Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

ich aus des Künstlers Physiognomie herauszulesen, wir
er es ermöglichte, als Romeo, Orest, Hamlet, und in
seiner bedeutendsten Schöpfung: Don Fernando im
"Standhaften Prinzen" Alle zu überstrahlen? Doch seine
Stimme hatte ja einen so zu Herzen gehenden Wohllaut,
und seine Augen ... ja, seine wunderbaren Augen! --
Also Sprache und Seelenspiegel -- damit verdunkelte
Alexander Wolff die brillantesten Nebenbuhler. In diesen
Augensternen lag die religiöse Schwärmerei Don Fer¬
nando's, das tief forschend Sinnende Hamlet's. Dann
blickten sie plötzlich wieder kindlich heiter, an Ludwig
Devrient erinnernd, wenn dieser lächelte. Auch Wolff
spielte ausnahmsweise zu seiner Erholung gerne in über¬
müthigen Lustspielen mit fröhlichster Laune.

Mit Entzücken erinnere ich mich noch jetzt jeder Vor¬
stellung, in welcher ich mit dem Künstlerpaar Alexander
und Amalie Wolff beschäftigt war. Von Allen ist mir
ein Abend unvergeßlich geblieben, als Dr. Töpfer's "Her¬
mann und Dorothea" -- während der Abwesenheit von
Mad. Stich -- gegeben wurde. Ich durfte die Dorothea
spielen ... und am Schluß, als sämmtliche Beschäftigte
mit Hervorruf belohnt wurden, versuchte ich still bei Seite
zu gehen. Wolff's jedoch erlaubten es nicht und zogen
mich mit sanfter Gewalt auf die Bühne. Als ich nach dem
Fallen des Vorhangs weinend versicherte: "Es sind Freuden¬
thränen, aber ich verdiene diese Auszeichnung nicht ...",
nannten mich Beide lachend einen Kindskopf! -- Ludwig
Devrient, noch in seinem Kostüm als dicker, herziger

ich aus des Künſtlers Phyſiognomie herauszuleſen, wir
er es ermöglichte, als Romeo, Oreſt, Hamlet, und in
ſeiner bedeutendſten Schöpfung: Don Fernando im
»Standhaften Prinzen« Alle zu überſtrahlen? Doch ſeine
Stimme hatte ja einen ſo zu Herzen gehenden Wohllaut,
und ſeine Augen … ja, ſeine wunderbaren Augen! —
Alſo Sprache und Seelenſpiegel — damit verdunkelte
Alexander Wolff die brillanteſten Nebenbuhler. In dieſen
Augenſternen lag die religiöſe Schwärmerei Don Fer¬
nando's, das tief forſchend Sinnende Hamlet's. Dann
blickten ſie plötzlich wieder kindlich heiter, an Ludwig
Devrient erinnernd, wenn dieſer lächelte. Auch Wolff
ſpielte ausnahmsweiſe zu ſeiner Erholung gerne in über¬
müthigen Luſtſpielen mit fröhlichſter Laune.

Mit Entzücken erinnere ich mich noch jetzt jeder Vor¬
ſtellung, in welcher ich mit dem Künſtlerpaar Alexander
und Amalie Wolff beſchäftigt war. Von Allen iſt mir
ein Abend unvergeßlich geblieben, als Dr. Töpfer's »Her¬
mann und Dorothea« — während der Abweſenheit von
Mad. Stich — gegeben wurde. Ich durfte die Dorothea
ſpielen … und am Schluß, als ſämmtliche Beſchäftigte
mit Hervorruf belohnt wurden, verſuchte ich ſtill bei Seite
zu gehen. Wolff's jedoch erlaubten es nicht und zogen
mich mit ſanfter Gewalt auf die Bühne. Als ich nach dem
Fallen des Vorhangs weinend verſicherte: »Es ſind Freuden¬
thränen, aber ich verdiene dieſe Auszeichnung nicht …«,
nannten mich Beide lachend einen Kindskopf! — Ludwig
Devrient, noch in ſeinem Koſtüm als dicker, herziger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="110"/>
ich aus des Kün&#x017F;tlers Phy&#x017F;iognomie herauszule&#x017F;en, wir<lb/>
er es ermöglichte, als Romeo, Ore&#x017F;t, Hamlet, und in<lb/>
&#x017F;einer bedeutend&#x017F;ten Schöpfung: Don Fernando im<lb/>
»Standhaften Prinzen« Alle zu über&#x017F;trahlen? Doch &#x017F;eine<lb/>
Stimme hatte ja einen &#x017F;o zu Herzen gehenden Wohllaut,<lb/>
und &#x017F;eine Augen &#x2026; ja, &#x017F;eine wunderbaren Augen! &#x2014;<lb/>
Al&#x017F;o Sprache und Seelen&#x017F;piegel &#x2014; damit verdunkelte<lb/>
Alexander Wolff die brillante&#x017F;ten Nebenbuhler. In die&#x017F;en<lb/>
Augen&#x017F;ternen lag die religiö&#x017F;e Schwärmerei Don Fer¬<lb/>
nando's, das tief for&#x017F;chend Sinnende Hamlet's. Dann<lb/>
blickten &#x017F;ie plötzlich wieder kindlich heiter, an Ludwig<lb/>
Devrient erinnernd, wenn die&#x017F;er lächelte. Auch Wolff<lb/>
&#x017F;pielte ausnahmswei&#x017F;e zu &#x017F;einer Erholung gerne in über¬<lb/>
müthigen Lu&#x017F;t&#x017F;pielen mit fröhlich&#x017F;ter Laune.</p><lb/>
        <p>Mit Entzücken erinnere ich mich noch jetzt jeder Vor¬<lb/>
&#x017F;tellung, in welcher ich mit dem Kün&#x017F;tlerpaar Alexander<lb/>
und Amalie Wolff be&#x017F;chäftigt war. Von Allen i&#x017F;t mir<lb/>
ein Abend unvergeßlich geblieben, als <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Töpfer's »Her¬<lb/>
mann und Dorothea« &#x2014; während der Abwe&#x017F;enheit von<lb/>
Mad. Stich &#x2014; gegeben wurde. Ich durfte die Dorothea<lb/>
&#x017F;pielen &#x2026; und am Schluß, als &#x017F;ämmtliche Be&#x017F;chäftigte<lb/>
mit Hervorruf belohnt wurden, ver&#x017F;uchte ich &#x017F;till bei Seite<lb/>
zu gehen. Wolff's jedoch erlaubten es nicht und zogen<lb/>
mich mit &#x017F;anfter Gewalt auf die Bühne. Als ich nach dem<lb/>
Fallen des Vorhangs weinend ver&#x017F;icherte: »Es &#x017F;ind Freuden¬<lb/>
thränen, aber ich verdiene die&#x017F;e Auszeichnung nicht &#x2026;«,<lb/>
nannten mich Beide lachend einen Kindskopf! &#x2014; Ludwig<lb/>
Devrient, noch in &#x017F;einem Ko&#x017F;tüm als dicker, herziger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0138] ich aus des Künſtlers Phyſiognomie herauszuleſen, wir er es ermöglichte, als Romeo, Oreſt, Hamlet, und in ſeiner bedeutendſten Schöpfung: Don Fernando im »Standhaften Prinzen« Alle zu überſtrahlen? Doch ſeine Stimme hatte ja einen ſo zu Herzen gehenden Wohllaut, und ſeine Augen … ja, ſeine wunderbaren Augen! — Alſo Sprache und Seelenſpiegel — damit verdunkelte Alexander Wolff die brillanteſten Nebenbuhler. In dieſen Augenſternen lag die religiöſe Schwärmerei Don Fer¬ nando's, das tief forſchend Sinnende Hamlet's. Dann blickten ſie plötzlich wieder kindlich heiter, an Ludwig Devrient erinnernd, wenn dieſer lächelte. Auch Wolff ſpielte ausnahmsweiſe zu ſeiner Erholung gerne in über¬ müthigen Luſtſpielen mit fröhlichſter Laune. Mit Entzücken erinnere ich mich noch jetzt jeder Vor¬ ſtellung, in welcher ich mit dem Künſtlerpaar Alexander und Amalie Wolff beſchäftigt war. Von Allen iſt mir ein Abend unvergeßlich geblieben, als Dr. Töpfer's »Her¬ mann und Dorothea« — während der Abweſenheit von Mad. Stich — gegeben wurde. Ich durfte die Dorothea ſpielen … und am Schluß, als ſämmtliche Beſchäftigte mit Hervorruf belohnt wurden, verſuchte ich ſtill bei Seite zu gehen. Wolff's jedoch erlaubten es nicht und zogen mich mit ſanfter Gewalt auf die Bühne. Als ich nach dem Fallen des Vorhangs weinend verſicherte: »Es ſind Freuden¬ thränen, aber ich verdiene dieſe Auszeichnung nicht …«, nannten mich Beide lachend einen Kindskopf! — Ludwig Devrient, noch in ſeinem Koſtüm als dicker, herziger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/138
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/138>, abgerufen am 08.05.2024.