Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
zen und von seinem eigenen Wert durchdrungenen Menschen
bieten kann: sie hat frei zu wählen. (Ganz leise, fast
innig.)
Darauf bau ich.
Justine (nach einer kleinen Pause; ihn von der Seite an-
sehend, mit ehrlicher Bewunderung, leise).
Ich muß sagen,
Fidl, ich muß schon wirklich sagen --
Fidelis (steht auf). Nicht wahr? Hab ich fein gemacht!
(Geht von ihr weg, um seiner noch nachzitternden inneren Be-
wegung Herr zu werden; ernst.)
Übrigens: es wär sicher ohne
mich ganz ebenso gekommen, Luz hätte sich schon durch-
gefunden -- ich habe nur das Verfahren abgekürzt. (Nun
wieder ganz leichtsinnig.)
Es war gar nicht so einfach! Eine
normal gebrochene, glatt gebrochene Ehe wieder einzu-
richten, Kinderspiel! Aber so einen ausgebliebenen, schul-
dig gebliebenen, im Hals stecken gebliebenen Ehebruch --
o weh! (Legt sich auf den Diwan links und streckt sich der
Länge nach aus.)
Justine (erschrocken, bittend). Nicht wieder philosophisch,
Fidl! Da hab ich immer das Gefühl, seekrank zu werden.
Ich kann's im Magen nicht vertragen.
Fidelis (ohne auf sie zu hören; auf dem Rücken liegend,
die Hände unter dem Kopf gekreuzt; rekapitulierend).
Aber
nun -- sie fühlt sich nicht mehr verschmäht, der Hauptreiz
ist also weg, der Ehebruch hängt nicht mehr drohend in
der Luft, er ist ja jetzt eigentlich da, von beiden Seiten,
ganz ordnungsgemäß, wenigstens sozusagen virtuell.
Justine (kopfschüttelnd, ein Gesicht schneidend). Seekrank.
Fidelis. Ferner: er hat entsagt, dann hab ich jetzt ent-
sagt, derlei hat doch für Frauen was Ansteckendes. Und
sie kann ihn verschmähen; auch nicht zu unterschätzen.
zen und von ſeinem eigenen Wert durchdrungenen Menſchen
bieten kann: ſie hat frei zu wählen. (Ganz leiſe, faſt
innig.)
Darauf bau ich.
Juſtine (nach einer kleinen Pauſe; ihn von der Seite an-
ſehend, mit ehrlicher Bewunderung, leiſe).
Ich muß ſagen,
Fidl, ich muß ſchon wirklich ſagen —
Fidelis (ſteht auf). Nicht wahr? Hab ich fein gemacht!
(Geht von ihr weg, um ſeiner noch nachzitternden inneren Be-
wegung Herr zu werden; ernſt.)
Übrigens: es wär ſicher ohne
mich ganz ebenſo gekommen, Luz hätte ſich ſchon durch-
gefunden — ich habe nur das Verfahren abgekürzt. (Nun
wieder ganz leichtſinnig.)
Es war gar nicht ſo einfach! Eine
normal gebrochene, glatt gebrochene Ehe wieder einzu-
richten, Kinderſpiel! Aber ſo einen ausgebliebenen, ſchul-
dig gebliebenen, im Hals ſtecken gebliebenen Ehebruch —
o weh! (Legt ſich auf den Diwan links und ſtreckt ſich der
Laͤnge nach aus.)
Juſtine (erſchrocken, bittend). Nicht wieder philoſophiſch,
Fidl! Da hab ich immer das Gefühl, ſeekrank zu werden.
Ich kann's im Magen nicht vertragen.
Fidelis (ohne auf ſie zu hoͤren; auf dem Ruͤcken liegend,
die Haͤnde unter dem Kopf gekreuzt; rekapitulierend).
Aber
nun — ſie fühlt ſich nicht mehr verſchmäht, der Hauptreiz
iſt alſo weg, der Ehebruch hängt nicht mehr drohend in
der Luft, er iſt ja jetzt eigentlich da, von beiden Seiten,
ganz ordnungsgemäß, wenigſtens ſozuſagen virtuell.
Juſtine (kopfſchuͤttelnd, ein Geſicht ſchneidend). Seekrank.
Fidelis. Ferner: er hat entſagt, dann hab ich jetzt ent-
ſagt, derlei hat doch für Frauen was Anſteckendes. Und
ſie kann ihn verſchmähen; auch nicht zu unterſchätzen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act">
        <sp who="#FID">
          <p><pb facs="#f0134" n="125"/>
zen und von &#x017F;einem eigenen Wert durchdrungenen Men&#x017F;chen<lb/>
bieten kann: &#x017F;ie hat frei zu wählen. <stage>(Ganz lei&#x017F;e, fa&#x017F;t<lb/>
innig.)</stage> Darauf bau ich.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(nach einer kleinen Pau&#x017F;e; ihn von der Seite an-<lb/>
&#x017F;ehend, mit ehrlicher Bewunderung, lei&#x017F;e).</stage>
          <p>Ich muß &#x017F;agen,<lb/>
Fidl, ich muß &#x017F;chon wirklich &#x017F;agen &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(&#x017F;teht auf).</stage>
          <p>Nicht wahr? Hab ich fein gemacht!<lb/><stage>(Geht von ihr weg, um &#x017F;einer noch nachzitternden inneren Be-<lb/>
wegung Herr zu werden; ern&#x017F;t.)</stage> Übrigens: es wär &#x017F;icher ohne<lb/>
mich ganz eben&#x017F;o gekommen, Luz hätte &#x017F;ich &#x017F;chon durch-<lb/>
gefunden &#x2014; ich habe nur das Verfahren abgekürzt. <stage>(Nun<lb/>
wieder ganz leicht&#x017F;innig.)</stage> Es war gar nicht &#x017F;o einfach! Eine<lb/>
normal gebrochene, glatt gebrochene Ehe wieder einzu-<lb/>
richten, Kinder&#x017F;piel! Aber &#x017F;o einen ausgebliebenen, &#x017F;chul-<lb/>
dig gebliebenen, im Hals &#x017F;tecken gebliebenen Ehebruch &#x2014;<lb/>
o weh! <stage>(Legt &#x017F;ich auf den Diwan links und &#x017F;treckt &#x017F;ich der<lb/>
La&#x0364;nge nach aus.)</stage></p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(er&#x017F;chrocken, bittend).</stage>
          <p>Nicht wieder philo&#x017F;ophi&#x017F;ch,<lb/>
Fidl! Da hab ich immer das Gefühl, &#x017F;eekrank zu werden.<lb/>
Ich kann's im Magen nicht vertragen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(ohne auf &#x017F;ie zu ho&#x0364;ren; auf dem Ru&#x0364;cken liegend,<lb/>
die Ha&#x0364;nde unter dem Kopf gekreuzt; rekapitulierend).</stage>
          <p>Aber<lb/>
nun &#x2014; &#x017F;ie fühlt &#x017F;ich nicht mehr ver&#x017F;chmäht, der Hauptreiz<lb/>
i&#x017F;t al&#x017F;o weg, der Ehebruch hängt nicht mehr drohend in<lb/>
der Luft, er i&#x017F;t ja jetzt eigentlich da, von beiden Seiten,<lb/>
ganz ordnungsgemäß, wenig&#x017F;tens &#x017F;ozu&#x017F;agen virtuell.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#JUS">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tine</hi> </hi> </speaker>
          <stage>(kopf&#x017F;chu&#x0364;ttelnd, ein Ge&#x017F;icht &#x017F;chneidend).</stage>
          <p>Seekrank.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FID">
          <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#fr">Fidelis.</hi> </hi> </speaker>
          <p>Ferner: er hat ent&#x017F;agt, dann hab ich jetzt ent-<lb/>
&#x017F;agt, derlei hat doch für Frauen was An&#x017F;teckendes. Und<lb/>
&#x017F;ie kann ihn ver&#x017F;chmähen; auch nicht zu unter&#x017F;chätzen.<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0134] zen und von ſeinem eigenen Wert durchdrungenen Menſchen bieten kann: ſie hat frei zu wählen. (Ganz leiſe, faſt innig.) Darauf bau ich. Juſtine (nach einer kleinen Pauſe; ihn von der Seite an- ſehend, mit ehrlicher Bewunderung, leiſe). Ich muß ſagen, Fidl, ich muß ſchon wirklich ſagen — Fidelis (ſteht auf). Nicht wahr? Hab ich fein gemacht! (Geht von ihr weg, um ſeiner noch nachzitternden inneren Be- wegung Herr zu werden; ernſt.) Übrigens: es wär ſicher ohne mich ganz ebenſo gekommen, Luz hätte ſich ſchon durch- gefunden — ich habe nur das Verfahren abgekürzt. (Nun wieder ganz leichtſinnig.) Es war gar nicht ſo einfach! Eine normal gebrochene, glatt gebrochene Ehe wieder einzu- richten, Kinderſpiel! Aber ſo einen ausgebliebenen, ſchul- dig gebliebenen, im Hals ſtecken gebliebenen Ehebruch — o weh! (Legt ſich auf den Diwan links und ſtreckt ſich der Laͤnge nach aus.) Juſtine (erſchrocken, bittend). Nicht wieder philoſophiſch, Fidl! Da hab ich immer das Gefühl, ſeekrank zu werden. Ich kann's im Magen nicht vertragen. Fidelis (ohne auf ſie zu hoͤren; auf dem Ruͤcken liegend, die Haͤnde unter dem Kopf gekreuzt; rekapitulierend). Aber nun — ſie fühlt ſich nicht mehr verſchmäht, der Hauptreiz iſt alſo weg, der Ehebruch hängt nicht mehr drohend in der Luft, er iſt ja jetzt eigentlich da, von beiden Seiten, ganz ordnungsgemäß, wenigſtens ſozuſagen virtuell. Juſtine (kopfſchuͤttelnd, ein Geſicht ſchneidend). Seekrank. Fidelis. Ferner: er hat entſagt, dann hab ich jetzt ent- ſagt, derlei hat doch für Frauen was Anſteckendes. Und ſie kann ihn verſchmähen; auch nicht zu unterſchätzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/134
Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/134>, abgerufen am 04.12.2024.