Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].besonders in moralischen etc. 6) Die Umstände einer großen Nation, welche in die Sinne fallen, und woran ein jeder in derselben Theil nimmt, werden niemals so erdich- tet, daß sie von ihren Nachkommen geglaubt wer- den: sondern wenn ein geglaubtes Gerücht davon sich fortpflanzt, so ist die in die Sinne fallende Hauptsache der National-Geschichte wahr, wenn gleich durch die Geschichtschreiber und durch die Ueberlieferung einige Umstände falsch oder zweifel- haft erzählet werden. 7) Aber viele übereinstimmende Erzählungen, welche allesammt eine einzige Quelle haben, gel- ten nicht mehr, als die einzige Original-Erzählung. 8) Wenn etwas Sonderbares, was wider den gewöhnlichen Lauf der Natur ist, erzählet wird; so ist die Erzählung nur so lange unwahrscheinlich, oder für falsch zu halten, bis sie durch viele über- einstimmende wahrscheinliche Zeugnisse bestätiget wird. Denn obgleich die meisten sonderbaren Er- zählungen falsch befunden werden; so geschicht doch zuweilen etwas Sonderbares vor unsern eignen Augen, und so sind doch fast gar keine sonderbare Erzählungen falsch, wenn sie auf die gesagte Weise bestätigt werden. 9) Die Münzen, Denkmäler und archivi- schen Nachrichten von sinnlichen National-Be- gebenheiten, woran ein jeder Theil nahm, sind in der
beſonders in moraliſchen ꝛc. 6) Die Umſtände einer großen Nation, welche in die Sinne fallen, und woran ein jeder in derſelben Theil nimmt, werden niemals ſo erdich- tet, daß ſie von ihren Nachkommen geglaubt wer- den: ſondern wenn ein geglaubtes Geruͤcht davon ſich fortpflanzt, ſo iſt die in die Sinne fallende Hauptſache der National-Geſchichte wahr, wenn gleich durch die Geſchichtſchreiber und durch die Ueberlieferung einige Umſtaͤnde falſch oder zweifel- haft erzaͤhlet werden. 7) Aber viele uͤbereinſtimmende Erzaͤhlungen, welche alleſammt eine einzige Quelle haben, gel- ten nicht mehr, als die einzige Original-Erzaͤhlung. 8) Wenn etwas Sonderbares, was wider den gewoͤhnlichen Lauf der Natur iſt, erzaͤhlet wird; ſo iſt die Erzaͤhlung nur ſo lange unwahrſcheinlich, oder fuͤr falſch zu halten, bis ſie durch viele uͤber- einſtimmende wahrſcheinliche Zeugniſſe beſtaͤtiget wird. Denn obgleich die meiſten ſonderbaren Er- zaͤhlungen falſch befunden werden; ſo geſchicht doch zuweilen etwas Sonderbares vor unſern eignen Augen, und ſo ſind doch faſt gar keine ſonderbare Erzaͤhlungen falſch, wenn ſie auf die geſagte Weiſe beſtaͤtigt werden. 9) Die Münzen, Denkmäler und archivi- ſchen Nachrichten von ſinnlichen National-Be- gebenheiten, woran ein jeder Theil nahm, ſind in der
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beſonders in moraliſchen ꝛc.
6) Die Umſtände einer großen Nation,
welche in die Sinne fallen, und woran ein jeder in
derſelben Theil nimmt, werden niemals ſo erdich-
tet, daß ſie von ihren Nachkommen geglaubt wer-
den: ſondern wenn ein geglaubtes Geruͤcht davon
ſich fortpflanzt, ſo iſt die in die Sinne fallende
Hauptſache der National-Geſchichte wahr, wenn
gleich durch die Geſchichtſchreiber und durch die
Ueberlieferung einige Umſtaͤnde falſch oder zweifel-
haft erzaͤhlet werden.
7) Aber viele uͤbereinſtimmende Erzaͤhlungen,
welche alleſammt eine einzige Quelle haben, gel-
ten nicht mehr, als die einzige Original-Erzaͤhlung.
8) Wenn etwas Sonderbares, was wider
den gewoͤhnlichen Lauf der Natur iſt, erzaͤhlet wird;
ſo iſt die Erzaͤhlung nur ſo lange unwahrſcheinlich,
oder fuͤr falſch zu halten, bis ſie durch viele uͤber-
einſtimmende wahrſcheinliche Zeugniſſe beſtaͤtiget
wird. Denn obgleich die meiſten ſonderbaren Er-
zaͤhlungen falſch befunden werden; ſo geſchicht doch
zuweilen etwas Sonderbares vor unſern eignen
Augen, und ſo ſind doch faſt gar keine ſonderbare
Erzaͤhlungen falſch, wenn ſie auf die geſagte Weiſe
beſtaͤtigt werden.
9) Die Münzen, Denkmäler und archivi-
ſchen Nachrichten von ſinnlichen National-Be-
gebenheiten, woran ein jeder Theil nahm, ſind in
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