Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

hinzutretenden Resultaten aus vorgeschichtlichen und ausser-
geschichtlichen Forschungen, so dass Debatten über Dieses
und Jenes nicht mehr lange ausbleiben können und vom
philosophischen Gebiete bald auf die benachbarten überspielen
werden.

Für rechtliche Verhältnisse haben besonders Morgan's
Arbeiten, in internationaler Wechselseitigkeit des Zusammen-
arbeitens gefördert, Zersetzungskeime liefern müssen, und
damit beginnen Fragen allerlei Art sich zuzuspitzen, die
früher eine Beachtung, soweit überhaupt, nur in den Er-
holungsstunden fanden.

In Locke's Gesellschaftsvertrag lag noch ganz die rö-
mische Auffassung, wie aus dem Gang der Culturgeschichte
gewonnen, als natürliche Grundlage unter, wogegen Montes-
quieus, seit den neuen Entdeckungen, seinen Blick über die
Erde erweiterte, und klärlich genug, sich zunächst von
Abweichungen getroffen fühlte, von mehr weniger sonderbaren
Excentricitäten, und so folgte von selbst das Ueberwiegen des
der äusseren Umgebung (in klimatischen oder politischen
Verhältnissen 2)) zugeschriebenen Einflusses (während Bentham
subjective Verbesserungen mitreden lassen wollte).

Die Aufgabe der inductiven Ethnologie liegt nun
indess darin, unter diesen gewissermaassen oberflächlichen
Localfärbungen, die ihre spätere Erklärung geographisch oder
historisch zu finden haben, vor Allem und zunächst die
gleichartigen 3) Wachsthumsgesetze
der menschlichen
Völkergedanken festzustellen, und dies am einfachsten nach
genetischer Methode, von den Naturvölkern, als niedersten, und
deshalb durchsichtigsten, Organismen ausgehend. Und wie
aus solchen Keimen dann die Entwickelung fortschreitet zu
den erhabensten Errungenschaften des Geistes, muss sich
aus Vergleichung der nebeneinander verlaufenden Reihen
nach allgemein 4) gültigen Grundlinien in der Naturlehre
selbst herausstellen.

Die Ethnologie hat vor ihren biologischen Schwestern

hinzutretenden Resultaten aus vorgeschichtlichen und ausser-
geschichtlichen Forschungen, so dass Debatten über Dieses
und Jenes nicht mehr lange ausbleiben können und vom
philosophischen Gebiete bald auf die benachbarten überspielen
werden.

Für rechtliche Verhältnisse haben besonders Morgan’s
Arbeiten, in internationaler Wechselseitigkeit des Zusammen-
arbeitens gefördert, Zersetzungskeime liefern müssen, und
damit beginnen Fragen allerlei Art sich zuzuspitzen, die
früher eine Beachtung, soweit überhaupt, nur in den Er-
holungsstunden fanden.

In Locke’s Gesellschaftsvertrag lag noch ganz die rö-
mische Auffassung, wie aus dem Gang der Culturgeschichte
gewonnen, als natürliche Grundlage unter, wogegen Montes-
quieus, seit den neuen Entdeckungen, seinen Blick über die
Erde erweiterte, und klärlich genug, sich zunächst von
Abweichungen getroffen fühlte, von mehr weniger sonderbaren
Excentricitäten, und so folgte von selbst das Ueberwiegen des
der äusseren Umgebung (in klimatischen oder politischen
Verhältnissen 2)) zugeschriebenen Einflusses (während Bentham
subjective Verbesserungen mitreden lassen wollte).

Die Aufgabe der inductiven Ethnologie liegt nun
indess darin, unter diesen gewissermaassen oberflächlichen
Localfärbungen, die ihre spätere Erklärung geographisch oder
historisch zu finden haben, vor Allem und zunächst die
gleichartigen 3) Wachsthumsgesetze
der menschlichen
Völkergedanken festzustellen, und dies am einfachsten nach
genetischer Methode, von den Naturvölkern, als niedersten, und
deshalb durchsichtigsten, Organismen ausgehend. Und wie
aus solchen Keimen dann die Entwickelung fortschreitet zu
den erhabensten Errungenschaften des Geistes, muss sich
aus Vergleichung der nebeneinander verlaufenden Reihen
nach allgemein 4) gültigen Grundlinien in der Naturlehre
selbst herausstellen.

Die Ethnologie hat vor ihren biologischen Schwestern

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="V"/>
hinzutretenden Resultaten aus vorgeschichtlichen und ausser-<lb/>
geschichtlichen Forschungen, so dass Debatten über Dieses<lb/>
und Jenes nicht mehr lange ausbleiben können und vom<lb/>
philosophischen Gebiete bald auf die benachbarten überspielen<lb/>
werden.</p><lb/>
        <p>Für rechtliche Verhältnisse haben besonders Morgan&#x2019;s<lb/>
Arbeiten, in internationaler Wechselseitigkeit des Zusammen-<lb/>
arbeitens gefördert, Zersetzungskeime liefern müssen, und<lb/>
damit beginnen Fragen allerlei Art sich zuzuspitzen, die<lb/>
früher eine Beachtung, soweit überhaupt, nur in den Er-<lb/>
holungsstunden fanden.</p><lb/>
        <p>In Locke&#x2019;s Gesellschaftsvertrag lag noch ganz die rö-<lb/>
mische Auffassung, wie aus dem Gang der Culturgeschichte<lb/>
gewonnen, als natürliche Grundlage unter, wogegen Montes-<lb/>
quieus, seit den neuen Entdeckungen, seinen Blick über die<lb/>
Erde erweiterte, und klärlich genug, sich zunächst von<lb/>
Abweichungen getroffen fühlte, von mehr weniger sonderbaren<lb/>
Excentricitäten, und so folgte von selbst das Ueberwiegen des<lb/>
der äusseren Umgebung (in klimatischen oder politischen<lb/>
Verhältnissen <note xml:id="note-n-2" next="#note-2" place="end" n="2)"/>) zugeschriebenen Einflusses (während Bentham<lb/>
subjective Verbesserungen mitreden lassen wollte).</p><lb/>
        <p>Die Aufgabe der inductiven Ethnologie liegt nun<lb/>
indess darin, unter diesen gewissermaassen oberflächlichen<lb/>
Localfärbungen, die ihre spätere Erklärung geographisch oder<lb/>
historisch zu finden haben, vor <hi rendition="#g">Allem und zunächst die<lb/>
gleichartigen <note xml:id="note-n-3" next="#note-3" place="end" n="3)"/> Wachsthumsgesetze</hi> der menschlichen<lb/>
Völkergedanken festzustellen, und dies am einfachsten nach<lb/>
genetischer Methode, von den Naturvölkern, als niedersten, und<lb/>
deshalb durchsichtigsten, Organismen ausgehend. Und wie<lb/>
aus solchen Keimen dann die Entwickelung fortschreitet zu<lb/>
den erhabensten Errungenschaften des Geistes, muss sich<lb/>
aus Vergleichung der nebeneinander verlaufenden Reihen<lb/>
nach allgemein <note xml:id="note-n-4" next="#note-4" place="end" n="4)"/> gültigen Grundlinien in der Naturlehre<lb/>
selbst herausstellen.</p><lb/>
        <p>Die Ethnologie hat vor ihren biologischen Schwestern<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[V/0011] hinzutretenden Resultaten aus vorgeschichtlichen und ausser- geschichtlichen Forschungen, so dass Debatten über Dieses und Jenes nicht mehr lange ausbleiben können und vom philosophischen Gebiete bald auf die benachbarten überspielen werden. Für rechtliche Verhältnisse haben besonders Morgan’s Arbeiten, in internationaler Wechselseitigkeit des Zusammen- arbeitens gefördert, Zersetzungskeime liefern müssen, und damit beginnen Fragen allerlei Art sich zuzuspitzen, die früher eine Beachtung, soweit überhaupt, nur in den Er- holungsstunden fanden. In Locke’s Gesellschaftsvertrag lag noch ganz die rö- mische Auffassung, wie aus dem Gang der Culturgeschichte gewonnen, als natürliche Grundlage unter, wogegen Montes- quieus, seit den neuen Entdeckungen, seinen Blick über die Erde erweiterte, und klärlich genug, sich zunächst von Abweichungen getroffen fühlte, von mehr weniger sonderbaren Excentricitäten, und so folgte von selbst das Ueberwiegen des der äusseren Umgebung (in klimatischen oder politischen Verhältnissen ²⁾ ) zugeschriebenen Einflusses (während Bentham subjective Verbesserungen mitreden lassen wollte). Die Aufgabe der inductiven Ethnologie liegt nun indess darin, unter diesen gewissermaassen oberflächlichen Localfärbungen, die ihre spätere Erklärung geographisch oder historisch zu finden haben, vor Allem und zunächst die gleichartigen ³⁾ Wachsthumsgesetze der menschlichen Völkergedanken festzustellen, und dies am einfachsten nach genetischer Methode, von den Naturvölkern, als niedersten, und deshalb durchsichtigsten, Organismen ausgehend. Und wie aus solchen Keimen dann die Entwickelung fortschreitet zu den erhabensten Errungenschaften des Geistes, muss sich aus Vergleichung der nebeneinander verlaufenden Reihen nach allgemein ⁴⁾ gültigen Grundlinien in der Naturlehre selbst herausstellen. Die Ethnologie hat vor ihren biologischen Schwestern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/11
Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/11>, abgerufen am 18.12.2024.