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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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wirrt noch einige Schritte vorwärts -- und erblicke endlich
den Geliebten nicht weit vom Souffleurkasten auf dem
Rücken liegend, Kopf abwärts und die Füße mir zuge¬
wendet, mit weit aufgerissenen Augen und purpurrothem
Gesicht ... Der ganze Hergang wurde mir augenblicklich klar.

Barlow hatte (unsere Verabredung verschmähend),
um größeren Effekt hervorzubringen, der Länge nach kopf¬
über stürzen wollen, dabei aber total vergessen, daß der
Fußboden, wie bei jeder Bühne, ziemlich abschüssig ist. Der
dicke, um schlanker zu erscheinen, stark geschnürte Mann
lag, dem Ersticken nahe, da, und ich kam noch gerade
rechtzeitig, um diese Strafe von ihm abzuwenden, oder
ihn zu zwingen, durch sein Aufstehen die herrliche Tra¬
gödie als Lustspiel enden zu lassen. -- Einen Augenblick
starrte ich diesen furchtbaren Romeo wie das Haupt der
Medusa an, warf mich dann neben ihm nieder, seinen
Kopf aufhebend und ihn zärtlich im Arm behaltend.
"Sie retten mich vom Tode!" -- flüsterte er mir in
dem ihm eigenen tragischen Pathos zu. Es war keine
leichte Aufgabe für mich, den ehrlichen dicken Jovis- --
oder richtiger Boviskopf so lange zu stützen, bis die lieben
Väter sich versöhnt hatten -- denn man muß gütigst
berücksichtigen, daß ich mich inzwischen selber erdolcht hatte.
Und dabei wollte mir mein Romeo während dieser Schlu߬
ßene und in dieser verzweifelten Situation seine Todes¬
qualen schildern -- aber meine Geduld und meine --
Ernsthaftigkeit waren zu Ende. Ich kniff den todten
Romeo nicht gerade sanft in den fetten Hals und flüsterte

wirrt noch einige Schritte vorwärts — und erblicke endlich
den Geliebten nicht weit vom Souffleurkaſten auf dem
Rücken liegend, Kopf abwärts und die Füße mir zuge¬
wendet, mit weit aufgeriſſenen Augen und purpurrothem
Geſicht … Der ganze Hergang wurde mir augenblicklich klar.

Barlow hatte (unſere Verabredung verſchmähend),
um größeren Effekt hervorzubringen, der Länge nach kopf¬
über ſtürzen wollen, dabei aber total vergeſſen, daß der
Fußboden, wie bei jeder Bühne, ziemlich abſchüſſig iſt. Der
dicke, um ſchlanker zu erſcheinen, ſtark geſchnürte Mann
lag, dem Erſticken nahe, da, und ich kam noch gerade
rechtzeitig, um dieſe Strafe von ihm abzuwenden, oder
ihn zu zwingen, durch ſein Aufſtehen die herrliche Tra¬
gödie als Luſtſpiel enden zu laſſen. — Einen Augenblick
ſtarrte ich dieſen furchtbaren Romeo wie das Haupt der
Meduſa an, warf mich dann neben ihm nieder, ſeinen
Kopf aufhebend und ihn zärtlich im Arm behaltend.
»Sie retten mich vom Tode!« — flüſterte er mir in
dem ihm eigenen tragiſchen Pathos zu. Es war keine
leichte Aufgabe für mich, den ehrlichen dicken Jovis- —
oder richtiger Boviskopf ſo lange zu ſtützen, bis die lieben
Väter ſich verſöhnt hatten — denn man muß gütigſt
berückſichtigen, daß ich mich inzwiſchen ſelber erdolcht hatte.
Und dabei wollte mir mein Romeo während dieſer Schlu߬
ſzene und in dieſer verzweifelten Situation ſeine Todes¬
qualen ſchildern — aber meine Geduld und meine —
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[224/0252] wirrt noch einige Schritte vorwärts — und erblicke endlich den Geliebten nicht weit vom Souffleurkaſten auf dem Rücken liegend, Kopf abwärts und die Füße mir zuge¬ wendet, mit weit aufgeriſſenen Augen und purpurrothem Geſicht … Der ganze Hergang wurde mir augenblicklich klar. Barlow hatte (unſere Verabredung verſchmähend), um größeren Effekt hervorzubringen, der Länge nach kopf¬ über ſtürzen wollen, dabei aber total vergeſſen, daß der Fußboden, wie bei jeder Bühne, ziemlich abſchüſſig iſt. Der dicke, um ſchlanker zu erſcheinen, ſtark geſchnürte Mann lag, dem Erſticken nahe, da, und ich kam noch gerade rechtzeitig, um dieſe Strafe von ihm abzuwenden, oder ihn zu zwingen, durch ſein Aufſtehen die herrliche Tra¬ gödie als Luſtſpiel enden zu laſſen. — Einen Augenblick ſtarrte ich dieſen furchtbaren Romeo wie das Haupt der Meduſa an, warf mich dann neben ihm nieder, ſeinen Kopf aufhebend und ihn zärtlich im Arm behaltend. »Sie retten mich vom Tode!« — flüſterte er mir in dem ihm eigenen tragiſchen Pathos zu. Es war keine leichte Aufgabe für mich, den ehrlichen dicken Jovis- — oder richtiger Boviskopf ſo lange zu ſtützen, bis die lieben Väter ſich verſöhnt hatten — denn man muß gütigſt berückſichtigen, daß ich mich inzwiſchen ſelber erdolcht hatte. Und dabei wollte mir mein Romeo während dieſer Schlu߬ ſzene und in dieſer verzweifelten Situation ſeine Todes¬ qualen ſchildern — aber meine Geduld und meine — Ernſthaftigkeit waren zu Ende. Ich kniff den todten Romeo nicht gerade ſanft in den fetten Hals und flüſterte

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/252>, abgerufen am 25.11.2024.