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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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stellung von der Entstehung des Auges erregen. Dennoch ist es unverkennbar,
dass auch hier aus der rechten Hälfte des Zwischenhirnes sich das Auge der rechten
Seite hervorstülpt und eben so das linke Auge von der linken Seite. Allein die
Stiele der Augen (die Sehnerven) sind schon früh lang ausgezogen, und da die
Weite des Hirntheils, aus dem sie kommen, sehr gering ist, so müssen sie, in-
dem sie sich verlängern, sehr bald die Centrallinie erreichen. Da nun selbst in
Vögeln, wo sie Anfangs ziemlich weit aus einander liegen, diese Mittellinie er-
reicht wird, und auch in diesen Thieren und den Säugethieren die Faserung
erst deutlich wird, wenn die Sehnerven ein Chiasma gebildet, das heisst, mit
ihren Abgangsstellen sich erreicht haben, und nun die Fasern von beiden Sei-
ten des Hirnes in jeden Sehnerven gehen -- so kann es wenig auffallen, dass
in den Fischen, wo das Chiasma beinahe ursprünglich ist, die meisten Fasern
übergreifend sind.

Ich will mich deutlicher machen. Vor allen Dingen muss ich der gewöhn-
lichen Ansicht widersprechen, nach welcher die Sehnerven der Fische sich gar
nicht, oder doch wesentlich anders kreuzten, als die Sehnerven anderer Thiere,
indem das Auge der rechten Seite seinen Sehnerven nur von der linken Hirn-
hälfte erhielte und umgekehrt für das linke Auge. Man sieht an der Abgangs-
stelle der Sehnerven eine weisse Binde, welche beide vereint. Diese haben Ca-
rus
und Andere nicht übersehen, allein sie halten sie für ungefasert oder sind
wenigstens der Ansicht, dass die Fasern nicht in die Sehnerven übergehen. Ich
glaube aber nicht nur die Faserung, sondern auch den Uebergang in die Sehner-
ven und in das Hirn zu erkennen, und finde also, dass der Sehnerve der Fische
eben so von beiden Seiten kommt, wie in andern Thieren, mit dem Unterschiede
nur, dass der Ursprung von der entgegengesetzten Seite viel stärker und unmit-
telbarer ist. Es hat nun das Ansehen, als ob der Uebergang in dieselbe Seite ein
später durch fortschreitende Entwickelung unterdrückter sey. Den Grund da-
von suche ich in der ursprünglichen Nähe der beiden Ursprungsstellen. Diess
durch Präparation an dem überaus kleinen Hirne der Karpfen-Embryonen nach-
zuweisen, scheint mir völlig unmöglich, obgleich ich das allmählige Zusammen-
rücken der Sehnerven-Ursprünge am Vogel-Embryo nicht bloss angenommen,
sondern durch Ausschälung des Hirnes von Stufe zu Stufe verfolgt habe, da mir
das Uebergreifen der Anfangs getrennten Sehnerven lange unbegreiflich schien.
Die Arbeit war nicht leicht, aber an den Hirnen von Güstern sie auszuführen
wird auch wohl die Hand verzweifeln, die den Räderthieren die Kiefern aus-
bricht.

Das

stellung von der Entstehung des Auges erregen. Dennoch ist es unverkennbar,
daſs auch hier aus der rechten Hälfte des Zwischenhirnes sich das Auge der rechten
Seite hervorstülpt und eben so das linke Auge von der linken Seite. Allein die
Stiele der Augen (die Sehnerven) sind schon früh lang ausgezogen, und da die
Weite des Hirntheils, aus dem sie kommen, sehr gering ist, so müssen sie, in-
dem sie sich verlängern, sehr bald die Centrallinie erreichen. Da nun selbst in
Vögeln, wo sie Anfangs ziemlich weit aus einander liegen, diese Mittellinie er-
reicht wird, und auch in diesen Thieren und den Säugethieren die Faserung
erst deutlich wird, wenn die Sehnerven ein Chiasma gebildet, das heiſst, mit
ihren Abgangsstellen sich erreicht haben, und nun die Fasern von beiden Sei-
ten des Hirnes in jeden Sehnerven gehen — so kann es wenig auffallen, daſs
in den Fischen, wo das Chiasma beinahe ursprünglich ist, die meisten Fasern
übergreifend sind.

Ich will mich deutlicher machen. Vor allen Dingen muſs ich der gewöhn-
lichen Ansicht widersprechen, nach welcher die Sehnerven der Fische sich gar
nicht, oder doch wesentlich anders kreuzten, als die Sehnerven anderer Thiere,
indem das Auge der rechten Seite seinen Sehnerven nur von der linken Hirn-
hälfte erhielte und umgekehrt für das linke Auge. Man sieht an der Abgangs-
stelle der Sehnerven eine weiſse Binde, welche beide vereint. Diese haben Ca-
rus
und Andere nicht übersehen, allein sie halten sie für ungefaſert oder sind
wenigstens der Ansicht, daſs die Fasern nicht in die Sehnerven übergehen. Ich
glaube aber nicht nur die Faserung, sondern auch den Uebergang in die Sehner-
ven und in das Hirn zu erkennen, und finde also, daſs der Sehnerve der Fische
eben so von beiden Seiten kommt, wie in andern Thieren, mit dem Unterschiede
nur, daſs der Ursprung von der entgegengesetzten Seite viel stärker und unmit-
telbarer ist. Es hat nun das Ansehen, als ob der Uebergang in dieselbe Seite ein
später durch fortschreitende Entwickelung unterdrückter sey. Den Grund da-
von suche ich in der ursprünglichen Nähe der beiden Ursprungsstellen. Dieſs
durch Präparation an dem überaus kleinen Hirne der Karpfen-Embryonen nach-
zuweisen, scheint mir völlig unmöglich, obgleich ich das allmählige Zusammen-
rücken der Sehnerven-Ursprünge am Vogel-Embryo nicht bloſs angenommen,
sondern durch Ausschälung des Hirnes von Stufe zu Stufe verfolgt habe, da mir
das Uebergreifen der Anfangs getrennten Sehnerven lange unbegreiflich schien.
Die Arbeit war nicht leicht, aber an den Hirnen von Güstern sie auszuführen
wird auch wohl die Hand verzweifeln, die den Räderthieren die Kiefern aus-
bricht.

Das
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[312/0322] stellung von der Entstehung des Auges erregen. Dennoch ist es unverkennbar, daſs auch hier aus der rechten Hälfte des Zwischenhirnes sich das Auge der rechten Seite hervorstülpt und eben so das linke Auge von der linken Seite. Allein die Stiele der Augen (die Sehnerven) sind schon früh lang ausgezogen, und da die Weite des Hirntheils, aus dem sie kommen, sehr gering ist, so müssen sie, in- dem sie sich verlängern, sehr bald die Centrallinie erreichen. Da nun selbst in Vögeln, wo sie Anfangs ziemlich weit aus einander liegen, diese Mittellinie er- reicht wird, und auch in diesen Thieren und den Säugethieren die Faserung erst deutlich wird, wenn die Sehnerven ein Chiasma gebildet, das heiſst, mit ihren Abgangsstellen sich erreicht haben, und nun die Fasern von beiden Sei- ten des Hirnes in jeden Sehnerven gehen — so kann es wenig auffallen, daſs in den Fischen, wo das Chiasma beinahe ursprünglich ist, die meisten Fasern übergreifend sind. Ich will mich deutlicher machen. Vor allen Dingen muſs ich der gewöhn- lichen Ansicht widersprechen, nach welcher die Sehnerven der Fische sich gar nicht, oder doch wesentlich anders kreuzten, als die Sehnerven anderer Thiere, indem das Auge der rechten Seite seinen Sehnerven nur von der linken Hirn- hälfte erhielte und umgekehrt für das linke Auge. Man sieht an der Abgangs- stelle der Sehnerven eine weiſse Binde, welche beide vereint. Diese haben Ca- rus und Andere nicht übersehen, allein sie halten sie für ungefaſert oder sind wenigstens der Ansicht, daſs die Fasern nicht in die Sehnerven übergehen. Ich glaube aber nicht nur die Faserung, sondern auch den Uebergang in die Sehner- ven und in das Hirn zu erkennen, und finde also, daſs der Sehnerve der Fische eben so von beiden Seiten kommt, wie in andern Thieren, mit dem Unterschiede nur, daſs der Ursprung von der entgegengesetzten Seite viel stärker und unmit- telbarer ist. Es hat nun das Ansehen, als ob der Uebergang in dieselbe Seite ein später durch fortschreitende Entwickelung unterdrückter sey. Den Grund da- von suche ich in der ursprünglichen Nähe der beiden Ursprungsstellen. Dieſs durch Präparation an dem überaus kleinen Hirne der Karpfen-Embryonen nach- zuweisen, scheint mir völlig unmöglich, obgleich ich das allmählige Zusammen- rücken der Sehnerven-Ursprünge am Vogel-Embryo nicht bloſs angenommen, sondern durch Ausschälung des Hirnes von Stufe zu Stufe verfolgt habe, da mir das Uebergreifen der Anfangs getrennten Sehnerven lange unbegreiflich schien. Die Arbeit war nicht leicht, aber an den Hirnen von Güstern sie auszuführen wird auch wohl die Hand verzweifeln, die den Räderthieren die Kiefern aus- bricht. Das

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/322>, abgerufen am 22.11.2024.