Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

tischen Wandlungsverhältnissen der Umgebung, aber unter
solchem Localabdruck wirkt ebenmässig überall ein gleich-
artiges Gesetz, das zu kennen, da mit Ausdehnung der
internationalen Beziehungen sich Conflicte*) mehren müssen,
wenn nicht die leitenden Gesichtspunkte als Gemeingut unseres
Verständnisses Jedem zur Hand sind.

Wie in Betreff der Stammeskreise stehen die aus römi-
schem Recht in unserer Culturgeschichte als geltend ge-
schöpften Ansichten auch bei dem Eigenthum im diametralen
Gegensatz zu dem bei der Majorität der Naturvölker gelten-
den, die weit entfernt, eine ursprüngliche Schenkung der
Erde (in Blackstone's Sinne) anzunehmen, vielmehr im Gegen-
theil jedes der Dinge um sich herum in der Hand eines
Besitzers glauben, von dem erst durch Sühnungen oder Ge-
lübde die Erlaubniss eines Niessbrauches erworben werden
möchte.

Und doch, weil aus den Ursachen des Warum erklär-
bar, liegt hierin kein Widerspruch zu allgemein gleichartiger
Gemeinsamkeit menschlicher Gesellschaftsgesetze.

Unsere Cultur nimmt ihren Ausgangspunkt in den
classischen Unterlagen, als abgeschlossen fertig gegebenen, --

*) Die Maxime: "Nemo in communione potest invitus detineri" gilt in
West-Europa, "but in India this order of ideas is reversed" und daraus
fliessenden Missverständnissen (zwischen jus personarum und jus rerum) sind
zuzuschreiben (bei europäischen Beamten) "some of the most formidable
miscarriages of Anglo-Indian administration (s. Maine), wobei (wie bei-
fügbar ist) es sich um das Wohl und Wehe von Millionen handelt, wie
um das von Millionen, oder doch Hunderttausenden bei den (durch geographi-
sche oder historische Unkenntniss) abortiv unreifen Projecten der Coloni-
sationspolitiker in der Auswanderungsfrage (und um Millionen aus der
Schatzkammer des Gemeinwesens leicht genug obendrein). Ancient law
(s. Maine) knows next to nothing of individuals (concerned not with indi-
viduals, but with families, not with single human beings, but with groups).
Im Wesen der (inductiven) Forschungsmethode liegt es, dass "ihre allgemeinen
Ergebnisse einer beständigen Schwankung und Verbesserung unterworfen
sind" (Sachs). Und bei gesundem Organismus geht dann die Entwicklung
ununterbrochen fort.

tischen Wandlungsverhältnissen der Umgebung, aber unter
solchem Localabdruck wirkt ebenmässig überall ein gleich-
artiges Gesetz, das zu kennen, da mit Ausdehnung der
internationalen Beziehungen sich Conflicte*) mehren müssen,
wenn nicht die leitenden Gesichtspunkte als Gemeingut unseres
Verständnisses Jedem zur Hand sind.

Wie in Betreff der Stammeskreise stehen die aus römi-
schem Recht in unserer Culturgeschichte als geltend ge-
schöpften Ansichten auch bei dem Eigenthum im diametralen
Gegensatz zu dem bei der Majorität der Naturvölker gelten-
den, die weit entfernt, eine ursprüngliche Schenkung der
Erde (in Blackstone’s Sinne) anzunehmen, vielmehr im Gegen-
theil jedes der Dinge um sich herum in der Hand eines
Besitzers glauben, von dem erst durch Sühnungen oder Ge-
lübde die Erlaubniss eines Niessbrauches erworben werden
möchte.

Und doch, weil aus den Ursachen des Warum erklär-
bar, liegt hierin kein Widerspruch zu allgemein gleichartiger
Gemeinsamkeit menschlicher Gesellschaftsgesetze.

Unsere Cultur nimmt ihren Ausgangspunkt in den
classischen Unterlagen, als abgeschlossen fertig gegebenen, —

*) Die Maxime: „Nemo in communione potest invitus detineri“ gilt in
West-Europa, „but in India this order of ideas is reversed“ und daraus
fliessenden Missverständnissen (zwischen jus personarum und jus rerum) sind
zuzuschreiben (bei europäischen Beamten) „some of the most formidable
miscarriages of Anglo-Indian administration (s. Maine), wobei (wie bei-
fügbar ist) es sich um das Wohl und Wehe von Millionen handelt, wie
um das von Millionen, oder doch Hunderttausenden bei den (durch geographi-
sche oder historische Unkenntniss) abortiv unreifen Projecten der Coloni-
sationspolitiker in der Auswanderungsfrage (und um Millionen aus der
Schatzkammer des Gemeinwesens leicht genug obendrein). Ancient law
(s. Maine) knows next to nothing of individuals (concerned not with indi-
viduals, but with families, not with single human beings, but with groups).
Im Wesen der (inductiven) Forschungsmethode liegt es, dass „ihre allgemeinen
Ergebnisse einer beständigen Schwankung und Verbesserung unterworfen
sind“ (Sachs). Und bei gesundem Organismus geht dann die Entwicklung
ununterbrochen fort.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="114"/>
tischen Wandlungsverhältnissen der Umgebung, aber unter<lb/>
solchem Localabdruck wirkt ebenmässig überall ein gleich-<lb/>
artiges Gesetz, das zu kennen, da mit Ausdehnung der<lb/>
internationalen Beziehungen sich Conflicte<note place="foot" n="*)">Die Maxime: &#x201E;Nemo in communione potest invitus detineri&#x201C; gilt in<lb/>
West-Europa, &#x201E;but in India this order of ideas is reversed&#x201C; und daraus<lb/>
fliessenden Missverständnissen (zwischen jus personarum und jus rerum) sind<lb/>
zuzuschreiben (bei europäischen Beamten) &#x201E;some of the most formidable<lb/>
miscarriages of Anglo-Indian administration (s. Maine), wobei (wie bei-<lb/>
fügbar ist) es sich um das Wohl und Wehe von Millionen handelt, wie<lb/>
um das von Millionen, oder doch Hunderttausenden bei den (durch geographi-<lb/>
sche oder historische Unkenntniss) abortiv unreifen Projecten der Coloni-<lb/>
sationspolitiker in der Auswanderungsfrage (und um Millionen aus der<lb/>
Schatzkammer des Gemeinwesens leicht genug obendrein). Ancient law<lb/>
(s. Maine) knows next to nothing of individuals (concerned not with indi-<lb/>
viduals, but with families, not with single human beings, but with groups).<lb/>
Im Wesen der (inductiven) Forschungsmethode liegt es, dass &#x201E;ihre allgemeinen<lb/>
Ergebnisse einer beständigen Schwankung und Verbesserung unterworfen<lb/>
sind&#x201C; (Sachs). Und bei gesundem Organismus geht dann die Entwicklung<lb/>
ununterbrochen fort.</note> mehren müssen,<lb/>
wenn nicht die leitenden Gesichtspunkte als Gemeingut unseres<lb/>
Verständnisses Jedem zur Hand sind.</p><lb/>
        <p>Wie in Betreff der Stammeskreise stehen die aus römi-<lb/>
schem Recht in unserer Culturgeschichte als geltend ge-<lb/>
schöpften Ansichten auch bei dem Eigenthum im diametralen<lb/>
Gegensatz zu dem bei der Majorität der Naturvölker gelten-<lb/>
den, die weit entfernt, eine ursprüngliche Schenkung der<lb/>
Erde (in Blackstone&#x2019;s Sinne) anzunehmen, vielmehr im Gegen-<lb/>
theil jedes der Dinge um sich herum in der Hand eines<lb/>
Besitzers glauben, von dem erst durch Sühnungen oder Ge-<lb/>
lübde die Erlaubniss eines Niessbrauches erworben werden<lb/>
möchte.</p><lb/>
        <p>Und doch, weil aus den Ursachen des Warum erklär-<lb/>
bar, liegt hierin kein Widerspruch zu allgemein gleichartiger<lb/>
Gemeinsamkeit menschlicher Gesellschaftsgesetze.</p><lb/>
        <p>Unsere Cultur nimmt ihren Ausgangspunkt in den<lb/>
classischen Unterlagen, als abgeschlossen fertig gegebenen, &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0148] tischen Wandlungsverhältnissen der Umgebung, aber unter solchem Localabdruck wirkt ebenmässig überall ein gleich- artiges Gesetz, das zu kennen, da mit Ausdehnung der internationalen Beziehungen sich Conflicte *) mehren müssen, wenn nicht die leitenden Gesichtspunkte als Gemeingut unseres Verständnisses Jedem zur Hand sind. Wie in Betreff der Stammeskreise stehen die aus römi- schem Recht in unserer Culturgeschichte als geltend ge- schöpften Ansichten auch bei dem Eigenthum im diametralen Gegensatz zu dem bei der Majorität der Naturvölker gelten- den, die weit entfernt, eine ursprüngliche Schenkung der Erde (in Blackstone’s Sinne) anzunehmen, vielmehr im Gegen- theil jedes der Dinge um sich herum in der Hand eines Besitzers glauben, von dem erst durch Sühnungen oder Ge- lübde die Erlaubniss eines Niessbrauches erworben werden möchte. Und doch, weil aus den Ursachen des Warum erklär- bar, liegt hierin kein Widerspruch zu allgemein gleichartiger Gemeinsamkeit menschlicher Gesellschaftsgesetze. Unsere Cultur nimmt ihren Ausgangspunkt in den classischen Unterlagen, als abgeschlossen fertig gegebenen, — *) Die Maxime: „Nemo in communione potest invitus detineri“ gilt in West-Europa, „but in India this order of ideas is reversed“ und daraus fliessenden Missverständnissen (zwischen jus personarum und jus rerum) sind zuzuschreiben (bei europäischen Beamten) „some of the most formidable miscarriages of Anglo-Indian administration (s. Maine), wobei (wie bei- fügbar ist) es sich um das Wohl und Wehe von Millionen handelt, wie um das von Millionen, oder doch Hunderttausenden bei den (durch geographi- sche oder historische Unkenntniss) abortiv unreifen Projecten der Coloni- sationspolitiker in der Auswanderungsfrage (und um Millionen aus der Schatzkammer des Gemeinwesens leicht genug obendrein). Ancient law (s. Maine) knows next to nothing of individuals (concerned not with indi- viduals, but with families, not with single human beings, but with groups). Im Wesen der (inductiven) Forschungsmethode liegt es, dass „ihre allgemeinen Ergebnisse einer beständigen Schwankung und Verbesserung unterworfen sind“ (Sachs). Und bei gesundem Organismus geht dann die Entwicklung ununterbrochen fort.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/148
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/148>, abgerufen am 09.10.2024.