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Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

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Das Vierdte Buch.
ben/ vnd daß sie dem guten Lande jhrer Nachbaren
zunahe graseten. Es ist nicht der Notwendigkeit daß
jhr den Verlauff deß Krieges wisset/ sonderlich was
sich ohngefehr vnd bey geringen Scharmützeln zu-
getragen. Doch war sonderlich eine rechtschaffene
Schlacht/ darinnen die Allobroger vberwunden/
vnd auß dem Läger geschlagen worden. Vnser Volck
kriegte sehr reiche Beute; daß man auch mit den Ge-
fangenen/ vnd dem Raub nicht wohin wußte; so viel
worden fürnämlich Ketten vnd Armbänder gefun-
den/ wie die Gallier zutragen pflegen. Es haben drey
Allobrogische Könige in selbigem treffen eingebüs-
set/ von denen der fürnembste Aneroest hieß. Als die
Sieger sein Zelt plünderten/ sahe einer von den Sol-
daten im Eingang deß Zeltes einen sehr schönen
Jüngling stehen/ ließ also die andere Beuthe hindan
seyn/ vnd begehrte nur diesen zu haben. Er stellete
sich hertzhafftiger als ein solches Alter pfleget/ nam
den Spieß zur Handt/ vnd wolte sich lebendig nicht
fangen lassen. Der Soldat mochte jhn auch nicht
beschädigen/ sondern ruffte einem seiner Rottgesel-
len/ vnd vmbringte den Knaben/ der zu fechten geson-
nen war/ von hinden zu. Also ergriffen sie jhm die
Arme/ vnd kundten jhm das Gewehr kaum auß
den Händen bringen. Sie schämten sich jhne zu
binden/ vnd wolten sich auch von einer so guten Na-
tur keines Betrugs besorgen. Derhalben verhies-
sen sie/ wann er zusagte nicht außzureissen/ daß sie
jhn nicht binden/ sondern nicht so sehr wie einen

gefan-

Das Vierdte Buch.
ben/ vnd daß ſie dem guten Lande jhrer Nachbaren
zunahe graſeten. Es iſt nicht der Notwendigkeit daß
jhr den Verlauff deß Krieges wiſſet/ ſonderlich was
ſich ohngefehr vnd bey geringen Scharmuͤtzeln zu-
getragen. Doch war ſonderlich eine rechtſchaffene
Schlacht/ darinnen die Allobroger vberwunden/
vnd auß dem Laͤger geſchlagẽ worden. Vnſer Volck
kriegte ſehr reiche Beute; daß man auch mit den Ge-
fangenen/ vnd dem Raub nicht wohin wußte; ſo viel
worden fuͤrnaͤmlich Ketten vnd Armbaͤnder gefun-
den/ wie die Gallier zutragen pflegen. Es haben drey
Allobrogiſche Koͤnige in ſelbigem treffen eingebuͤſ-
ſet/ von denen der fuͤrnembſte Aneroeſt hieß. Als die
Sieger ſein Zelt pluͤnderten/ ſahe einer von den Sol-
daten im Eingang deß Zeltes einen ſehr ſchoͤnen
Juͤngling ſtehen/ ließ alſo die andere Beuthe hindan
ſeyn/ vnd begehrte nur dieſen zu haben. Er ſtellete
ſich hertzhafftiger als ein ſolches Alter pfleget/ nam
den Spieß zur Handt/ vnd wolte ſich lebendig nicht
fangen laſſen. Der Soldat mochte jhn auch nicht
beſchaͤdigen/ ſondern ruffte einem ſeiner Rottgeſel-
len/ vnd vmbringte den Knaben/ der zu fechten geſon-
nen war/ von hinden zu. Alſo ergriffen ſie jhm die
Arme/ vnd kundten jhm das Gewehr kaum auß
den Haͤnden bringen. Sie ſchaͤmten ſich jhne zu
binden/ vnd wolten ſich auch von einer ſo guten Na-
tur keines Betrugs beſorgen. Derhalben verhieſ-
ſen ſie/ wann er zuſagte nicht außzureiſſen/ daß ſie
jhn nicht binden/ ſondern nicht ſo ſehr wie einen

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[715/0759] Das Vierdte Buch. ben/ vnd daß ſie dem guten Lande jhrer Nachbaren zunahe graſeten. Es iſt nicht der Notwendigkeit daß jhr den Verlauff deß Krieges wiſſet/ ſonderlich was ſich ohngefehr vnd bey geringen Scharmuͤtzeln zu- getragen. Doch war ſonderlich eine rechtſchaffene Schlacht/ darinnen die Allobroger vberwunden/ vnd auß dem Laͤger geſchlagẽ worden. Vnſer Volck kriegte ſehr reiche Beute; daß man auch mit den Ge- fangenen/ vnd dem Raub nicht wohin wußte; ſo viel worden fuͤrnaͤmlich Ketten vnd Armbaͤnder gefun- den/ wie die Gallier zutragen pflegen. Es haben drey Allobrogiſche Koͤnige in ſelbigem treffen eingebuͤſ- ſet/ von denen der fuͤrnembſte Aneroeſt hieß. Als die Sieger ſein Zelt pluͤnderten/ ſahe einer von den Sol- daten im Eingang deß Zeltes einen ſehr ſchoͤnen Juͤngling ſtehen/ ließ alſo die andere Beuthe hindan ſeyn/ vnd begehrte nur dieſen zu haben. Er ſtellete ſich hertzhafftiger als ein ſolches Alter pfleget/ nam den Spieß zur Handt/ vnd wolte ſich lebendig nicht fangen laſſen. Der Soldat mochte jhn auch nicht beſchaͤdigen/ ſondern ruffte einem ſeiner Rottgeſel- len/ vnd vmbringte den Knaben/ der zu fechten geſon- nen war/ von hinden zu. Alſo ergriffen ſie jhm die Arme/ vnd kundten jhm das Gewehr kaum auß den Haͤnden bringen. Sie ſchaͤmten ſich jhne zu binden/ vnd wolten ſich auch von einer ſo guten Na- tur keines Betrugs beſorgen. Derhalben verhieſ- ſen ſie/ wann er zuſagte nicht außzureiſſen/ daß ſie jhn nicht binden/ ſondern nicht ſo ſehr wie einen gefan-

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Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 715. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/759>, abgerufen am 22.11.2024.