zu hoch -- nicht zu fern da, wenn es galt, die Künstler seiner Hofbühne gegen Launen und Mißgunst des Publikums und der Recensenten -- ja, sogar gegen die Willkür der Vorgesetzten zu schützen! Der König nahm Henriette Sontag nicht nur gegen Rellstab's Angriffe, sondern auf ihre Beschwerde auch gegen Saphir's Spott und beißende Satyre in seiner "Tagespost" in Schutz. "Kunstkritik erlaubt -- persönliche Verhältnisse aus dem Spiel lassen!" diktirte er dem käuflichen Witzling. Friedrich Wilhelm der Gute hatte stets ein offenes Herz, eine offene Hand, wo es hieß, einen durch Krankheit oder anderes unverschuldetes Unglück hartbedrängten Künstler zu unterstützen! So machte seine Großmuth allein es dem armen Pius Alexander Wolff möglich, alljährlich die für sein Halsleiden so nöthigen, kostspieligen Bade¬ reisen zu unternehmen. --
Als Henriette Sontag zum ersten Mal bei einem Fest im Palais gesungen und durch die Variationen von Rode entzückt hatte, stand sie während des Tanzes im Seitensaale neben mir, ihre Bemerkungen mir zu¬ flüsternd. Wie eine Sylphide, so lieblich und schön sah sie im weißen Seidenkleide und dem blauen Asternkranze um die Locken aus. Wer ihr damals gesagt hätte: "1844 wirst Du als Gesandtin in diesen Räumen glänzen ... und nach fast einem halben Jahrhundert wird Deine Nachbarin von Dir -- der Unvergeßlichen -- erzählen!"
So sehr es mich Anfangs betrübte, von Henriette Sontag verdunkelt zu werden, so aufrichtig erfreute ich
zu hoch — nicht zu fern da, wenn es galt, die Künſtler ſeiner Hofbühne gegen Launen und Mißgunſt des Publikums und der Recenſenten — ja, ſogar gegen die Willkür der Vorgeſetzten zu ſchützen! Der König nahm Henriette Sontag nicht nur gegen Rellſtab's Angriffe, ſondern auf ihre Beſchwerde auch gegen Saphir's Spott und beißende Satyre in ſeiner »Tagespoſt« in Schutz. »Kunſtkritik erlaubt — perſönliche Verhältniſſe aus dem Spiel laſſen!« diktirte er dem käuflichen Witzling. Friedrich Wilhelm der Gute hatte ſtets ein offenes Herz, eine offene Hand, wo es hieß, einen durch Krankheit oder anderes unverſchuldetes Unglück hartbedrängten Künſtler zu unterſtützen! So machte ſeine Großmuth allein es dem armen Pius Alexander Wolff möglich, alljährlich die für ſein Halsleiden ſo nöthigen, koſtſpieligen Bade¬ reiſen zu unternehmen. —
Als Henriette Sontag zum erſten Mal bei einem Feſt im Palais geſungen und durch die Variationen von Rode entzückt hatte, ſtand ſie während des Tanzes im Seitenſaale neben mir, ihre Bemerkungen mir zu¬ flüſternd. Wie eine Sylphide, ſo lieblich und ſchön ſah ſie im weißen Seidenkleide und dem blauen Aſternkranze um die Locken aus. Wer ihr damals geſagt hätte: »1844 wirſt Du als Geſandtin in dieſen Räumen glänzen … und nach faſt einem halben Jahrhundert wird Deine Nachbarin von Dir — der Unvergeßlichen — erzählen!«
So ſehr es mich Anfangs betrübte, von Henriette Sontag verdunkelt zu werden, ſo aufrichtig erfreute ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0170"n="142"/>
zu hoch — nicht zu fern da, wenn es galt, die Künſtler<lb/>ſeiner Hofbühne gegen Launen und Mißgunſt des<lb/>
Publikums und der Recenſenten — ja, ſogar gegen die<lb/>
Willkür der Vorgeſetzten zu ſchützen! Der König nahm<lb/>
Henriette Sontag nicht nur gegen Rellſtab's Angriffe,<lb/>ſondern auf ihre Beſchwerde auch gegen Saphir's Spott<lb/>
und beißende Satyre in ſeiner »Tagespoſt« in Schutz.<lb/>
»Kunſtkritik erlaubt — perſönliche Verhältniſſe aus dem<lb/>
Spiel laſſen!« diktirte er dem käuflichen Witzling. Friedrich<lb/>
Wilhelm der Gute hatte ſtets ein offenes Herz, eine<lb/>
offene Hand, wo es hieß, einen durch Krankheit oder<lb/>
anderes unverſchuldetes Unglück hartbedrängten Künſtler<lb/>
zu unterſtützen! So machte ſeine Großmuth allein es<lb/>
dem armen Pius Alexander Wolff möglich, alljährlich<lb/>
die für ſein Halsleiden ſo nöthigen, koſtſpieligen Bade¬<lb/>
reiſen zu unternehmen. —</p><lb/><p>Als Henriette Sontag zum erſten Mal bei einem<lb/>
Feſt im Palais geſungen und durch die Variationen<lb/>
von Rode entzückt hatte, ſtand ſie während des Tanzes<lb/>
im Seitenſaale neben mir, ihre Bemerkungen mir zu¬<lb/>
flüſternd. Wie eine Sylphide, ſo lieblich und ſchön ſah<lb/>ſie im weißen Seidenkleide und dem blauen Aſternkranze<lb/>
um die Locken aus. Wer ihr damals geſagt hätte:<lb/>
»1844 wirſt Du als Geſandtin in dieſen Räumen glänzen<lb/>… und nach faſt einem halben Jahrhundert wird Deine<lb/>
Nachbarin von Dir — der Unvergeßlichen — erzählen!«</p><lb/><p>So ſehr es mich Anfangs betrübte, von Henriette<lb/>
Sontag verdunkelt zu werden, ſo aufrichtig erfreute ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0170]
zu hoch — nicht zu fern da, wenn es galt, die Künſtler
ſeiner Hofbühne gegen Launen und Mißgunſt des
Publikums und der Recenſenten — ja, ſogar gegen die
Willkür der Vorgeſetzten zu ſchützen! Der König nahm
Henriette Sontag nicht nur gegen Rellſtab's Angriffe,
ſondern auf ihre Beſchwerde auch gegen Saphir's Spott
und beißende Satyre in ſeiner »Tagespoſt« in Schutz.
»Kunſtkritik erlaubt — perſönliche Verhältniſſe aus dem
Spiel laſſen!« diktirte er dem käuflichen Witzling. Friedrich
Wilhelm der Gute hatte ſtets ein offenes Herz, eine
offene Hand, wo es hieß, einen durch Krankheit oder
anderes unverſchuldetes Unglück hartbedrängten Künſtler
zu unterſtützen! So machte ſeine Großmuth allein es
dem armen Pius Alexander Wolff möglich, alljährlich
die für ſein Halsleiden ſo nöthigen, koſtſpieligen Bade¬
reiſen zu unternehmen. —
Als Henriette Sontag zum erſten Mal bei einem
Feſt im Palais geſungen und durch die Variationen
von Rode entzückt hatte, ſtand ſie während des Tanzes
im Seitenſaale neben mir, ihre Bemerkungen mir zu¬
flüſternd. Wie eine Sylphide, ſo lieblich und ſchön ſah
ſie im weißen Seidenkleide und dem blauen Aſternkranze
um die Locken aus. Wer ihr damals geſagt hätte:
»1844 wirſt Du als Geſandtin in dieſen Räumen glänzen
… und nach faſt einem halben Jahrhundert wird Deine
Nachbarin von Dir — der Unvergeßlichen — erzählen!«
So ſehr es mich Anfangs betrübte, von Henriette
Sontag verdunkelt zu werden, ſo aufrichtig erfreute ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/170>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.