und die überwältigende Macht ihres wundervollen Organs so sehr berechtigten. Herrliche Kunstschöpfungen, als Emilie Galotti, Julie, Thekla, Minna von Barnhelm -- dann als Maria Stuart, Adelheid im Götz, Lady Macbeth, Phädra, Isabella in der Braut von Messina -- vor Allem aber als Iphigenie folgten, und machten Auguste Stich-Crelinger zu einer der ersten deutschen Schauspielerinnen ihrer Zeit. Sie durfte auf ihren Gast¬ spielen in Wien und München ohne Scheu den Wettkampf mit Sophie Müller und Sophie Schröder wagen -- und kein Kampfrichter hatte den Muth: Einer dieser drei herrlichen Tragödinnen den Sieg zuzusprechen.
Ja, Auguste Stich-Crelinger war eine durch und durch großartige tragische Natur. Selbst ihre Donna Diana war davon angehaucht, und sie legte den Haupt¬ accent in dieser Rolle auf den: Kampf des Stolzes mit der Leidenschaft. Bürgerliche Rollen -- besonders im Lustspiel -- waren nicht ihr Fach. Dazu fehlte ihr die Warmherzigkeit und Gemüthlichkeit des Tones, die Klein¬ bürgerlichkeit des Auftretens, das herzliche Lachen der Stimme, des Mundes und der Augen. Ihre in den tragischen Rollen so hinreißende ideale Mimik und Plastik -- ja ihr Pathos wirkten in kleinbürgerlichen Rollen nicht selten störend. -- Von ihrem seltenen Fleiße spricht am besten die Notiz, daß im Jahre 1852 bei ihrem vier¬ zigjährigen Bühnenjubiläum ein Theaterfreund berechnen konnte: Auguste Stich-Crelinger hat in dieser Zeit nicht weniger als 355 verschiedene Rollen gespielt! -- Und
und die überwältigende Macht ihres wundervollen Organs ſo ſehr berechtigten. Herrliche Kunſtſchöpfungen, als Emilie Galotti, Julie, Thekla, Minna von Barnhelm — dann als Maria Stuart, Adelheid im Götz, Lady Macbeth, Phädra, Iſabella in der Braut von Meſſina — vor Allem aber als Iphigenie folgten, und machten Auguſte Stich-Crelinger zu einer der erſten deutſchen Schauſpielerinnen ihrer Zeit. Sie durfte auf ihren Gaſt¬ ſpielen in Wien und München ohne Scheu den Wettkampf mit Sophie Müller und Sophie Schröder wagen — und kein Kampfrichter hatte den Muth: Einer dieſer drei herrlichen Tragödinnen den Sieg zuzuſprechen.
Ja, Auguſte Stich-Crelinger war eine durch und durch großartige tragiſche Natur. Selbſt ihre Donna Diana war davon angehaucht, und ſie legte den Haupt¬ accent in dieſer Rolle auf den: Kampf des Stolzes mit der Leidenſchaft. Bürgerliche Rollen — beſonders im Luſtſpiel — waren nicht ihr Fach. Dazu fehlte ihr die Warmherzigkeit und Gemüthlichkeit des Tones, die Klein¬ bürgerlichkeit des Auftretens, das herzliche Lachen der Stimme, des Mundes und der Augen. Ihre in den tragiſchen Rollen ſo hinreißende ideale Mimik und Plaſtik — ja ihr Pathos wirkten in kleinbürgerlichen Rollen nicht ſelten ſtörend. — Von ihrem ſeltenen Fleiße ſpricht am beſten die Notiz, daß im Jahre 1852 bei ihrem vier¬ zigjährigen Bühnenjubiläum ein Theaterfreund berechnen konnte: Auguſte Stich-Crelinger hat in dieſer Zeit nicht weniger als 355 verſchiedene Rollen geſpielt! — Und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0200"n="172"/>
und die überwältigende Macht ihres wundervollen Organs<lb/>ſo ſehr berechtigten. Herrliche Kunſtſchöpfungen, als<lb/>
Emilie Galotti, Julie, Thekla, Minna von Barnhelm<lb/>— dann als Maria Stuart, Adelheid im Götz, Lady<lb/>
Macbeth, Phädra, Iſabella in der Braut von Meſſina<lb/>— vor Allem aber als Iphigenie folgten, und machten<lb/>
Auguſte Stich-Crelinger zu einer der erſten deutſchen<lb/>
Schauſpielerinnen ihrer Zeit. Sie durfte auf ihren Gaſt¬<lb/>ſpielen in Wien und München ohne Scheu den Wettkampf<lb/>
mit Sophie Müller und Sophie Schröder wagen — und<lb/>
kein Kampfrichter hatte den Muth: Einer dieſer drei<lb/>
herrlichen Tragödinnen den Sieg zuzuſprechen.</p><lb/><p>Ja, Auguſte Stich-Crelinger war eine durch und<lb/>
durch großartige tragiſche Natur. Selbſt ihre Donna<lb/>
Diana war davon angehaucht, und ſie legte den Haupt¬<lb/>
accent in dieſer Rolle auf den: Kampf des Stolzes mit<lb/>
der Leidenſchaft. Bürgerliche Rollen — beſonders im<lb/>
Luſtſpiel — waren nicht ihr Fach. Dazu fehlte ihr die<lb/>
Warmherzigkeit und Gemüthlichkeit des Tones, die Klein¬<lb/>
bürgerlichkeit des Auftretens, das herzliche Lachen der<lb/>
Stimme, des Mundes und der Augen. Ihre in den<lb/>
tragiſchen Rollen ſo hinreißende ideale Mimik und Plaſtik<lb/>— ja ihr Pathos wirkten in kleinbürgerlichen Rollen<lb/>
nicht ſelten ſtörend. — Von ihrem ſeltenen Fleiße ſpricht<lb/>
am beſten die Notiz, daß im Jahre 1852 bei ihrem vier¬<lb/>
zigjährigen Bühnenjubiläum ein Theaterfreund berechnen<lb/>
konnte: Auguſte Stich-Crelinger hat in dieſer Zeit nicht<lb/>
weniger als 355 verſchiedene Rollen geſpielt! — Und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[172/0200]
und die überwältigende Macht ihres wundervollen Organs
ſo ſehr berechtigten. Herrliche Kunſtſchöpfungen, als
Emilie Galotti, Julie, Thekla, Minna von Barnhelm
— dann als Maria Stuart, Adelheid im Götz, Lady
Macbeth, Phädra, Iſabella in der Braut von Meſſina
— vor Allem aber als Iphigenie folgten, und machten
Auguſte Stich-Crelinger zu einer der erſten deutſchen
Schauſpielerinnen ihrer Zeit. Sie durfte auf ihren Gaſt¬
ſpielen in Wien und München ohne Scheu den Wettkampf
mit Sophie Müller und Sophie Schröder wagen — und
kein Kampfrichter hatte den Muth: Einer dieſer drei
herrlichen Tragödinnen den Sieg zuzuſprechen.
Ja, Auguſte Stich-Crelinger war eine durch und
durch großartige tragiſche Natur. Selbſt ihre Donna
Diana war davon angehaucht, und ſie legte den Haupt¬
accent in dieſer Rolle auf den: Kampf des Stolzes mit
der Leidenſchaft. Bürgerliche Rollen — beſonders im
Luſtſpiel — waren nicht ihr Fach. Dazu fehlte ihr die
Warmherzigkeit und Gemüthlichkeit des Tones, die Klein¬
bürgerlichkeit des Auftretens, das herzliche Lachen der
Stimme, des Mundes und der Augen. Ihre in den
tragiſchen Rollen ſo hinreißende ideale Mimik und Plaſtik
— ja ihr Pathos wirkten in kleinbürgerlichen Rollen
nicht ſelten ſtörend. — Von ihrem ſeltenen Fleiße ſpricht
am beſten die Notiz, daß im Jahre 1852 bei ihrem vier¬
zigjährigen Bühnenjubiläum ein Theaterfreund berechnen
konnte: Auguſte Stich-Crelinger hat in dieſer Zeit nicht
weniger als 355 verſchiedene Rollen geſpielt! — Und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/200>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.