Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

den nächsten Vorläufern der eigenen Civilisation, wird jetzt,
wie früher die maassgebende Unterlage derselben zu gewinnen
sein, und auf ihrem, in minutieusen Gliederungen wohnlich
eingerichteten, Terrain wird gerne stets die Ethnologie ein-
kehren, wenn ermüdet, über die unabsehbaren Weiten eigenen
Gebietes formlos verschwimmenden Anschauungen zu folgen,
oder wenn etwa befähigt, in Erklärung bisher unverstandener
Archaismen, kleine Gegengeschenke darzubringen.

Neben solchem, aus engsten Focus strömenden, Inten-
sitätsglanz verlangt dann freilich räumliche Extensität, bei
statistischen Aufstellungen und Reihen (wie für die Induction)
ebenfalls ihre Berücksichtigung, und wie sehr die sogenannte
Weltgeschichte im Vergleich zu den der Ethnologie zu-
gefallenen Territorien zusammenschrumpfen würde, braucht
nicht hervorgehoben zu werden, weil geographisch Ihnen,
als Geographen, vor Augen liegend. Und in genetischer
Inductionsforschung besitzt ausserdem das Kleinste auch,
seine ihm voll zu gewährende Wichtigkeit, oft im speciellen
Fall eine grössere, als das Grosse.

Dies führt zur Betonung der wissenschaftlichen Bedeu-
tung der Ethnologie, in Einführung des genetischen Princips
in die Menschheitsgeschichte.

Aus dem Werden verstehen wir das Sein, als Gewor-
denes, so auch im Studium des Menschen, um im Rückgang
auf erste Anfangszustände den organischen Wachsthums-
process des Geistes in seinen Elementargesetzen zu enthüllen,
und damit gleichsam der Menschenkunde denjenigen Dienst
zu erweisen, durch welchen neuerdings mit dem Studium
der Kryptogamen die Pflanzenkunde für eine wissenschaft-
liche Botanik umgestaltet ist.

In den Culturvölkern stehen uns die vollendetsten
Schöpfungen der Natur vor Augen, in Pracht und Herrlich-
keit, wie die duftenden Blumen in Schmuckgärten prangend,
von erprobter Nutzbarkeit, gleich den Früchten des Land-
wirths. Die Blumen, sie waren von jeher besungen von

den nächsten Vorläufern der eigenen Civilisation, wird jetzt,
wie früher die maassgebende Unterlage derselben zu gewinnen
sein, und auf ihrem, in minutieusen Gliederungen wohnlich
eingerichteten, Terrain wird gerne stets die Ethnologie ein-
kehren, wenn ermüdet, über die unabsehbaren Weiten eigenen
Gebietes formlos verschwimmenden Anschauungen zu folgen,
oder wenn etwa befähigt, in Erklärung bisher unverstandener
Archaismen, kleine Gegengeschenke darzubringen.

Neben solchem, aus engsten Focus strömenden, Inten-
sitätsglanz verlangt dann freilich räumliche Extensität, bei
statistischen Aufstellungen und Reihen (wie für die Induction)
ebenfalls ihre Berücksichtigung, und wie sehr die sogenannte
Weltgeschichte im Vergleich zu den der Ethnologie zu-
gefallenen Territorien zusammenschrumpfen würde, braucht
nicht hervorgehoben zu werden, weil geographisch Ihnen,
als Geographen, vor Augen liegend. Und in genetischer
Inductionsforschung besitzt ausserdem das Kleinste auch,
seine ihm voll zu gewährende Wichtigkeit, oft im speciellen
Fall eine grössere, als das Grosse.

Dies führt zur Betonung der wissenschaftlichen Bedeu-
tung der Ethnologie, in Einführung des genetischen Princips
in die Menschheitsgeschichte.

Aus dem Werden verstehen wir das Sein, als Gewor-
denes, so auch im Studium des Menschen, um im Rückgang
auf erste Anfangszustände den organischen Wachsthums-
process des Geistes in seinen Elementargesetzen zu enthüllen,
und damit gleichsam der Menschenkunde denjenigen Dienst
zu erweisen, durch welchen neuerdings mit dem Studium
der Kryptogamen die Pflanzenkunde für eine wissenschaft-
liche Botanik umgestaltet ist.

In den Culturvölkern stehen uns die vollendetsten
Schöpfungen der Natur vor Augen, in Pracht und Herrlich-
keit, wie die duftenden Blumen in Schmuckgärten prangend,
von erprobter Nutzbarkeit, gleich den Früchten des Land-
wirths. Die Blumen, sie waren von jeher besungen von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="174"/>
den nächsten Vorläufern der eigenen Civilisation, wird jetzt,<lb/>
wie früher die maassgebende Unterlage derselben zu gewinnen<lb/>
sein, und auf ihrem, in minutieusen Gliederungen wohnlich<lb/>
eingerichteten, Terrain wird gerne stets die Ethnologie ein-<lb/>
kehren, wenn ermüdet, über die unabsehbaren Weiten eigenen<lb/>
Gebietes formlos verschwimmenden Anschauungen zu folgen,<lb/>
oder wenn etwa befähigt, in Erklärung bisher unverstandener<lb/>
Archaismen, kleine Gegengeschenke darzubringen.</p><lb/>
        <p>Neben solchem, aus engsten Focus strömenden, Inten-<lb/>
sitätsglanz verlangt dann freilich räumliche Extensität, bei<lb/>
statistischen Aufstellungen und Reihen (wie für die Induction)<lb/>
ebenfalls ihre Berücksichtigung, und wie sehr die sogenannte<lb/>
Weltgeschichte im Vergleich zu den der Ethnologie zu-<lb/>
gefallenen Territorien zusammenschrumpfen würde, braucht<lb/>
nicht hervorgehoben zu werden, weil geographisch Ihnen,<lb/>
als Geographen, vor Augen liegend. Und in genetischer<lb/>
Inductionsforschung besitzt ausserdem das Kleinste auch,<lb/>
seine ihm voll zu gewährende Wichtigkeit, oft im speciellen<lb/>
Fall eine grössere, als das Grosse.</p><lb/>
        <p>Dies führt zur Betonung der wissenschaftlichen Bedeu-<lb/>
tung der Ethnologie, in Einführung des genetischen Princips<lb/>
in die Menschheitsgeschichte.</p><lb/>
        <p>Aus dem Werden verstehen wir das Sein, als Gewor-<lb/>
denes, so auch im Studium des Menschen, um im Rückgang<lb/>
auf erste Anfangszustände den organischen Wachsthums-<lb/>
process des Geistes in seinen Elementargesetzen zu enthüllen,<lb/>
und damit gleichsam der Menschenkunde denjenigen Dienst<lb/>
zu erweisen, durch welchen neuerdings mit dem Studium<lb/>
der Kryptogamen die Pflanzenkunde für eine wissenschaft-<lb/>
liche Botanik umgestaltet ist.</p><lb/>
        <p>In den Culturvölkern stehen uns die vollendetsten<lb/>
Schöpfungen der Natur vor Augen, in Pracht und Herrlich-<lb/>
keit, wie die duftenden Blumen in Schmuckgärten prangend,<lb/>
von erprobter Nutzbarkeit, gleich den Früchten des Land-<lb/>
wirths. Die Blumen, sie waren von jeher besungen von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0208] den nächsten Vorläufern der eigenen Civilisation, wird jetzt, wie früher die maassgebende Unterlage derselben zu gewinnen sein, und auf ihrem, in minutieusen Gliederungen wohnlich eingerichteten, Terrain wird gerne stets die Ethnologie ein- kehren, wenn ermüdet, über die unabsehbaren Weiten eigenen Gebietes formlos verschwimmenden Anschauungen zu folgen, oder wenn etwa befähigt, in Erklärung bisher unverstandener Archaismen, kleine Gegengeschenke darzubringen. Neben solchem, aus engsten Focus strömenden, Inten- sitätsglanz verlangt dann freilich räumliche Extensität, bei statistischen Aufstellungen und Reihen (wie für die Induction) ebenfalls ihre Berücksichtigung, und wie sehr die sogenannte Weltgeschichte im Vergleich zu den der Ethnologie zu- gefallenen Territorien zusammenschrumpfen würde, braucht nicht hervorgehoben zu werden, weil geographisch Ihnen, als Geographen, vor Augen liegend. Und in genetischer Inductionsforschung besitzt ausserdem das Kleinste auch, seine ihm voll zu gewährende Wichtigkeit, oft im speciellen Fall eine grössere, als das Grosse. Dies führt zur Betonung der wissenschaftlichen Bedeu- tung der Ethnologie, in Einführung des genetischen Princips in die Menschheitsgeschichte. Aus dem Werden verstehen wir das Sein, als Gewor- denes, so auch im Studium des Menschen, um im Rückgang auf erste Anfangszustände den organischen Wachsthums- process des Geistes in seinen Elementargesetzen zu enthüllen, und damit gleichsam der Menschenkunde denjenigen Dienst zu erweisen, durch welchen neuerdings mit dem Studium der Kryptogamen die Pflanzenkunde für eine wissenschaft- liche Botanik umgestaltet ist. In den Culturvölkern stehen uns die vollendetsten Schöpfungen der Natur vor Augen, in Pracht und Herrlich- keit, wie die duftenden Blumen in Schmuckgärten prangend, von erprobter Nutzbarkeit, gleich den Früchten des Land- wirths. Die Blumen, sie waren von jeher besungen von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/208
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/208>, abgerufen am 19.05.2024.