stand und ihrer himmelstürmenden Begeisterung oft in drastischster Weise Luft machte.
Besonders ergriff die Schlußscene: als der Hirt (Ludwig Löwe) in seiner bescheidenen Hütte erwacht -- ein reiner, gottvertrauender Mensch, arm und unbekannt -- -- aber so froh und dankbar, daß er allen Glanz und Reichthum ... und den Verrath und Mord, durch die er sein Sehnen nach Macht und Glück gestillt -- nur geträumt hatte. Daß der Zuschauer erst in diesem Augenblick erfährt: es war Alles nur ein Traum -- das bekundet die Meisterschaft des Dichters. --
Im Theater an der Wien sah ich zum ersten Mal den bezaubernden Raimund und seine entzückenden Zauber¬ märchen. Eine neue Welt ging mir hier auf den Brettern auf. Ich wurde wieder zum lachenden und weinenden Kinde -- -- und gut und gläubig und hoffnungsselig wie ein Kind, das des Lebens Dornen und Giftblumen noch nicht kennt.
Im "Alpenkönig" bildeten Direktor Karl, Raimund und der Komiker Scholz das köstlichste Ensemble, und im "Verschwender" war Raimund ein wundernärrischer lieber Valentin.
Ja, in Raimund als Dichter und Schauspieler lebte den Wienern ein Stück deutschen Shakespeare's: so körnig, so ursprünglich und naturwüchsig ist in seinen gemüthvollen Dichtungen Alles. Wenn Shakespeare aber in seinen finstersten Tragödien oft heitere Bilder aufblitzen läßt und durch diesen jähen Kontrast gerade
ſtand und ihrer himmelſtürmenden Begeiſterung oft in draſtiſchſter Weiſe Luft machte.
Beſonders ergriff die Schlußſcene: als der Hirt (Ludwig Löwe) in ſeiner beſcheidenen Hütte erwacht — ein reiner, gottvertrauender Menſch, arm und unbekannt — — aber ſo froh und dankbar, daß er allen Glanz und Reichthum … und den Verrath und Mord, durch die er ſein Sehnen nach Macht und Glück geſtillt — nur geträumt hatte. Daß der Zuſchauer erſt in dieſem Augenblick erfährt: es war Alles nur ein Traum — das bekundet die Meiſterſchaft des Dichters. —
Im Theater an der Wien ſah ich zum erſten Mal den bezaubernden Raimund und ſeine entzückenden Zauber¬ märchen. Eine neue Welt ging mir hier auf den Brettern auf. Ich wurde wieder zum lachenden und weinenden Kinde — — und gut und gläubig und hoffnungsſelig wie ein Kind, das des Lebens Dornen und Giftblumen noch nicht kennt.
Im »Alpenkönig« bildeten Direktor Karl, Raimund und der Komiker Scholz das köſtlichſte Enſemble, und im »Verſchwender« war Raimund ein wundernärriſcher lieber Valentin.
Ja, in Raimund als Dichter und Schauſpieler lebte den Wienern ein Stück deutſchen Shakeſpeare's: ſo körnig, ſo urſprünglich und naturwüchſig iſt in ſeinen gemüthvollen Dichtungen Alles. Wenn Shakeſpeare aber in ſeinen finſterſten Tragödien oft heitere Bilder aufblitzen läßt und durch dieſen jähen Kontraſt gerade
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ſtand und ihrer himmelſtürmenden Begeiſterung oft in
draſtiſchſter Weiſe Luft machte.
Beſonders ergriff die Schlußſcene: als der Hirt
(Ludwig Löwe) in ſeiner beſcheidenen Hütte erwacht —
ein reiner, gottvertrauender Menſch, arm und unbekannt
— — aber ſo froh und dankbar, daß er allen Glanz
und Reichthum … und den Verrath und Mord, durch
die er ſein Sehnen nach Macht und Glück geſtillt —
nur geträumt hatte. Daß der Zuſchauer erſt in dieſem
Augenblick erfährt: es war Alles nur ein Traum —
das bekundet die Meiſterſchaft des Dichters. —
Im Theater an der Wien ſah ich zum erſten Mal
den bezaubernden Raimund und ſeine entzückenden Zauber¬
märchen. Eine neue Welt ging mir hier auf den Brettern
auf. Ich wurde wieder zum lachenden und weinenden
Kinde — — und gut und gläubig und hoffnungsſelig
wie ein Kind, das des Lebens Dornen und Giftblumen
noch nicht kennt.
Im »Alpenkönig« bildeten Direktor Karl, Raimund
und der Komiker Scholz das köſtlichſte Enſemble, und
im »Verſchwender« war Raimund ein wundernärriſcher
lieber Valentin.
Ja, in Raimund als Dichter und Schauſpieler
lebte den Wienern ein Stück deutſchen Shakeſpeare's:
ſo körnig, ſo urſprünglich und naturwüchſig iſt in ſeinen
gemüthvollen Dichtungen Alles. Wenn Shakeſpeare
aber in ſeinen finſterſten Tragödien oft heitere Bilder
aufblitzen läßt und durch dieſen jähen Kontraſt gerade
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/300>, abgerufen am 18.05.2024.
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