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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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statuiert zu haben, hat Luther sich selbst gerühmt. Noch
1534: "Ich muss immer solchen Unterschied der zwei
Rechte einbläuen und einkäuen, eintreiben und einkeilen,
obs wohl so oft, dass es verdriesslich ist, geschrieben und
gesagt worden. Denn der leidige Teufel hört nicht auf,
diese zwei Reiche in einander zu kochen und zu brauen.
Die weltlichen Herren wollen immer Christum lehren
und meistern, wie er seine Kirche und geistlich Regiment
soll führen. So wollen die falschen Pfaffen immer lehren und
meistern, wie man solle das weltliche Regiment ordnen. 15)"
Deutlicher konnte die Trennung zwischen Staat und Kirche
nicht formuliert werden, und doch haben wir sie heute
noch nicht.

Aber Luther rühmte sich auch, "seit der Apostel Tage
habe kein Doctor noch Skribent, kein Theologus noch Jurist,
so herrlich und klärlich die Gewissen der weltlichen Stände
bestätigt" 16). Als er auftrat, habe niemand etwas von der
weltlichen Obrigkeit gewusst, woher sie käme, was ihr Amt
und Werk sei und wie sie Gott dienen solle. Und diese
letztere Aeusserung gibt die Bestätigung, welche furchtbare,
dem Mittelalter unbekannte Macht er dem Staate verlieh.
Marsiglio von Padua und Macchiavell hatten dem Staate
lange vorher seine eigenen Aufgaben zugewiesen. Die
Gelehrten aber hatten die Obrigkeit für etwas Heidnisches,
Ungöttliches gehalten, hatten sie als einen für die Seligkeit
gefährlichen Stand bezeichnet. Luther als Erster nahm,
gestützt auf die Bibel, den göttlichen Ursprung nun auch
für die staatliche Obrigkeit in Anspruch. Damit war, als
die Landesgewalten erst begannen, sich mit den Spolien
der Kirche zu bereichern, die staatliche Omnipotenz garan-
tiert: Luther erwies sich nach seinen eigenen Worten als
"falschen Pfaffen", der lehrte und meisterte, "wie man solle
das weltlich Regiment ordnen". Er gab dem Staate eine
nie geahnte "Gewissensfreiheit" und Macht, und erklärte
doch zugleich das Desinteressement des religiösen Individuums


statuiert zu haben, hat Luther sich selbst gerühmt. Noch
1534: „Ich muss immer solchen Unterschied der zwei
Rechte einbläuen und einkäuen, eintreiben und einkeilen,
obs wohl so oft, dass es verdriesslich ist, geschrieben und
gesagt worden. Denn der leidige Teufel hört nicht auf,
diese zwei Reiche in einander zu kochen und zu brauen.
Die weltlichen Herren wollen immer Christum lehren
und meistern, wie er seine Kirche und geistlich Regiment
soll führen. So wollen die falschen Pfaffen immer lehren und
meistern, wie man solle das weltliche Regiment ordnen. 15)
Deutlicher konnte die Trennung zwischen Staat und Kirche
nicht formuliert werden, und doch haben wir sie heute
noch nicht.

Aber Luther rühmte sich auch, „seit der Apostel Tage
habe kein Doctor noch Skribent, kein Theologus noch Jurist,
so herrlich und klärlich die Gewissen der weltlichen Stände
bestätigt“ 16). Als er auftrat, habe niemand etwas von der
weltlichen Obrigkeit gewusst, woher sie käme, was ihr Amt
und Werk sei und wie sie Gott dienen solle. Und diese
letztere Aeusserung gibt die Bestätigung, welche furchtbare,
dem Mittelalter unbekannte Macht er dem Staate verlieh.
Marsiglio von Padua und Macchiavell hatten dem Staate
lange vorher seine eigenen Aufgaben zugewiesen. Die
Gelehrten aber hatten die Obrigkeit für etwas Heidnisches,
Ungöttliches gehalten, hatten sie als einen für die Seligkeit
gefährlichen Stand bezeichnet. Luther als Erster nahm,
gestützt auf die Bibel, den göttlichen Ursprung nun auch
für die staatliche Obrigkeit in Anspruch. Damit war, als
die Landesgewalten erst begannen, sich mit den Spolien
der Kirche zu bereichern, die staatliche Omnipotenz garan-
tiert: Luther erwies sich nach seinen eigenen Worten als
„falschen Pfaffen“, der lehrte und meisterte, „wie man solle
das weltlich Regiment ordnen“. Er gab dem Staate eine
nie geahnte „Gewissensfreiheit“ und Macht, und erklärte
doch zugleich das Desinteressement des religiösen Individuums

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[23/0031] statuiert zu haben, hat Luther sich selbst gerühmt. Noch 1534: „Ich muss immer solchen Unterschied der zwei Rechte einbläuen und einkäuen, eintreiben und einkeilen, obs wohl so oft, dass es verdriesslich ist, geschrieben und gesagt worden. Denn der leidige Teufel hört nicht auf, diese zwei Reiche in einander zu kochen und zu brauen. Die weltlichen Herren wollen immer Christum lehren und meistern, wie er seine Kirche und geistlich Regiment soll führen. So wollen die falschen Pfaffen immer lehren und meistern, wie man solle das weltliche Regiment ordnen. ¹⁵⁾ “ Deutlicher konnte die Trennung zwischen Staat und Kirche nicht formuliert werden, und doch haben wir sie heute noch nicht. Aber Luther rühmte sich auch, „seit der Apostel Tage habe kein Doctor noch Skribent, kein Theologus noch Jurist, so herrlich und klärlich die Gewissen der weltlichen Stände bestätigt“ ¹⁶⁾ . Als er auftrat, habe niemand etwas von der weltlichen Obrigkeit gewusst, woher sie käme, was ihr Amt und Werk sei und wie sie Gott dienen solle. Und diese letztere Aeusserung gibt die Bestätigung, welche furchtbare, dem Mittelalter unbekannte Macht er dem Staate verlieh. Marsiglio von Padua und Macchiavell hatten dem Staate lange vorher seine eigenen Aufgaben zugewiesen. Die Gelehrten aber hatten die Obrigkeit für etwas Heidnisches, Ungöttliches gehalten, hatten sie als einen für die Seligkeit gefährlichen Stand bezeichnet. Luther als Erster nahm, gestützt auf die Bibel, den göttlichen Ursprung nun auch für die staatliche Obrigkeit in Anspruch. Damit war, als die Landesgewalten erst begannen, sich mit den Spolien der Kirche zu bereichern, die staatliche Omnipotenz garan- tiert: Luther erwies sich nach seinen eigenen Worten als „falschen Pfaffen“, der lehrte und meisterte, „wie man solle das weltlich Regiment ordnen“. Er gab dem Staate eine nie geahnte „Gewissensfreiheit“ und Macht, und erklärte doch zugleich das Desinteressement des religiösen Individuums

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/31>, abgerufen am 21.11.2024.