Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

genommen, luden wie im Winter ein, Aber ohne Equi¬
page waren wir oft gezwungen, dieser Erholung zu ent¬
sagen, da die Villas und Landhäuser, auch das reizende
Besitzthum von Baron Stieglitz, ein bis zwei Stunden
von Petersburg entfernt liegen. Ueberdies kostete ein
gewöhnliches Fuhrwerk für den halben Tag 20 Rubel,
Sonntags auch 30 bis 40. Als einzige Ressource, frische
Luft zu schöpfen, blieb den in die Residenz Gebannten
nur der Sommergarten. Der war damals aber so ein¬
förmig, so unbelebt, wie in tiefste Melancholie versunken.
Die Vögel wagten nicht laut zu zwitschern -- -- und
gerade in diesem Sommergarten erfaßte mich das Heim¬
weh nach Deutschlands lieblichen Gärten, den öffentlichen
schattigen Sommerlokalen mit herrlich dirigirtem Or¬
chester und dem traulichen Geplauder fröhlicher Menschen
am heftigsten, wenn wir die regelmäßigen, stillen Alleen
nach kurzer Promenade in trübseliger Stimmung baldigst
wieder verließen.

Was in Petersburg die tanzliebende Welt zu leisten
im Stande ist, grenzt an's Unglaubliche! -- und der
Lenz des blühendsten Mädchens, der schönsten jungen
Frau ist nach wenigen Saisons vorüber.

Ich will nur schildern, was ich während einer ein¬
zigen Woche mitzumachen versuchte. Dann mußte ich
mich aber etwas zurückziehen, um mich nicht in kurzer
Zeit um meine Gesundheit, -- ja um meine Künstler¬
laufbahn, die so viel geistige und körperliche Frische er¬
forderte, gebracht zu sehen.

genommen, luden wie im Winter ein, Aber ohne Equi¬
page waren wir oft gezwungen, dieſer Erholung zu ent¬
ſagen, da die Villas und Landhäuſer, auch das reizende
Beſitzthum von Baron Stieglitz, ein bis zwei Stunden
von Petersburg entfernt liegen. Ueberdies koſtete ein
gewöhnliches Fuhrwerk für den halben Tag 20 Rubel,
Sonntags auch 30 bis 40. Als einzige Reſſource, friſche
Luft zu ſchöpfen, blieb den in die Reſidenz Gebannten
nur der Sommergarten. Der war damals aber ſo ein¬
förmig, ſo unbelebt, wie in tiefſte Melancholie verſunken.
Die Vögel wagten nicht laut zu zwitſchern — — und
gerade in dieſem Sommergarten erfaßte mich das Heim¬
weh nach Deutſchlands lieblichen Gärten, den öffentlichen
ſchattigen Sommerlokalen mit herrlich dirigirtem Or¬
cheſter und dem traulichen Geplauder fröhlicher Menſchen
am heftigſten, wenn wir die regelmäßigen, ſtillen Alleen
nach kurzer Promenade in trübſeliger Stimmung baldigſt
wieder verließen.

Was in Petersburg die tanzliebende Welt zu leiſten
im Stande iſt, grenzt an's Unglaubliche! — und der
Lenz des blühendſten Mädchens, der ſchönſten jungen
Frau iſt nach wenigen Saiſons vorüber.

Ich will nur ſchildern, was ich während einer ein¬
zigen Woche mitzumachen verſuchte. Dann mußte ich
mich aber etwas zurückziehen, um mich nicht in kurzer
Zeit um meine Geſundheit, — ja um meine Künſtler¬
laufbahn, die ſo viel geiſtige und körperliche Friſche er¬
forderte, gebracht zu ſehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0268" n="240"/>
genommen, luden wie im Winter ein, Aber ohne Equi¬<lb/>
page waren wir oft gezwungen, die&#x017F;er Erholung zu ent¬<lb/>
&#x017F;agen, da die Villas und Landhäu&#x017F;er, auch das reizende<lb/>
Be&#x017F;itzthum von Baron Stieglitz, ein bis zwei Stunden<lb/>
von Petersburg entfernt liegen. Ueberdies ko&#x017F;tete ein<lb/>
gewöhnliches Fuhrwerk für den halben Tag 20 Rubel,<lb/>
Sonntags auch 30 bis 40. Als einzige Re&#x017F;&#x017F;ource, fri&#x017F;che<lb/>
Luft zu &#x017F;chöpfen, blieb den in die Re&#x017F;idenz Gebannten<lb/>
nur der Sommergarten. Der war damals aber &#x017F;o ein¬<lb/>
förmig, &#x017F;o unbelebt, wie in tief&#x017F;te Melancholie ver&#x017F;unken.<lb/>
Die Vögel wagten nicht <hi rendition="#g">laut</hi> zu zwit&#x017F;chern &#x2014; &#x2014; und<lb/>
gerade in die&#x017F;em Sommergarten erfaßte mich das Heim¬<lb/>
weh nach Deut&#x017F;chlands lieblichen Gärten, den öffentlichen<lb/>
&#x017F;chattigen Sommerlokalen mit herrlich dirigirtem Or¬<lb/>
che&#x017F;ter und dem traulichen Geplauder fröhlicher Men&#x017F;chen<lb/>
am heftig&#x017F;ten, wenn wir die regelmäßigen, &#x017F;tillen Alleen<lb/>
nach kurzer Promenade in trüb&#x017F;eliger Stimmung baldig&#x017F;t<lb/>
wieder verließen.</p><lb/>
        <p>Was in Petersburg die tanzliebende Welt zu lei&#x017F;ten<lb/>
im Stande i&#x017F;t, grenzt an's Unglaubliche! &#x2014; und der<lb/>
Lenz des blühend&#x017F;ten Mädchens, der &#x017F;chön&#x017F;ten jungen<lb/>
Frau i&#x017F;t nach wenigen Sai&#x017F;ons vorüber.</p><lb/>
        <p>Ich will nur &#x017F;childern, was ich während einer ein¬<lb/>
zigen Woche mitzumachen ver&#x017F;uchte. Dann mußte ich<lb/>
mich aber etwas zurückziehen, um mich nicht in kurzer<lb/>
Zeit um meine Ge&#x017F;undheit, &#x2014; ja um meine Kün&#x017F;tler¬<lb/>
laufbahn, die &#x017F;o viel gei&#x017F;tige und körperliche Fri&#x017F;che er¬<lb/>
forderte, gebracht zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0268] genommen, luden wie im Winter ein, Aber ohne Equi¬ page waren wir oft gezwungen, dieſer Erholung zu ent¬ ſagen, da die Villas und Landhäuſer, auch das reizende Beſitzthum von Baron Stieglitz, ein bis zwei Stunden von Petersburg entfernt liegen. Ueberdies koſtete ein gewöhnliches Fuhrwerk für den halben Tag 20 Rubel, Sonntags auch 30 bis 40. Als einzige Reſſource, friſche Luft zu ſchöpfen, blieb den in die Reſidenz Gebannten nur der Sommergarten. Der war damals aber ſo ein¬ förmig, ſo unbelebt, wie in tiefſte Melancholie verſunken. Die Vögel wagten nicht laut zu zwitſchern — — und gerade in dieſem Sommergarten erfaßte mich das Heim¬ weh nach Deutſchlands lieblichen Gärten, den öffentlichen ſchattigen Sommerlokalen mit herrlich dirigirtem Or¬ cheſter und dem traulichen Geplauder fröhlicher Menſchen am heftigſten, wenn wir die regelmäßigen, ſtillen Alleen nach kurzer Promenade in trübſeliger Stimmung baldigſt wieder verließen. Was in Petersburg die tanzliebende Welt zu leiſten im Stande iſt, grenzt an's Unglaubliche! — und der Lenz des blühendſten Mädchens, der ſchönſten jungen Frau iſt nach wenigen Saiſons vorüber. Ich will nur ſchildern, was ich während einer ein¬ zigen Woche mitzumachen verſuchte. Dann mußte ich mich aber etwas zurückziehen, um mich nicht in kurzer Zeit um meine Geſundheit, — ja um meine Künſtler¬ laufbahn, die ſo viel geiſtige und körperliche Friſche er¬ forderte, gebracht zu ſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/268
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/268>, abgerufen am 25.11.2024.