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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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fesseln unwiderstehlich. Dabei ein edel geschwungener
Nacken, schön geformte Arme und Hände -- genug: man
begriff, daß diese Persönlichkeit, verbunden mit Scharf¬
sinn, hohen Geistesgaben, bezaubernder Liebenswürdigkeit,
Alles -- wagen durfte.

Neben dem Gemälde saß auf einem Papageigestelle
ein großer, uralter Kakadu. Unter seinen Augen mit
unheimlich verständigem Blick hingen große Falten nie¬
der. Ich frug, wie dieser Vogel in diesen Prachtsaal
käme? und bekam zur Antwort, daß die Kaiserin Katharina
den Liebling immer um sich gehabt habe. Aus Pietät
gegen sie werde er sorgfältig gepflegt, und da er nur in
diesem hellen, von Besuchenden selten leer werdenden
Saale und vor dem Bilde seiner ehemaligen Herrin ruhig
sei, so gönne man dem gewiß achtzig Jahre alten Kakadu
sein Lieblingsplätzchen.

Auch an meinen Urgroßvater, den einst berühmten
Chirurgen Ramdor in Braunschweig, mußten wir bei
dem Bilde der Kaiserin denken. In ihrer letzten Krank¬
heit hatte Katharina ihn nach Petersburg rufen lassen.
Leider traf er zu spät ein; die Operation konnte nicht
mehr gewagt werden; aber reich beschenkt wurde der Ur¬
großvater entlassen, und nie konnte er müde werden,
von der Huld und Gnade der Kaiserin zu erzählen.

Auf dem Porträt meiner Urgroßmutter ist noch eine
Brillant-Riviere zu sehen, welche die Kaiserin dem
Chirurgen für seine Frau hatte einhändigen lassen ... und
die Urenkelin, von den Nachkommen der Kaiserin auch

feſſeln unwiderſtehlich. Dabei ein edel geſchwungener
Nacken, ſchön geformte Arme und Hände — genug: man
begriff, daß dieſe Perſönlichkeit, verbunden mit Scharf¬
ſinn, hohen Geiſtesgaben, bezaubernder Liebenswürdigkeit,
Alles — wagen durfte.

Neben dem Gemälde ſaß auf einem Papageigeſtelle
ein großer, uralter Kakadu. Unter ſeinen Augen mit
unheimlich verſtändigem Blick hingen große Falten nie¬
der. Ich frug, wie dieſer Vogel in dieſen Prachtſaal
käme? und bekam zur Antwort, daß die Kaiſerin Katharina
den Liebling immer um ſich gehabt habe. Aus Pietät
gegen ſie werde er ſorgfältig gepflegt, und da er nur in
dieſem hellen, von Beſuchenden ſelten leer werdenden
Saale und vor dem Bilde ſeiner ehemaligen Herrin ruhig
ſei, ſo gönne man dem gewiß achtzig Jahre alten Kakadu
ſein Lieblingsplätzchen.

Auch an meinen Urgroßvater, den einſt berühmten
Chirurgen Ramdor in Braunſchweig, mußten wir bei
dem Bilde der Kaiſerin denken. In ihrer letzten Krank¬
heit hatte Katharina ihn nach Petersburg rufen laſſen.
Leider traf er zu ſpät ein; die Operation konnte nicht
mehr gewagt werden; aber reich beſchenkt wurde der Ur¬
großvater entlaſſen, und nie konnte er müde werden,
von der Huld und Gnade der Kaiſerin zu erzählen.

Auf dem Porträt meiner Urgroßmutter iſt noch eine
Brillant-Rivière zu ſehen, welche die Kaiſerin dem
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[246/0274] feſſeln unwiderſtehlich. Dabei ein edel geſchwungener Nacken, ſchön geformte Arme und Hände — genug: man begriff, daß dieſe Perſönlichkeit, verbunden mit Scharf¬ ſinn, hohen Geiſtesgaben, bezaubernder Liebenswürdigkeit, Alles — wagen durfte. Neben dem Gemälde ſaß auf einem Papageigeſtelle ein großer, uralter Kakadu. Unter ſeinen Augen mit unheimlich verſtändigem Blick hingen große Falten nie¬ der. Ich frug, wie dieſer Vogel in dieſen Prachtſaal käme? und bekam zur Antwort, daß die Kaiſerin Katharina den Liebling immer um ſich gehabt habe. Aus Pietät gegen ſie werde er ſorgfältig gepflegt, und da er nur in dieſem hellen, von Beſuchenden ſelten leer werdenden Saale und vor dem Bilde ſeiner ehemaligen Herrin ruhig ſei, ſo gönne man dem gewiß achtzig Jahre alten Kakadu ſein Lieblingsplätzchen. Auch an meinen Urgroßvater, den einſt berühmten Chirurgen Ramdor in Braunſchweig, mußten wir bei dem Bilde der Kaiſerin denken. In ihrer letzten Krank¬ heit hatte Katharina ihn nach Petersburg rufen laſſen. Leider traf er zu ſpät ein; die Operation konnte nicht mehr gewagt werden; aber reich beſchenkt wurde der Ur¬ großvater entlaſſen, und nie konnte er müde werden, von der Huld und Gnade der Kaiſerin zu erzählen. Auf dem Porträt meiner Urgroßmutter iſt noch eine Brillant-Rivière zu ſehen, welche die Kaiſerin dem Chirurgen für ſeine Frau hatte einhändigen laſſen … und die Urenkelin, von den Nachkommen der Kaiſerin auch

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/274>, abgerufen am 22.11.2024.