Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauptzweck meines Engagements: in allen Fächern zu
spielen, auch im tragischen Fach ein reiches Repertoir zu
bilden, war vollkommen erreicht worden.

Ich schied von Petersburg mit dankbarem Herzen,
den mir wahrhaft ergebenen Familien beim Lebewohl
sagend: "Auf Wiedersehen im schönen Deutschland!" -- Ich
gedachte eine große Kunstreise anzutreten, und dann zu
bleiben, wo ich -- und wo mir es am besten gefallen
würde.

Als mein letztes Auftreten stattfinden sollte, waren
alle Plätze schon Morgens 9 Uhr verkauft, und am
Abend der Vorstellung mußten Hunderte zurückgewiesen
werden, -- und doch fand die Vorstellung im großen
Alexandratheater statt und die Petersburger hatten mich
wenigstens 300mal spielen sehen! --

Ich gab die Elsbeth im Tournier zu Kronstein, und
zum Schluß die Rosa in der Operette: "Zwei Worte,
oder die Herberge im Walde." -- Rosa hat eine liebliche
Melodie am Schluß zu singen, da wählte ich Worte des
Dankes und des Abschiedes dazu, -- vermochte sie auch
zu singen, wenn gleich mit bebender, thränenverschleierter
Stimme, Stürmisch rief das ganze Haus: "Noch ein¬
mal spielen! noch einmal!" ... Und so wurde andern
Abends die Vorstellung im Michaeltheater wiederholt.
Das war Mitte Januar 1834, deutschen Styles.

Viele Freunde und Bekannte begleiteten uns bis zur
ersten Station, auch russische Familien. Ich lernte eine
gar schöne Volkssitte kennen, -- daß man vor dem letzten

Hauptzweck meines Engagements: in allen Fächern zu
ſpielen, auch im tragiſchen Fach ein reiches Repertoir zu
bilden, war vollkommen erreicht worden.

Ich ſchied von Petersburg mit dankbarem Herzen,
den mir wahrhaft ergebenen Familien beim Lebewohl
ſagend: »Auf Wiederſehen im ſchönen Deutſchland!« — Ich
gedachte eine große Kunſtreiſe anzutreten, und dann zu
bleiben, wo ich — und wo mir es am beſten gefallen
würde.

Als mein letztes Auftreten ſtattfinden ſollte, waren
alle Plätze ſchon Morgens 9 Uhr verkauft, und am
Abend der Vorſtellung mußten Hunderte zurückgewieſen
werden, — und doch fand die Vorſtellung im großen
Alexandratheater ſtatt und die Petersburger hatten mich
wenigſtens 300mal ſpielen ſehen! —

Ich gab die Elsbeth im Tournier zu Kronſtein, und
zum Schluß die Roſa in der Operette: »Zwei Worte,
oder die Herberge im Walde.« — Roſa hat eine liebliche
Melodie am Schluß zu ſingen, da wählte ich Worte des
Dankes und des Abſchiedes dazu, — vermochte ſie auch
zu ſingen, wenn gleich mit bebender, thränenverſchleierter
Stimme, Stürmiſch rief das ganze Haus: »Noch ein¬
mal ſpielen! noch einmal!« … Und ſo wurde andern
Abends die Vorſtellung im Michaeltheater wiederholt.
Das war Mitte Januar 1834, deutſchen Styles.

Viele Freunde und Bekannte begleiteten uns bis zur
erſten Station, auch ruſſiſche Familien. Ich lernte eine
gar ſchöne Volksſitte kennen, — daß man vor dem letzten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0277" n="249"/>
Hauptzweck meines Engagements: in allen Fächern zu<lb/>
&#x017F;pielen, auch im tragi&#x017F;chen Fach ein reiches Repertoir zu<lb/>
bilden, war vollkommen erreicht worden.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;chied von Petersburg mit dankbarem Herzen,<lb/>
den mir wahrhaft ergebenen Familien beim Lebewohl<lb/>
&#x017F;agend: »Auf Wieder&#x017F;ehen im &#x017F;chönen Deut&#x017F;chland!« &#x2014; Ich<lb/>
gedachte eine große Kun&#x017F;trei&#x017F;e anzutreten, und dann zu<lb/>
bleiben, wo ich &#x2014; und wo <hi rendition="#g">mir</hi> es am be&#x017F;ten gefallen<lb/>
würde.</p><lb/>
        <p>Als mein letztes Auftreten &#x017F;tattfinden &#x017F;ollte, waren<lb/>
alle Plätze &#x017F;chon Morgens 9 Uhr verkauft, und am<lb/>
Abend der Vor&#x017F;tellung mußten Hunderte zurückgewie&#x017F;en<lb/>
werden, &#x2014; und doch fand die Vor&#x017F;tellung im großen<lb/>
Alexandratheater &#x017F;tatt und die Petersburger hatten mich<lb/>
wenig&#x017F;tens 300mal &#x017F;pielen &#x017F;ehen! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich gab die Elsbeth im Tournier zu Kron&#x017F;tein, und<lb/>
zum Schluß die Ro&#x017F;a in der Operette: »Zwei Worte,<lb/>
oder die Herberge im Walde.« &#x2014; Ro&#x017F;a hat eine liebliche<lb/>
Melodie am Schluß zu &#x017F;ingen, da wählte ich Worte des<lb/>
Dankes und des Ab&#x017F;chiedes dazu, &#x2014; vermochte &#x017F;ie auch<lb/>
zu &#x017F;ingen, wenn gleich mit bebender, thränenver&#x017F;chleierter<lb/>
Stimme, Stürmi&#x017F;ch rief das ganze Haus: »Noch ein¬<lb/>
mal &#x017F;pielen! noch einmal!« &#x2026; Und &#x017F;o wurde andern<lb/>
Abends die Vor&#x017F;tellung im Michaeltheater wiederholt.<lb/>
Das war Mitte Januar 1834, deut&#x017F;chen Styles.</p><lb/>
        <p>Viele Freunde und Bekannte begleiteten uns bis zur<lb/>
er&#x017F;ten Station, auch ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Familien. Ich lernte eine<lb/>
gar &#x017F;chöne Volks&#x017F;itte kennen, &#x2014; daß man vor dem letzten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0277] Hauptzweck meines Engagements: in allen Fächern zu ſpielen, auch im tragiſchen Fach ein reiches Repertoir zu bilden, war vollkommen erreicht worden. Ich ſchied von Petersburg mit dankbarem Herzen, den mir wahrhaft ergebenen Familien beim Lebewohl ſagend: »Auf Wiederſehen im ſchönen Deutſchland!« — Ich gedachte eine große Kunſtreiſe anzutreten, und dann zu bleiben, wo ich — und wo mir es am beſten gefallen würde. Als mein letztes Auftreten ſtattfinden ſollte, waren alle Plätze ſchon Morgens 9 Uhr verkauft, und am Abend der Vorſtellung mußten Hunderte zurückgewieſen werden, — und doch fand die Vorſtellung im großen Alexandratheater ſtatt und die Petersburger hatten mich wenigſtens 300mal ſpielen ſehen! — Ich gab die Elsbeth im Tournier zu Kronſtein, und zum Schluß die Roſa in der Operette: »Zwei Worte, oder die Herberge im Walde.« — Roſa hat eine liebliche Melodie am Schluß zu ſingen, da wählte ich Worte des Dankes und des Abſchiedes dazu, — vermochte ſie auch zu ſingen, wenn gleich mit bebender, thränenverſchleierter Stimme, Stürmiſch rief das ganze Haus: »Noch ein¬ mal ſpielen! noch einmal!« … Und ſo wurde andern Abends die Vorſtellung im Michaeltheater wiederholt. Das war Mitte Januar 1834, deutſchen Styles. Viele Freunde und Bekannte begleiteten uns bis zur erſten Station, auch ruſſiſche Familien. Ich lernte eine gar ſchöne Volksſitte kennen, — daß man vor dem letzten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/277
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/277>, abgerufen am 17.05.2024.