Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Dritte Buch.
Schlacht sehen kundte; vnd vergoß nit weniger jhre
Threnen/ als das Volck sein Blut. Sie war gantz
bleich/ vnd befand sich niemals besser/ als wann die
Furcht jhr alle Sinne genommen hette. Bißweilen
verhieng sie den Schmertzen/ bißweilen kam sie wider
zur Hoffnung vnd Kräfften/ nach Zeitung der Bot-
ten/ welche sie in wehrendem Treffen außschickte.
Doch kam jhr Poliarchus nie auß dem Gemüthe;
welchen sie bey sich selber bald demütig/ bald erzürnet
anredete. Sol ich lieber wündschen/ sagte sie/ liebster
Freund/ daß jhr von diesem meinem Weinen möch-
tet wissen/ oder daß sie euch/ wie auch geschiehet/ ver-
borgen blieben? Gewiß jhr würdet nicht leben können/
wann euch meine grosse Schmertzen einfielen. Im
Fall jhr hören werdet daß ich gefangen sey/ oder daß
sich Argenis mit eigener Handt vnd jhrem Blute
vor der Feinde Schmach gerettet habe/ o Vnglück?
o trawrige Liebe? so wird es nicht genug seyn daß ich
nur einmal todt bin/ sondern wiederumb durch ewren
Todt auffs newe sterben. Aber jhr seydt abwesendt/
Poliarchus: sol ich ewers Verzuges halben euch/ o-
der einen von den Göttern der vns hasset anklagen?
Wannher kömpt solche Vergeßligkeit? welche Zau-
berey helt euch in Africa auff? Hat euch nicht ewer
guter Geist sagen können/ was anjetzt allhie für-
läufft? Hat der Haß meines Vatters mehr Gewalt
vber euch/ als das Recht vnserer Freundschafft? O-
der habt jhr/ dem zu ruhen vnmöglich ist/ eine mehr
anmutige Gefahr angetroffen? Ach/ weret jhr hie/

Poliar-
C c

Das Dritte Buch.
Schlacht ſehen kundte; vnd vergoß nit weniger jhre
Threnen/ als das Volck ſein Blut. Sie war gantz
bleich/ vnd befand ſich niemals beſſer/ als wann die
Furcht jhr alle Sinne genommen hette. Bißweilen
verhieng ſie den Schmertzen/ bißweilẽ kam ſie wider
zur Hoffnung vñ Kraͤfften/ nach Zeitung der Bot-
ten/ welche ſie in wehrendem Treffen außſchickte.
Doch kam jhr Poliarchus nie auß dem Gemuͤthe;
welchen ſie bey ſich ſelber bald demuͤtig/ bald erzuͤrnet
anredete. Sol ich lieber wuͤndſchen/ ſagte ſie/ liebſter
Freund/ daß jhr von dieſem meinem Weinen moͤch-
tet wiſſen/ oder daß ſie euch/ wie auch geſchiehet/ ver-
borgen blieben? Gewiß jhr wuͤrdet nicht leben koͤnnẽ/
wann euch meine groſſe Schmertzen einfielen. Im
Fall jhr hoͤren werdet daß ich gefangen ſey/ oder daß
ſich Argenis mit eigener Handt vnd jhrem Blute
vor der Feinde Schmach gerettet habe/ o Vngluͤck?
o trawrige Liebe? ſo wird es nicht genug ſeyn daß ich
nur einmal todt bin/ ſondern wiederumb durch ewrẽ
Todt auffs newe ſterben. Aber jhr ſeydt abweſendt/
Poliarchus: ſol ich ewers Verzuges halben euch/ o-
der einen von den Goͤttern der vns haſſet anklagen?
Wañher koͤmpt ſolche Vergeßligkeit? welche Zau-
berey helt euch in Africa auff? Hat euch nicht ewer
guter Geiſt ſagen koͤnnen/ was anjetzt allhie fuͤr-
laͤufft? Hat der Haß meines Vatters mehr Gewalt
vber euch/ als das Recht vnſerer Freundſchafft? O-
der habt jhr/ dem zu ruhen vnmoͤglich iſt/ eine mehr
anmutige Gefahr angetroffen? Ach/ weret jhr hie/

Poliar-
C c
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0445" n="401"/><fw place="top" type="header">Das Dritte Buch.</fw><lb/>
Schlacht &#x017F;ehen kundte; vnd vergoß nit weniger jhre<lb/>
Threnen/ als das Volck &#x017F;ein Blut. Sie war gantz<lb/>
bleich/ vnd befand &#x017F;ich niemals be&#x017F;&#x017F;er/ als wann die<lb/>
Furcht jhr alle Sinne genommen hette. Bißweilen<lb/>
verhieng &#x017F;ie den Schmertzen/ bißweile&#x0303; kam &#x017F;ie wider<lb/>
zur Hoffnung vn&#x0303; Kra&#x0364;fften/ nach Zeitung der Bot-<lb/>
ten/ welche &#x017F;ie in wehrendem Treffen auß&#x017F;chickte.<lb/>
Doch kam jhr Poliarchus nie auß dem Gemu&#x0364;the;<lb/>
welchen &#x017F;ie bey &#x017F;ich &#x017F;elber bald demu&#x0364;tig/ bald erzu&#x0364;rnet<lb/>
anredete. Sol ich lieber wu&#x0364;nd&#x017F;chen/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ lieb&#x017F;ter<lb/>
Freund/ daß jhr von die&#x017F;em meinem Weinen mo&#x0364;ch-<lb/>
tet wi&#x017F;&#x017F;en/ oder daß &#x017F;ie euch/ wie auch ge&#x017F;chiehet/ ver-<lb/>
borgen blieben? Gewiß jhr wu&#x0364;rdet nicht leben ko&#x0364;nne&#x0303;/<lb/>
wann euch meine gro&#x017F;&#x017F;e Schmertzen einfielen. Im<lb/>
Fall jhr ho&#x0364;ren werdet daß ich gefangen &#x017F;ey/ oder daß<lb/>
&#x017F;ich Argenis mit eigener Handt vnd jhrem Blute<lb/>
vor der Feinde Schmach gerettet habe/ o Vnglu&#x0364;ck?<lb/>
o trawrige Liebe? &#x017F;o wird es nicht genug &#x017F;eyn daß ich<lb/>
nur einmal todt bin/ &#x017F;ondern wiederumb durch ewre&#x0303;<lb/>
Todt auffs newe &#x017F;terben. Aber jhr &#x017F;eydt abwe&#x017F;endt/<lb/>
Poliarchus: &#x017F;ol ich ewers Verzuges halben euch/ o-<lb/>
der einen von den Go&#x0364;ttern der vns ha&#x017F;&#x017F;et anklagen?<lb/>
Wan&#x0303;her ko&#x0364;mpt &#x017F;olche Vergeßligkeit? welche Zau-<lb/>
berey helt euch in Africa auff? Hat euch nicht ewer<lb/>
guter Gei&#x017F;t &#x017F;agen ko&#x0364;nnen/ was anjetzt allhie fu&#x0364;r-<lb/>
la&#x0364;ufft? Hat der Haß meines Vatters mehr Gewalt<lb/>
vber euch/ als das Recht vn&#x017F;erer Freund&#x017F;chafft? O-<lb/>
der habt jhr/ dem zu ruhen vnmo&#x0364;glich i&#x017F;t/ eine mehr<lb/>
anmutige Gefahr angetroffen? Ach/ weret jhr hie/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c</fw><fw place="bottom" type="catch">Poliar-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0445] Das Dritte Buch. Schlacht ſehen kundte; vnd vergoß nit weniger jhre Threnen/ als das Volck ſein Blut. Sie war gantz bleich/ vnd befand ſich niemals beſſer/ als wann die Furcht jhr alle Sinne genommen hette. Bißweilen verhieng ſie den Schmertzen/ bißweilẽ kam ſie wider zur Hoffnung vñ Kraͤfften/ nach Zeitung der Bot- ten/ welche ſie in wehrendem Treffen außſchickte. Doch kam jhr Poliarchus nie auß dem Gemuͤthe; welchen ſie bey ſich ſelber bald demuͤtig/ bald erzuͤrnet anredete. Sol ich lieber wuͤndſchen/ ſagte ſie/ liebſter Freund/ daß jhr von dieſem meinem Weinen moͤch- tet wiſſen/ oder daß ſie euch/ wie auch geſchiehet/ ver- borgen blieben? Gewiß jhr wuͤrdet nicht leben koͤnnẽ/ wann euch meine groſſe Schmertzen einfielen. Im Fall jhr hoͤren werdet daß ich gefangen ſey/ oder daß ſich Argenis mit eigener Handt vnd jhrem Blute vor der Feinde Schmach gerettet habe/ o Vngluͤck? o trawrige Liebe? ſo wird es nicht genug ſeyn daß ich nur einmal todt bin/ ſondern wiederumb durch ewrẽ Todt auffs newe ſterben. Aber jhr ſeydt abweſendt/ Poliarchus: ſol ich ewers Verzuges halben euch/ o- der einen von den Goͤttern der vns haſſet anklagen? Wañher koͤmpt ſolche Vergeßligkeit? welche Zau- berey helt euch in Africa auff? Hat euch nicht ewer guter Geiſt ſagen koͤnnen/ was anjetzt allhie fuͤr- laͤufft? Hat der Haß meines Vatters mehr Gewalt vber euch/ als das Recht vnſerer Freundſchafft? O- der habt jhr/ dem zu ruhen vnmoͤglich iſt/ eine mehr anmutige Gefahr angetroffen? Ach/ weret jhr hie/ Poliar- C c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/445
Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/445>, abgerufen am 07.05.2024.