auf, näher heranzutreten, und er liebte es, wenn seine Gäste mit uns sprachen.
Nach dem Rafaelschen Tableau, dessen Störung -- Dank dem schnell niederrollenden Vorhange! -- nur wenige Zuschauer bemerkt hatten, trat der König während des Balles auf mich zu und sagte leutselig: Philosophie Angst ausgestanden -- noch blaß aussehn -- nächstes Mal vorsichtiger sein -- immer hübsch an's Wort Philo¬ sophie denken, beherzigen ..."
"Aber ich weiß ja gar nicht genau, Majestät, was Philosophie heißt!"
"Aus dem Griechischen, Kind -- Weisheit lieben!"
"Darum hat sich die Philosophie auch so grausam an mir gerächt, Majestät, -- denn ich habe die Weisheit bis jetzt so wenig geliebt!"
Da lachte der König herzlich: "Wird schon kommen, -- noch jung sein -- noch Zeit haben!"
Am andern Morgen sandte mir der Geheimkämmerer Timm ein reizendes Körbchen Potsdamer Trauben mit einem Zettelchen: "Der Göttin Philosophie für die Erdenangst!"
Und wie verehrten wir Mitglieder der königlichen Bühne auch Alle -- Alle diesen leutseligen, väterlich wohlwollenden Monarchen aus vollen, dankbaren Herzen, -- ihn, der uns durch sein zartes achtungsvolles Benehmen stets zeigte: daß er über den Künstler nicht den Menschen vergaß ... der stets so großmüthig und -- gerecht gegen uns war! Friedrich Wilhelm der Gerechte stand nicht
auf, näher heranzutreten, und er liebte es, wenn ſeine Gäſte mit uns ſprachen.
Nach dem Rafaelſchen Tableau, deſſen Störung — Dank dem ſchnell niederrollenden Vorhange! — nur wenige Zuſchauer bemerkt hatten, trat der König während des Balles auf mich zu und ſagte leutſelig: Philoſophie Angſt ausgeſtanden — noch blaß ausſehn — nächſtes Mal vorſichtiger ſein — immer hübſch an's Wort Philo¬ ſophie denken, beherzigen …«
»Aber ich weiß ja gar nicht genau, Majeſtät, was Philoſophie heißt!«
»Aus dem Griechiſchen, Kind — Weisheit lieben!«
»Darum hat ſich die Philoſophie auch ſo grauſam an mir gerächt, Majeſtät, — denn ich habe die Weisheit bis jetzt ſo wenig geliebt!«
Da lachte der König herzlich: »Wird ſchon kommen, — noch jung ſein — noch Zeit haben!«
Am andern Morgen ſandte mir der Geheimkämmerer Timm ein reizendes Körbchen Potsdamer Trauben mit einem Zettelchen: »Der Göttin Philoſophie für die Erdenangſt!«
Und wie verehrten wir Mitglieder der königlichen Bühne auch Alle — Alle dieſen leutſeligen, väterlich wohlwollenden Monarchen aus vollen, dankbaren Herzen, — ihn, der uns durch ſein zartes achtungsvolles Benehmen ſtets zeigte: daß er über den Künſtler nicht den Menſchen vergaß … der ſtets ſo großmüthig und — gerecht gegen uns war! Friedrich Wilhelm der Gerechte ſtand nicht
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auf, näher heranzutreten, und er liebte es, wenn ſeine
Gäſte mit uns ſprachen.
Nach dem Rafaelſchen Tableau, deſſen Störung
— Dank dem ſchnell niederrollenden Vorhange! — nur
wenige Zuſchauer bemerkt hatten, trat der König während
des Balles auf mich zu und ſagte leutſelig: Philoſophie
Angſt ausgeſtanden — noch blaß ausſehn — nächſtes
Mal vorſichtiger ſein — immer hübſch an's Wort Philo¬
ſophie denken, beherzigen …«
»Aber ich weiß ja gar nicht genau, Majeſtät, was
Philoſophie heißt!«
»Aus dem Griechiſchen, Kind — Weisheit lieben!«
»Darum hat ſich die Philoſophie auch ſo grauſam
an mir gerächt, Majeſtät, — denn ich habe die Weisheit
bis jetzt ſo wenig geliebt!«
Da lachte der König herzlich: »Wird ſchon kommen,
— noch jung ſein — noch Zeit haben!«
Am andern Morgen ſandte mir der Geheimkämmerer
Timm ein reizendes Körbchen Potsdamer Trauben mit
einem Zettelchen: »Der Göttin Philoſophie für die
Erdenangſt!«
Und wie verehrten wir Mitglieder der königlichen
Bühne auch Alle — Alle dieſen leutſeligen, väterlich
wohlwollenden Monarchen aus vollen, dankbaren Herzen,
— ihn, der uns durch ſein zartes achtungsvolles Benehmen
ſtets zeigte: daß er über den Künſtler nicht den Menſchen
vergaß … der ſtets ſo großmüthig und — gerecht gegen
uns war! Friedrich Wilhelm der Gerechte ſtand nicht
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/169>, abgerufen am 22.11.2024.
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