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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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Magnaten, die man so wenig zu bändigen wusste, wie die
Geusen und Preussen, wurden aufdringlicher und kecker,
bis es ihnen im 19. Jahrhundert infolge des Bündnisses mit
Bismarck gelang, die halbe Politik der Donaumonarchie in
ihre Hände zu bekommen.

Der Aufschwung der positiv immer aufs Nächste ge-
richteten preussischen Fürsten ging parallel mit dem Zerfall
der habsburgischen Hausmacht, und in demselben Grade,
in dem diese an moralischem Einfluss verlor, wandten die
deutschen Sympathien sich Preussen zu, das an Verschlagen-
heit, Brutalität und Sophistik dem Oesterreichertum zwar
nichts nachgab, es an Erfolg aber übertraf.

Ein Bismarckwort lautet: "Preussen ist völlig isoliert.
Der einzige Alliierte, wenn es ihn richtig zu behandeln weiss,
ist das deutsche Volk". Schon der grosse Kurfürst machte
diese Erfahrung, 1675, als er im pfälzischen Erbfolgekrieg
gegen Ludwig XIV. die Partei des Kaisers nahm und von
diesem im Stich gelassen, sich plötzlich Frankreich und
Schweden zugleich gegenüber sah. Damals richtete er jenen
Aufruf an Deutschland 110), in dem er sich auf die "formi-
dable Tradition unserer Altvordern" berief, einen Zusammen-
schluss der deutschen Stämme forderte und damit eigentlich
einen Akt der Rebellion gegen den Kaiser beging. "Nostris
ex ossibus ultor", verwünschte er Oesterreich, als Ludwig
XIV. ihn zum Separatfrieden von St. Germain en Laye
zwang. Und ähnlich deutete Friedrich Wilhelm I., als
Karl VI. ihm, wider die Abmachungen der pragmatischen
Sanktion, die Erbfolge in Berg unterschlug, auf seinen
Sohn Friedrich: "Da steht einer, der mich rächen wird"!

Friedrich II. ist jener preussische König, dem es zum
ersten Male gelang, sich im Kampfe gegen das katholische
Oesterreich die Sympathien Deutschlands zu erringen; des
protestantischen nördlichen Deutschland, wohlverstanden.
Und man würde fehl gehen, wenn man die preussische
Politik von 1648 an nicht in dem Sinne verstünde, in dem

Magnaten, die man so wenig zu bändigen wusste, wie die
Geusen und Preussen, wurden aufdringlicher und kecker,
bis es ihnen im 19. Jahrhundert infolge des Bündnisses mit
Bismarck gelang, die halbe Politik der Donaumonarchie in
ihre Hände zu bekommen.

Der Aufschwung der positiv immer aufs Nächste ge-
richteten preussischen Fürsten ging parallel mit dem Zerfall
der habsburgischen Hausmacht, und in demselben Grade,
in dem diese an moralischem Einfluss verlor, wandten die
deutschen Sympathien sich Preussen zu, das an Verschlagen-
heit, Brutalität und Sophistik dem Oesterreichertum zwar
nichts nachgab, es an Erfolg aber übertraf.

Ein Bismarckwort lautet: „Preussen ist völlig isoliert.
Der einzige Alliierte, wenn es ihn richtig zu behandeln weiss,
ist das deutsche Volk“. Schon der grosse Kurfürst machte
diese Erfahrung, 1675, als er im pfälzischen Erbfolgekrieg
gegen Ludwig XIV. die Partei des Kaisers nahm und von
diesem im Stich gelassen, sich plötzlich Frankreich und
Schweden zugleich gegenüber sah. Damals richtete er jenen
Aufruf an Deutschland 110), in dem er sich auf die „formi-
dable Tradition unserer Altvordern“ berief, einen Zusammen-
schluss der deutschen Stämme forderte und damit eigentlich
einen Akt der Rebellion gegen den Kaiser beging. „Nostris
ex ossibus ultor“, verwünschte er Oesterreich, als Ludwig
XIV. ihn zum Separatfrieden von St. Germain en Laye
zwang. Und ähnlich deutete Friedrich Wilhelm I., als
Karl VI. ihm, wider die Abmachungen der pragmatischen
Sanktion, die Erbfolge in Berg unterschlug, auf seinen
Sohn Friedrich: „Da steht einer, der mich rächen wird“!

Friedrich II. ist jener preussische König, dem es zum
ersten Male gelang, sich im Kampfe gegen das katholische
Oesterreich die Sympathien Deutschlands zu erringen; des
protestantischen nördlichen Deutschland, wohlverstanden.
Und man würde fehl gehen, wenn man die preussische
Politik von 1648 an nicht in dem Sinne verstünde, in dem

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[93/0101] Magnaten, die man so wenig zu bändigen wusste, wie die Geusen und Preussen, wurden aufdringlicher und kecker, bis es ihnen im 19. Jahrhundert infolge des Bündnisses mit Bismarck gelang, die halbe Politik der Donaumonarchie in ihre Hände zu bekommen. Der Aufschwung der positiv immer aufs Nächste ge- richteten preussischen Fürsten ging parallel mit dem Zerfall der habsburgischen Hausmacht, und in demselben Grade, in dem diese an moralischem Einfluss verlor, wandten die deutschen Sympathien sich Preussen zu, das an Verschlagen- heit, Brutalität und Sophistik dem Oesterreichertum zwar nichts nachgab, es an Erfolg aber übertraf. Ein Bismarckwort lautet: „Preussen ist völlig isoliert. Der einzige Alliierte, wenn es ihn richtig zu behandeln weiss, ist das deutsche Volk“. Schon der grosse Kurfürst machte diese Erfahrung, 1675, als er im pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Ludwig XIV. die Partei des Kaisers nahm und von diesem im Stich gelassen, sich plötzlich Frankreich und Schweden zugleich gegenüber sah. Damals richtete er jenen Aufruf an Deutschland ¹¹⁰⁾ , in dem er sich auf die „formi- dable Tradition unserer Altvordern“ berief, einen Zusammen- schluss der deutschen Stämme forderte und damit eigentlich einen Akt der Rebellion gegen den Kaiser beging. „Nostris ex ossibus ultor“, verwünschte er Oesterreich, als Ludwig XIV. ihn zum Separatfrieden von St. Germain en Laye zwang. Und ähnlich deutete Friedrich Wilhelm I., als Karl VI. ihm, wider die Abmachungen der pragmatischen Sanktion, die Erbfolge in Berg unterschlug, auf seinen Sohn Friedrich: „Da steht einer, der mich rächen wird“! Friedrich II. ist jener preussische König, dem es zum ersten Male gelang, sich im Kampfe gegen das katholische Oesterreich die Sympathien Deutschlands zu erringen; des protestantischen nördlichen Deutschland, wohlverstanden. Und man würde fehl gehen, wenn man die preussische Politik von 1648 an nicht in dem Sinne verstünde, in dem

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/101>, abgerufen am 21.11.2024.