Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

So bildeten sich die gynaikokratischen Verhältnisse unter
den nach Menangkabau verschlagenen Nachkommen Iskan-
der's, und ähnlich finden manche der archäistischen*) Ueber-
lebsel ihre Deutung (aus Lykien u. s. w.).

In politischer Geschichte fixiren sich auch endogamische**)
Vorschriften, wenn aristokratisch stolze Ueberwinder das
blaue Blut der Kaste rein zu erhalten streben, bis zum
engsten "breeding in and in" (wie in den Schwesterehen Peru's
und Persien's), wogegen exogamische Kreuzungen, in ihrer
weiten Verbreitung, von der Natur bereits den Naturvölkern
gelehrt zu sein scheinen.

So lange innerhalb der Horde Privatehen nicht durch
Sponsalia geweiht und umschrieben sind, werden als selbst-
verständliche Consequenz, die Kinder zur Mutter halten, da
der Vater vielleicht selbst dieser nicht mit Sicherheit bekannt
ist, und die Verwandtschaft kann nicht in verticaler Richtung

Usus (concubinatus, contubernium u. s. w. im conjugium), während, wie
Raptus die archaistische Form der Eheschliessung, coemptio die gewöhn-
lich durchgehende ist, und wenn dem Jüngling noch das Vermögen fehlt,
den vollen Preis zu zahlen, mag es in Raten geschehen durch die dem
Schwiegervater geleisteten Dienste, wie bei den Hebräern oder in Sumatra,
und vielfach sonst. Bei den Naga dient die Braut eine Zeitlang dem Vater
des Bräutigams.
*) Zu Memrumos und Hypsuranios Zeit wurden die Kinder nach der
Mutter genannt (bei Philo). In Madagascar folgen die Kinder der Mutter
(s. Ellis), und dies wiederholt in langen Reihen durch die verschiedenen
Continente. Das Kind folgt der "ärgeren Hand" (um den Adel rein zu
halten). Throughout the patriarchal legends of the Hebrews descent in
the female line is an important factor in the purity of blood (s. Finton).
An den Avunculus (von Avus) in der auch bei Germanen (s. Tacitus)
geltenden Bedeutung, schliesst sich dann das Neffenrecht, als Vasu auf Fiji,
in der Neffenfolge bei den Murri-Mukkatti unter den Chongan (in Cochin)
und vielfach sonst.
**) Die nahen Verwandtschaftsbeziehungen, innerhalb welcher auf Mada-
gascar geheirathet wird, führten in der Königsfamilie mitunter zu den
nächsten (sonst noch bekannter Geschwisterehen).

So bildeten sich die gynaikokratischen Verhältnisse unter
den nach Menangkabau verschlagenen Nachkommen Iskan-
der’s, und ähnlich finden manche der archäistischen*) Ueber-
lebsel ihre Deutung (aus Lykien u. s. w.).

In politischer Geschichte fixiren sich auch endogamische**)
Vorschriften, wenn aristokratisch stolze Ueberwinder das
blaue Blut der Kaste rein zu erhalten streben, bis zum
engsten „breeding in and in“ (wie in den Schwesterehen Peru’s
und Persien’s), wogegen exogamische Kreuzungen, in ihrer
weiten Verbreitung, von der Natur bereits den Naturvölkern
gelehrt zu sein scheinen.

So lange innerhalb der Horde Privatehen nicht durch
Sponsalia geweiht und umschrieben sind, werden als selbst-
verständliche Consequenz, die Kinder zur Mutter halten, da
der Vater vielleicht selbst dieser nicht mit Sicherheit bekannt
ist, und die Verwandtschaft kann nicht in verticaler Richtung

Usus (concubinatus, contubernium u. s. w. im conjugium), während, wie
Raptus die archaistische Form der Eheschliessung, coemptio die gewöhn-
lich durchgehende ist, und wenn dem Jüngling noch das Vermögen fehlt,
den vollen Preis zu zahlen, mag es in Raten geschehen durch die dem
Schwiegervater geleisteten Dienste, wie bei den Hebräern oder in Sumatra,
und vielfach sonst. Bei den Naga dient die Braut eine Zeitlang dem Vater
des Bräutigams.
*) Zu Memrumos und Hypsuranios Zeit wurden die Kinder nach der
Mutter genannt (bei Philo). In Madagascar folgen die Kinder der Mutter
(s. Ellis), und dies wiederholt in langen Reihen durch die verschiedenen
Continente. Das Kind folgt der „ärgeren Hand“ (um den Adel rein zu
halten). Throughout the patriarchal legends of the Hebrews descent in
the female line is an important factor in the purity of blood (s. Finton).
An den Avunculus (von Avus) in der auch bei Germanen (s. Tacitus)
geltenden Bedeutung, schliesst sich dann das Neffenrecht, als Vasu auf Fiji,
in der Neffenfolge bei den Murri-Mukkatti unter den Chongan (in Cochin)
und vielfach sonst.
**) Die nahen Verwandtschaftsbeziehungen, innerhalb welcher auf Mada-
gascar geheirathet wird, führten in der Königsfamilie mitunter zu den
nächsten (sonst noch bekannter Geschwisterehen).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="95"/>
So bildeten sich die gynaikokratischen Verhältnisse unter<lb/>
den nach Menangkabau verschlagenen Nachkommen Iskan-<lb/>
der&#x2019;s, und ähnlich finden manche der archäistischen<note place="foot" n="*)">Zu Memrumos und Hypsuranios Zeit wurden die Kinder nach der<lb/>
Mutter genannt (bei Philo). In Madagascar folgen die Kinder der Mutter<lb/>
(s. Ellis), und dies wiederholt in langen Reihen durch die verschiedenen<lb/>
Continente. Das Kind folgt der &#x201E;ärgeren Hand&#x201C; (um den Adel rein zu<lb/>
halten). Throughout the patriarchal legends of the Hebrews descent in<lb/>
the female line is an important factor in the purity of blood (s. Finton).<lb/>
An den Avunculus (von Avus) in der auch bei Germanen (s. Tacitus)<lb/>
geltenden Bedeutung, schliesst sich dann das Neffenrecht, als Vasu auf Fiji,<lb/>
in der Neffenfolge bei den Murri-Mukkatti unter den Chongan (in Cochin)<lb/>
und vielfach sonst.</note> Ueber-<lb/>
lebsel ihre Deutung (aus Lykien u. s. w.).</p><lb/>
        <p>In politischer Geschichte fixiren sich auch endogamische<note place="foot" n="**)">Die nahen Verwandtschaftsbeziehungen, innerhalb welcher auf Mada-<lb/>
gascar geheirathet wird, führten in der Königsfamilie mitunter zu den<lb/>
nächsten (sonst noch bekannter Geschwisterehen).</note><lb/>
Vorschriften, wenn aristokratisch stolze Ueberwinder das<lb/>
blaue Blut der Kaste rein zu erhalten streben, bis zum<lb/>
engsten &#x201E;breeding in and in&#x201C; (wie in den Schwesterehen Peru&#x2019;s<lb/>
und Persien&#x2019;s), wogegen exogamische Kreuzungen, in ihrer<lb/>
weiten Verbreitung, von der Natur bereits den Naturvölkern<lb/>
gelehrt zu sein scheinen.</p><lb/>
        <p>So lange innerhalb der Horde Privatehen nicht durch<lb/>
Sponsalia geweiht und umschrieben sind, werden als selbst-<lb/>
verständliche Consequenz, die Kinder zur Mutter halten, da<lb/>
der Vater vielleicht selbst dieser nicht mit Sicherheit bekannt<lb/>
ist, und die Verwandtschaft kann nicht in verticaler Richtung<lb/><note xml:id="seg2pn_19_2" prev="#seg2pn_19_1" place="foot" n="**)">Usus (concubinatus, contubernium u. s. w. im conjugium), während, wie<lb/>
Raptus die archaistische Form der Eheschliessung, coemptio die gewöhn-<lb/>
lich durchgehende ist, und wenn dem Jüngling noch das Vermögen fehlt,<lb/>
den vollen Preis zu zahlen, mag es in Raten geschehen durch die dem<lb/>
Schwiegervater geleisteten Dienste, wie bei den Hebräern oder in Sumatra,<lb/>
und vielfach sonst. Bei den Naga dient die Braut eine Zeitlang dem Vater<lb/>
des Bräutigams.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0129] So bildeten sich die gynaikokratischen Verhältnisse unter den nach Menangkabau verschlagenen Nachkommen Iskan- der’s, und ähnlich finden manche der archäistischen *) Ueber- lebsel ihre Deutung (aus Lykien u. s. w.). In politischer Geschichte fixiren sich auch endogamische **) Vorschriften, wenn aristokratisch stolze Ueberwinder das blaue Blut der Kaste rein zu erhalten streben, bis zum engsten „breeding in and in“ (wie in den Schwesterehen Peru’s und Persien’s), wogegen exogamische Kreuzungen, in ihrer weiten Verbreitung, von der Natur bereits den Naturvölkern gelehrt zu sein scheinen. So lange innerhalb der Horde Privatehen nicht durch Sponsalia geweiht und umschrieben sind, werden als selbst- verständliche Consequenz, die Kinder zur Mutter halten, da der Vater vielleicht selbst dieser nicht mit Sicherheit bekannt ist, und die Verwandtschaft kann nicht in verticaler Richtung **) *) Zu Memrumos und Hypsuranios Zeit wurden die Kinder nach der Mutter genannt (bei Philo). In Madagascar folgen die Kinder der Mutter (s. Ellis), und dies wiederholt in langen Reihen durch die verschiedenen Continente. Das Kind folgt der „ärgeren Hand“ (um den Adel rein zu halten). Throughout the patriarchal legends of the Hebrews descent in the female line is an important factor in the purity of blood (s. Finton). An den Avunculus (von Avus) in der auch bei Germanen (s. Tacitus) geltenden Bedeutung, schliesst sich dann das Neffenrecht, als Vasu auf Fiji, in der Neffenfolge bei den Murri-Mukkatti unter den Chongan (in Cochin) und vielfach sonst. **) Die nahen Verwandtschaftsbeziehungen, innerhalb welcher auf Mada- gascar geheirathet wird, führten in der Königsfamilie mitunter zu den nächsten (sonst noch bekannter Geschwisterehen). **) Usus (concubinatus, contubernium u. s. w. im conjugium), während, wie Raptus die archaistische Form der Eheschliessung, coemptio die gewöhn- lich durchgehende ist, und wenn dem Jüngling noch das Vermögen fehlt, den vollen Preis zu zahlen, mag es in Raten geschehen durch die dem Schwiegervater geleisteten Dienste, wie bei den Hebräern oder in Sumatra, und vielfach sonst. Bei den Naga dient die Braut eine Zeitlang dem Vater des Bräutigams.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/129
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/129>, abgerufen am 18.05.2024.