Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Dritte Buch. Geschlecht lebte/ vnd was den Weibern sonstenzugefallen pfleget. Nachmals kam er auff sich sel- ber: Ich spüre an euch/ sagt er/ viel Zeichen die mei- ner lieben Mutter ähnlich sindt; vnd als ich euch gesehen habe/ hat mich das süsse Gedächtnüß der Verstorbenen zum offtern bewegt. Ich wil es auch noch heute zuwegen bringen/ daß jhr erfahren sollet/ wie das Verhängnüß ewer Gesichte dem jhrigen so sehr gleichförmig gemacht hat. Mele- ander kam darzu als sie so Sprache hielten/ von welchem Radirobanes vmb Abendszeit Abschiedt nam/ vnd der Selenissen Sohn zu sich forderte/ mit Namen Demades. Diesem/ als er viel Zeich- en der Gnade erwiesen: Gehet/ sagte er/ vnd brin- get diß meiner Mutter Bildnüß der Selenissen/ welches jhr/ wann Kron vnd Scepter nicht weren/ sonst von Gesichte sehr nahe kompt. Das Con- trafeyt war kleine/ vnd gleichte sich der Selenissen am Alter nicht vbel. Dann es zeigte eine Alte vnd geruntzelte Königin; aber es war von schöner Kunst/ vnd lag in einer Schachtel mit Edelge- steinen versetzet/ welche Radirobanes vor diesem vmb zwantzig Talent gekaufft hatte/ daran ein sehr gros- se Perle hieng. So bald Selenisse den Demades mit solchem besorgte
Das Dritte Buch. Geſchlecht lebte/ vnd was den Weibern ſonſtenzugefallen pfleget. Nachmals kam er auff ſich ſel- ber: Ich ſpuͤre an euch/ ſagt er/ viel Zeichen die mei- ner lieben Mutter aͤhnlich ſindt; vnd als ich euch geſehen habe/ hat mich das ſuͤſſe Gedaͤchtnuͤß der Verſtorbenen zum offtern bewegt. Ich wil es auch noch heute zuwegen bringen/ daß jhr erfahren ſollet/ wie das Verhaͤngnuͤß ewer Geſichte dem jhrigen ſo ſehr gleichfoͤrmig gemacht hat. Mele- ander kam darzu als ſie ſo Sprache hielten/ von welchem Radirobanes vmb Abendszeit Abſchiedt nam/ vnd der Seleniſſen Sohn zu ſich forderte/ mit Namen Demades. Dieſem/ als er viel Zeich- en der Gnade erwieſen: Gehet/ ſagte er/ vnd brin- get diß meiner Mutter Bildnuͤß der Seleniſſen/ welches jhr/ wann Kron vnd Scepter nicht weren/ ſonſt von Geſichte ſehr nahe kompt. Das Con- trafeyt war kleine/ vnd gleichte ſich der Seleniſſen am Alter nicht vbel. Dann es zeigte eine Alte vnd geruntzelte Koͤnigin; aber es war von ſchoͤner Kunſt/ vnd lag in einer Schachtel mit Edelge- ſteinen verſetzet/ welche Radirobanes vor dieſem vmb zwantzig Talent gekaufft hatte/ daran ein ſehr groſ- ſe Perle hieng. So bald Seleniſſe den Demades mit ſolchem beſorgte
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Das Dritte Buch.
Geſchlecht lebte/ vnd was den Weibern ſonſten
zugefallen pfleget. Nachmals kam er auff ſich ſel-
ber: Ich ſpuͤre an euch/ ſagt er/ viel Zeichen die mei-
ner lieben Mutter aͤhnlich ſindt; vnd als ich euch
geſehen habe/ hat mich das ſuͤſſe Gedaͤchtnuͤß der
Verſtorbenen zum offtern bewegt. Ich wil es auch
noch heute zuwegen bringen/ daß jhr erfahren
ſollet/ wie das Verhaͤngnuͤß ewer Geſichte dem
jhrigen ſo ſehr gleichfoͤrmig gemacht hat. Mele-
ander kam darzu als ſie ſo Sprache hielten/ von
welchem Radirobanes vmb Abendszeit Abſchiedt
nam/ vnd der Seleniſſen Sohn zu ſich forderte/
mit Namen Demades. Dieſem/ als er viel Zeich-
en der Gnade erwieſen: Gehet/ ſagte er/ vnd brin-
get diß meiner Mutter Bildnuͤß der Seleniſſen/
welches jhr/ wann Kron vnd Scepter nicht weren/
ſonſt von Geſichte ſehr nahe kompt. Das Con-
trafeyt war kleine/ vnd gleichte ſich der Seleniſſen
am Alter nicht vbel. Dann es zeigte eine Alte vnd
geruntzelte Koͤnigin; aber es war von ſchoͤner
Kunſt/ vnd lag in einer Schachtel mit Edelge-
ſteinen verſetzet/ welche Radirobanes vor dieſem vmb
zwantzig Talent gekaufft hatte/ daran ein ſehr groſ-
ſe Perle hieng.
So bald Seleniſſe den Demades mit ſolchem
Geſchencke erſahe/ wardt ſie durch den Glantz eines
ſo thewren Stuͤckes beweget/ vnd zweiffelte ob ſie
der Argenis von ſolchem Gluͤck ſagen ſolte. Sie
beſorgte
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