Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Bruder Louis winkte uns in's Nebenzimmer und
flüsterte: "Krügers Nerven haben gelitten -- die mora¬
lischen und körperlichen Aufregungen und Anstrengungen
waren zu groß. Ich will ihn in seine Wohnung be¬
gleiten, für einen Wärter sorgen und morgen in aller
Früh unsern Hausarzt, den deutschen Doktor, zu ihm
schicken ..."

Krüger ließ sich willig fortgeleiten und reichte uns
die Hand zur guten Nacht! -- O, wie unsäglich traurig
klang dieses "Gute Nacht!" -- Fast taumelnd faßte er
des Bruders Arm, welcher die Chatouille trug.

Andern Morgens klingelte es heftig an der Zimmer¬
glocke, und -- herein stürzte Krüger und überreichte uns,
in einen Foulard gebunden, Briefe von seiner Frau ...
"Nehmen Sie! nehmen Sie! -- es wird mich beruhigen,
diese kostbaren Papiere in Ihren Händen zu wissen ..." --
"War denn kein Doktor bei Ihnen?" fragte die Mutter.

"Ja wohl! er hat mich eben verlassen -- gab mir
Pulver -- forderte mich auf, in den nächsten Tagen nicht
aufzutreten ... aber ich kann seinem Rath nicht nach¬
kommen, ich muß morgen Abend im Winterpalast den
Eckensteher Nante spielen, heute die Rolle memoriren ..."

"Um Gottes willen -- melden Sie sich unwohl,"
sagte ich, -- "mit Ihrer Gemüthsstimmung die niedrig
komische Partie spielen -- -- das muß Ihre angegriffenen
Nerven vollends zerrütten ..."

"Ich kann nicht anders -- die Kaiserin wünscht den
Berliner Jargon zu hören, will lachen -- ich muß es

Bruder Louis winkte uns in's Nebenzimmer und
flüſterte: »Krügers Nerven haben gelitten — die mora¬
liſchen und körperlichen Aufregungen und Anſtrengungen
waren zu groß. Ich will ihn in ſeine Wohnung be¬
gleiten, für einen Wärter ſorgen und morgen in aller
Früh unſern Hausarzt, den deutſchen Doktor, zu ihm
ſchicken …«

Krüger ließ ſich willig fortgeleiten und reichte uns
die Hand zur guten Nacht! — O, wie unſäglich traurig
klang dieſes »Gute Nacht!« — Faſt taumelnd faßte er
des Bruders Arm, welcher die Chatouille trug.

Andern Morgens klingelte es heftig an der Zimmer¬
glocke, und — herein ſtürzte Krüger und überreichte uns,
in einen Foulard gebunden, Briefe von ſeiner Frau …
»Nehmen Sie! nehmen Sie! — es wird mich beruhigen,
dieſe koſtbaren Papiere in Ihren Händen zu wiſſen …« —
»War denn kein Doktor bei Ihnen?« fragte die Mutter.

»Ja wohl! er hat mich eben verlaſſen — gab mir
Pulver — forderte mich auf, in den nächſten Tagen nicht
aufzutreten … aber ich kann ſeinem Rath nicht nach¬
kommen, ich muß morgen Abend im Winterpalaſt den
Eckenſteher Nante ſpielen, heute die Rolle memoriren …«

»Um Gottes willen — melden Sie ſich unwohl,«
ſagte ich, — »mit Ihrer Gemüthsſtimmung die niedrig
komiſche Partie ſpielen — — das muß Ihre angegriffenen
Nerven vollends zerrütten …«

»Ich kann nicht anders — die Kaiſerin wünſcht den
Berliner Jargon zu hören, will lachen — ich muß es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0257" n="229"/>
        <p>Bruder Louis winkte uns in's Nebenzimmer und<lb/>
flü&#x017F;terte: »Krügers Nerven haben gelitten &#x2014; die mora¬<lb/>
li&#x017F;chen und körperlichen Aufregungen und An&#x017F;trengungen<lb/>
waren zu groß. Ich will ihn in &#x017F;eine Wohnung be¬<lb/>
gleiten, für einen Wärter &#x017F;orgen und morgen in aller<lb/>
Früh un&#x017F;ern Hausarzt, den deut&#x017F;chen Doktor, zu ihm<lb/>
&#x017F;chicken &#x2026;«</p><lb/>
        <p>Krüger ließ &#x017F;ich willig fortgeleiten und reichte uns<lb/>
die Hand zur guten Nacht! &#x2014; O, wie un&#x017F;äglich traurig<lb/>
klang die&#x017F;es »Gute Nacht!« &#x2014; Fa&#x017F;t taumelnd faßte er<lb/>
des Bruders Arm, welcher die Chatouille trug.</p><lb/>
        <p>Andern Morgens klingelte es heftig an der Zimmer¬<lb/>
glocke, und &#x2014; herein &#x017F;türzte Krüger und überreichte uns,<lb/>
in einen Foulard gebunden, Briefe von &#x017F;einer Frau &#x2026;<lb/>
»Nehmen Sie! nehmen Sie! &#x2014; es wird mich beruhigen,<lb/>
die&#x017F;e ko&#x017F;tbaren Papiere in Ihren Händen zu wi&#x017F;&#x017F;en &#x2026;« &#x2014;<lb/>
»War denn kein Doktor bei Ihnen?« fragte die Mutter.</p><lb/>
        <p>»Ja wohl! er hat mich eben verla&#x017F;&#x017F;en &#x2014; gab mir<lb/>
Pulver &#x2014; forderte mich auf, in den näch&#x017F;ten Tagen nicht<lb/>
aufzutreten &#x2026; aber ich kann &#x017F;einem Rath nicht nach¬<lb/>
kommen, ich muß morgen Abend im Winterpala&#x017F;t den<lb/>
Ecken&#x017F;teher Nante &#x017F;pielen, heute die Rolle memoriren &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»Um Gottes willen &#x2014; melden Sie &#x017F;ich unwohl,«<lb/>
&#x017F;agte ich, &#x2014; »mit Ihrer Gemüths&#x017F;timmung die niedrig<lb/>
komi&#x017F;che Partie &#x017F;pielen &#x2014; &#x2014; das muß Ihre angegriffenen<lb/>
Nerven vollends zerrütten &#x2026;«</p><lb/>
        <p>»Ich kann nicht anders &#x2014; die Kai&#x017F;erin wün&#x017F;cht den<lb/>
Berliner Jargon zu hören, will lachen &#x2014; ich <hi rendition="#g">muß</hi> es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[229/0257] Bruder Louis winkte uns in's Nebenzimmer und flüſterte: »Krügers Nerven haben gelitten — die mora¬ liſchen und körperlichen Aufregungen und Anſtrengungen waren zu groß. Ich will ihn in ſeine Wohnung be¬ gleiten, für einen Wärter ſorgen und morgen in aller Früh unſern Hausarzt, den deutſchen Doktor, zu ihm ſchicken …« Krüger ließ ſich willig fortgeleiten und reichte uns die Hand zur guten Nacht! — O, wie unſäglich traurig klang dieſes »Gute Nacht!« — Faſt taumelnd faßte er des Bruders Arm, welcher die Chatouille trug. Andern Morgens klingelte es heftig an der Zimmer¬ glocke, und — herein ſtürzte Krüger und überreichte uns, in einen Foulard gebunden, Briefe von ſeiner Frau … »Nehmen Sie! nehmen Sie! — es wird mich beruhigen, dieſe koſtbaren Papiere in Ihren Händen zu wiſſen …« — »War denn kein Doktor bei Ihnen?« fragte die Mutter. »Ja wohl! er hat mich eben verlaſſen — gab mir Pulver — forderte mich auf, in den nächſten Tagen nicht aufzutreten … aber ich kann ſeinem Rath nicht nach¬ kommen, ich muß morgen Abend im Winterpalaſt den Eckenſteher Nante ſpielen, heute die Rolle memoriren …« »Um Gottes willen — melden Sie ſich unwohl,« ſagte ich, — »mit Ihrer Gemüthsſtimmung die niedrig komiſche Partie ſpielen — — das muß Ihre angegriffenen Nerven vollends zerrütten …« »Ich kann nicht anders — die Kaiſerin wünſcht den Berliner Jargon zu hören, will lachen — ich muß es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/257
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/257>, abgerufen am 17.05.2024.