Theaterdieners Säger, der fast mit mir weinte und stets so furchtbar stotterte, wenn das herz ihm auf die Zunge trat. Und mich hatte er ganz besonders in sein altes Herz geschlossen. Erst als das Publikum über Afanasia-Stich's Frage: "Was heißt, das Herz klopft?" laut lachte, verzichtete Frau Stich gezwungen auf diese Rolle ... und jubelnd und stotternd brachte der alte Säger sie mir zurück: "Wir--r ha--ha--ben ge--e--siegt -- üb--be--r--r di--die Al--alte ..."
Auguste Stich, die bald daraus den Assessor Cre¬ linger heirathete, war und blieb noch viele Jahre hin¬ durch die Stütze und Zierde der Berliner Hofbühne, der sie schon als Auguste Düring seit dem Jahre 1812, als man das unter Iffland's Leitung blühende einzige Theater Berlins noch mit Stolz "Nationalbühne" nannte, ange¬ hört hatte. Das junge sechzehnjährige schöne Mädchen war von der Fürstin Hardenberg, der früheren Schauspielerin Langenthal, an Iffland warm empfohlen -- und gleich nach der ersten Probe von Auguste Düring als "Mar¬ garethe" in den "Hagestolzen" rief dieser große Menschen¬ kenner jubelnd aus: "Die Kleine ist der seltenste Fund meines Lebens -- eine Perle von Talent ..." Nach dem Tode der Bethmann rückte sie in deren Rollenfach vor und spielte mit immer steigendem Beifall die Jungfrau von Orleans, eine ihrer prächtigsten Rollen, zu der sie ihre hohe majestätische Gestalt und imponirende Würde,
Theaterdieners Säger, der faſt mit mir weinte und ſtets ſo furchtbar ſtotterte, wenn das herz ihm auf die Zunge trat. Und mich hatte er ganz beſonders in ſein altes Herz geſchloſſen. Erſt als das Publikum über Afanaſia-Stich's Frage: »Was heißt, das Herz klopft?« laut lachte, verzichtete Frau Stich gezwungen auf dieſe Rolle … und jubelnd und ſtotternd brachte der alte Säger ſie mir zurück: »Wir—r ha—ha—ben ge—e—ſiegt — üb—be—r—r di—die Al—alte …«
Auguſte Stich, die bald daraus den Aſſeſſor Cre¬ linger heirathete, war und blieb noch viele Jahre hin¬ durch die Stütze und Zierde der Berliner Hofbühne, der ſie ſchon als Auguſte Düring ſeit dem Jahre 1812, als man das unter Iffland's Leitung blühende einzige Theater Berlins noch mit Stolz »Nationalbühne« nannte, ange¬ hört hatte. Das junge ſechzehnjährige ſchöne Mädchen war von der Fürſtin Hardenberg, der früheren Schauſpielerin Langenthal, an Iffland warm empfohlen — und gleich nach der erſten Probe von Auguſte Düring als »Mar¬ garethe« in den »Hageſtolzen« rief dieſer große Menſchen¬ kenner jubelnd aus: »Die Kleine iſt der ſeltenſte Fund meines Lebens — eine Perle von Talent …« Nach dem Tode der Bethmann rückte ſie in deren Rollenfach vor und ſpielte mit immer ſteigendem Beifall die Jungfrau von Orleans, eine ihrer prächtigſten Rollen, zu der ſie ihre hohe majeſtätiſche Geſtalt und imponirende Würde,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0199"n="171"/>
Theaterdieners Säger, der faſt mit mir weinte und ſtets ſo<lb/>
furchtbar ſtotterte, wenn das herz ihm auf die Zunge trat.<lb/>
Und mich hatte er ganz beſonders in ſein altes Herz geſchloſſen.<lb/>
Erſt als das Publikum über Afanaſia-Stich's Frage:<lb/>
»Was heißt, das Herz klopft?« laut lachte, verzichtete<lb/>
Frau Stich gezwungen auf dieſe Rolle … und jubelnd<lb/>
und ſtotternd brachte der alte Säger ſie mir zurück:<lb/>
»Wir—r ha—ha—ben ge—e—ſiegt — üb—be—r—r<lb/>
di—die Al—alte …«</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Auguſte Stich, die bald daraus den Aſſeſſor Cre¬<lb/>
linger heirathete, war und blieb noch viele Jahre hin¬<lb/>
durch die Stütze und Zierde der Berliner Hofbühne, der<lb/>ſie ſchon als Auguſte Düring ſeit dem Jahre 1812, als<lb/>
man das unter Iffland's Leitung blühende einzige Theater<lb/>
Berlins noch mit Stolz »Nationalbühne« nannte, ange¬<lb/>
hört hatte. Das junge ſechzehnjährige ſchöne Mädchen war<lb/>
von der Fürſtin Hardenberg, der früheren Schauſpielerin<lb/>
Langenthal, an Iffland warm empfohlen — und gleich<lb/>
nach der erſten Probe von Auguſte Düring als »Mar¬<lb/>
garethe« in den »Hageſtolzen« rief dieſer große Menſchen¬<lb/>
kenner jubelnd aus: »Die Kleine iſt der ſeltenſte Fund<lb/>
meines Lebens — eine Perle von Talent …« Nach dem<lb/>
Tode der Bethmann rückte ſie in deren Rollenfach vor<lb/>
und ſpielte mit immer ſteigendem Beifall die Jungfrau<lb/>
von Orleans, eine ihrer prächtigſten Rollen, zu der ſie<lb/>
ihre hohe majeſtätiſche Geſtalt und imponirende Würde,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0199]
Theaterdieners Säger, der faſt mit mir weinte und ſtets ſo
furchtbar ſtotterte, wenn das herz ihm auf die Zunge trat.
Und mich hatte er ganz beſonders in ſein altes Herz geſchloſſen.
Erſt als das Publikum über Afanaſia-Stich's Frage:
»Was heißt, das Herz klopft?« laut lachte, verzichtete
Frau Stich gezwungen auf dieſe Rolle … und jubelnd
und ſtotternd brachte der alte Säger ſie mir zurück:
»Wir—r ha—ha—ben ge—e—ſiegt — üb—be—r—r
di—die Al—alte …«
Auguſte Stich, die bald daraus den Aſſeſſor Cre¬
linger heirathete, war und blieb noch viele Jahre hin¬
durch die Stütze und Zierde der Berliner Hofbühne, der
ſie ſchon als Auguſte Düring ſeit dem Jahre 1812, als
man das unter Iffland's Leitung blühende einzige Theater
Berlins noch mit Stolz »Nationalbühne« nannte, ange¬
hört hatte. Das junge ſechzehnjährige ſchöne Mädchen war
von der Fürſtin Hardenberg, der früheren Schauſpielerin
Langenthal, an Iffland warm empfohlen — und gleich
nach der erſten Probe von Auguſte Düring als »Mar¬
garethe« in den »Hageſtolzen« rief dieſer große Menſchen¬
kenner jubelnd aus: »Die Kleine iſt der ſeltenſte Fund
meines Lebens — eine Perle von Talent …« Nach dem
Tode der Bethmann rückte ſie in deren Rollenfach vor
und ſpielte mit immer ſteigendem Beifall die Jungfrau
von Orleans, eine ihrer prächtigſten Rollen, zu der ſie
ihre hohe majeſtätiſche Geſtalt und imponirende Würde,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/199>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.