſo ſehr vergeßlichen Zeit doch
noch unvergeſſen iſt! Ich meine das Trauerſpiel Julius
Reuper's: »Ferdinand Raimund«. Der Dichter zeichnet
uns hier mit Wärme und Pietät die Kämpfe, welche
Raimund zu beſtehen hatte, ehe er — der arme Conditor¬
lehrling — ſich der vergötterten Bühne widmen durfte —
die Dornen ſeines Künſtlererdenwallens — und ſeinen
Tod. Es wäre eine intereſſante und dankbare Aufgabe
unſerer Bühnen, durch dies Trauerſpiel das Andenken
Ferdinand Raimund's neu zu beleben.
Zur großen Betrübniß unſeres zeiſiggrünen Sepperl
hatten wir die ungemüthliche »Goldene Anden« ſchon
den dritten Tag mit dem comfortablen »Erzherzog Karl«
vertauſcht.
Ich mußte nun auch ernſtlich daran denken, mich
den Gewalthabern des Burgtheaters vorzuſtellen und das
Nöthige wegen meines Gaſtſpiels Anfangs Auguſt zu be¬
ſprechen. Ich beſuchte zuerſt den artiſtiſchen Direktor
Deinhardſtein und fand einen liebenswürdigen, jovialen
Herrn, der es gewohnt zu ſein ſchien, das Leben und die
Kunſt und ſeine Stellung möglichſt bequem und leicht auf
die Achſeln zu nehmen. Er war in Wien als paſſionirter
Angler bekannt und ließ ſich dann nicht gern durch Direk¬
tionsgeſchäfte ſtören. Ueber ſeinen Chef, den Oberſt¬
kämmerer und Intendanten Grafen Czernin, der eines
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/302>, abgerufen am 17.05.2024.
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