Was der Mensch in socialen Institutionen schafft, geschieht anfänglich unbewusst, als nothwendige Verkörperungen der in dem gesellschaftlichen Zustande (seiner innerlichen Organi- sation) liegenden Bedürfnisse.
So lange der Geist in halbträumerischer Naturheit da- hinlebt, umgiebt er sich (aus unbestimmt verschwimmenden Schöpfungen der Sinnesauffassungen und ihren sprachlichen Deutungen im Gedankenaustausch) mit einer mythologischen Gespensterwelt, aus der sich, bei tiefer auftauchenden Ahnungen, zum befriedigenden Ausgleich mit dem All, die Götter verklären in der Religion, in künstlerische Gestaltungen eingekörpert.
Wenn klar das Bewusstsein erwacht, so zersetzt die Wissenschaft die magischen Operationen der Mythologie in controllirbare Experimente, sie verscheucht die Phantasien der Todtenseelen und Dämone und definirt aus der Religion das soweit Verständliche, sowie von dem Rest das Warum des noch Unverständlichen, indem zugleich im Staat die ge- setzliche Grundlage gesellschaftlicher Existenz erkannt wird.
Die Welt, soweit wir sie kennen, besteht nur aus unseren Vorstellungen, sagt Wundt, und wenn Schopenhauer mit dem Gehirn, worin die höchste Objectivation des Willens sich zeigt, die Welt als Vorstellung geschaffen sein lässt, mit Raum, Zeit, Formen, Vielheit, Causalität, so hätten auch die (objectiven) Einkörperungen (subjectiver) Abstraction hinzu- zutreten. Der immenente Zweck der Seele, als Entelechie, die (neben der Vergleichung mit der Flötenkunst) dem Leibe das ist, was das Sehen für das Auge (bei Aristoteles), würde sich, wie individuell im Körper, gesellschaftlich dann in dem ethnischen Horizont verwirklichen, wohin sie (wie die Netzhaut in der Richtung bestimmter Graden) ihre Vor- stellungen projicirt hätte, welche im Total-Abschluss aus der Gesammtheit der Sinnesempfindungen (unter ordnendem Zu- tritt des nous von Jenseitsher oder thurathen) als Resultat ge- staltet, demnach, über das Sprachliche noch hinaus, omoiomata
Was der Mensch in socialen Institutionen schafft, geschieht anfänglich unbewusst, als nothwendige Verkörperungen der in dem gesellschaftlichen Zustande (seiner innerlichen Organi- sation) liegenden Bedürfnisse.
So lange der Geist in halbträumerischer Naturheit da- hinlebt, umgiebt er sich (aus unbestimmt verschwimmenden Schöpfungen der Sinnesauffassungen und ihren sprachlichen Deutungen im Gedankenaustausch) mit einer mythologischen Gespensterwelt, aus der sich, bei tiefer auftauchenden Ahnungen, zum befriedigenden Ausgleich mit dem All, die Götter verklären in der Religion, in künstlerische Gestaltungen eingekörpert.
Wenn klar das Bewusstsein erwacht, so zersetzt die Wissenschaft die magischen Operationen der Mythologie in controllirbare Experimente, sie verscheucht die Phantasien der Todtenseelen und Dämone und definirt aus der Religion das soweit Verständliche, sowie von dem Rest das Warum des noch Unverständlichen, indem zugleich im Staat die ge- setzliche Grundlage gesellschaftlicher Existenz erkannt wird.
Die Welt, soweit wir sie kennen, besteht nur aus unseren Vorstellungen, sagt Wundt, und wenn Schopenhauer mit dem Gehirn, worin die höchste Objectivation des Willens sich zeigt, die Welt als Vorstellung geschaffen sein lässt, mit Raum, Zeit, Formen, Vielheit, Causalität, so hätten auch die (objectiven) Einkörperungen (subjectiver) Abstraction hinzu- zutreten. Der immenente Zweck der Seele, als Entelechie, die (neben der Vergleichung mit der Flötenkunst) dem Leibe das ist, was das Sehen für das Auge (bei Aristoteles), würde sich, wie individuell im Körper, gesellschaftlich dann in dem ethnischen Horizont verwirklichen, wohin sie (wie die Netzhaut in der Richtung bestimmter Graden) ihre Vor- stellungen projicirt hätte, welche im Total-Abschluss aus der Gesammtheit der Sinnesempfindungen (unter ordnendem Zu- tritt des νοῦς von Jenseitsher oder ϑύραϑεν) als Resultat ge- staltet, demnach, über das Sprachliche noch hinaus, ὁμοιώματα
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Was der Mensch in socialen Institutionen schafft, geschieht
anfänglich unbewusst, als nothwendige Verkörperungen der in
dem gesellschaftlichen Zustande (seiner innerlichen Organi-
sation) liegenden Bedürfnisse.
So lange der Geist in halbträumerischer Naturheit da-
hinlebt, umgiebt er sich (aus unbestimmt verschwimmenden
Schöpfungen der Sinnesauffassungen und ihren sprachlichen
Deutungen im Gedankenaustausch) mit einer mythologischen
Gespensterwelt, aus der sich, bei tiefer auftauchenden
Ahnungen, zum befriedigenden Ausgleich mit dem All, die
Götter verklären in der Religion, in künstlerische Gestaltungen
eingekörpert.
Wenn klar das Bewusstsein erwacht, so zersetzt die
Wissenschaft die magischen Operationen der Mythologie in
controllirbare Experimente, sie verscheucht die Phantasien
der Todtenseelen und Dämone und definirt aus der Religion
das soweit Verständliche, sowie von dem Rest das Warum
des noch Unverständlichen, indem zugleich im Staat die ge-
setzliche Grundlage gesellschaftlicher Existenz erkannt wird.
Die Welt, soweit wir sie kennen, besteht nur aus unseren
Vorstellungen, sagt Wundt, und wenn Schopenhauer mit dem
Gehirn, worin die höchste Objectivation des Willens sich
zeigt, die Welt als Vorstellung geschaffen sein lässt, mit
Raum, Zeit, Formen, Vielheit, Causalität, so hätten auch die
(objectiven) Einkörperungen (subjectiver) Abstraction hinzu-
zutreten. Der immenente Zweck der Seele, als Entelechie,
die (neben der Vergleichung mit der Flötenkunst) dem
Leibe das ist, was das Sehen für das Auge (bei Aristoteles),
würde sich, wie individuell im Körper, gesellschaftlich dann
in dem ethnischen Horizont verwirklichen, wohin sie (wie
die Netzhaut in der Richtung bestimmter Graden) ihre Vor-
stellungen projicirt hätte, welche im Total-Abschluss aus der
Gesammtheit der Sinnesempfindungen (unter ordnendem Zu-
tritt des νοῦς von Jenseitsher oder ϑύραϑεν) als Resultat ge-
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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/46>, abgerufen am 27.07.2024.
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