Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

beiden Häute finden konnte, so glaubte ich, die äussere sey dieselbe, welche ich,
so lange das Ei lose war, auch äusserlich gesehen hatte, und ich musste also folgern,
sie wäre aus dem Eierstocke mit herübergenommen, und schloss nun weiter, die
Haut, die im Eierstock schon vor der Befruchtung gebildet ist, sey die äussere
Eihaut und nicht die Dotterhaut*). Da ich aber später in andern Familien, na-
mentlich in Dickhäutern und Wiederkäuern, die Neubildung der äussern Eihaut
vollständig verfolgen konnte, und die Haut, welche das Hunde-Ei nach seiner Be-
festigung mir zeigte, offenbar die äussere Eihaut ist, so wird es mir jetzt zweifel-
haft, ob nicht in der Zelle, welche der Fruchthälter um das Ei bildet, Eiweiss
sich sammelt, und dieses sich mit einer Oberhaut bekleidet, vorher aber die Dot-
terhaut geschwunden ist. Indem nun das Ei wächst und die Zotten sich verlängern,
wird es länglich, der Embryo fängt an sich zu formen und liegt queer auf dem Dot-
tersacke. Es bilden sich Amnion und seröse Hülle auf die allgemeine Weise. Der
Embryo drängt, indem er sich krümmt, mit seinem Kopfe tief in den Dottersack
hinein, wobei er aber immer vom Amnion umhüllt bleibt. -- Wenn Darm und
Bauch grösstentheils noch offen sind, im Dottersacke und im Embryo aber schon
längst Gefässe sich erzeugt haben, wächst der Harnsack aus der Kloake hervor
(ungefähr am Schlusse der dritten Woche). So wie dieser die äussere Eihaut be-
rührt, was sehr bald geschieht, indem der Dottersack seiner Grösse wegen nicht
weit von der äussern Eihaut absteht, der Harnsack aber immer zwischen dem
Dottersacke und der äussern Eihaut liegt, so schiebt er sich an ihr fort und um-
wächst auf diese Weise den Embryo mit einer doppelten Hülle (seiner innern und
äussern Hälfte), das Amnion von aussen und das Chorion von innen bedeckend, die
seröse Hülle aber vor sich herschiebend. Der Harnsack liegt, wie es scheint,
immer auf der rechten Seite des Embryo, so lange dieser noch keinen oder nur ei-
nen sehr kurzen Nabelstrang hat und sich nicht drehen kann. Im ganzen Harn-
sacke bleiben die Gefässschicht und die Schleimhautschicht eng an einander haf-
ten, aber die Gefässe der erstern wuchern in die Zotten, und so wird auch die
Schleimhautschicht eng an die äussere Eihaut angezogen. Da die äussere Eihaut
in allen Eiern zerriss, welche ich bald nach der ersten Bildung der Zotten unter-
suchte (etwa vierzehn-bis zwanzigtägige **) Eier), so weiss ich nicht gewiss, ob

*) Diese Ansicht hatte ich auch bei Abfassung meiner frühern Darstellungen als fraglich aufge-
stellt. Ich bemerke ausdrücklich, dass sie noch nicht durch Beobachtung widerlegt, dass sie
mir aber durch Vergleichung unwahrscheinlich geworden ist, und berufe mich auf §. 9. n.
**) Bei keinem Thiere, das ich untersuchte, lässt sich so wenig ein normales Zeitmaass für die
Entwickelung feststellen als im Hunde. Meine Beobachtungen stimmen in dieser Hinsicht weder
unter sich, noch mit den Beobachtungen Anderer. Entweder ist die Entwickelungszeit nach den
Jahreszeiten verschieden, oder nach den Hunde-Racen, oder die ganze Zeit der Brunst wirkt gar
nicht auf die Entwickelung der Eier.

beiden Häute finden konnte, so glaubte ich, die äuſsere sey dieselbe, welche ich,
so lange das Ei lose war, auch äuſserlich gesehen hatte, und ich muſste also folgern,
sie wäre aus dem Eierstocke mit herübergenommen, und schloſs nun weiter, die
Haut, die im Eierstock schon vor der Befruchtung gebildet ist, sey die äuſsere
Eihaut und nicht die Dotterhaut*). Da ich aber später in andern Familien, na-
mentlich in Dickhäutern und Wiederkäuern, die Neubildung der äuſsern Eihaut
vollständig verfolgen konnte, und die Haut, welche das Hunde-Ei nach seiner Be-
festigung mir zeigte, offenbar die äuſsere Eihaut ist, so wird es mir jetzt zweifel-
haft, ob nicht in der Zelle, welche der Fruchthälter um das Ei bildet, Eiweiſs
sich sammelt, und dieses sich mit einer Oberhaut bekleidet, vorher aber die Dot-
terhaut geschwunden ist. Indem nun das Ei wächst und die Zotten sich verlängern,
wird es länglich, der Embryo fängt an sich zu formen und liegt queer auf dem Dot-
tersacke. Es bilden sich Amnion und seröse Hülle auf die allgemeine Weise. Der
Embryo drängt, indem er sich krümmt, mit seinem Kopfe tief in den Dottersack
hinein, wobei er aber immer vom Amnion umhüllt bleibt. — Wenn Darm und
Bauch gröſstentheils noch offen sind, im Dottersacke und im Embryo aber schon
längst Gefäſse sich erzeugt haben, wächst der Harnsack aus der Kloake hervor
(ungefähr am Schlusse der dritten Woche). So wie dieser die äuſsere Eihaut be-
rührt, was sehr bald geschieht, indem der Dottersack seiner Gröſse wegen nicht
weit von der äuſsern Eihaut absteht, der Harnsack aber immer zwischen dem
Dottersacke und der äuſsern Eihaut liegt, so schiebt er sich an ihr fort und um-
wächst auf diese Weise den Embryo mit einer doppelten Hülle (seiner innern und
äuſsern Hälfte), das Amnion von auſsen und das Chorion von innen bedeckend, die
seröse Hülle aber vor sich herschiebend. Der Harnsack liegt, wie es scheint,
immer auf der rechten Seite des Embryo, so lange dieser noch keinen oder nur ei-
nen sehr kurzen Nabelstrang hat und sich nicht drehen kann. Im ganzen Harn-
sacke bleiben die Gefäſsschicht und die Schleimhautschicht eng an einander haf-
ten, aber die Gefäſse der erstern wuchern in die Zotten, und so wird auch die
Schleimhautschicht eng an die äuſsere Eihaut angezogen. Da die äuſsere Eihaut
in allen Eiern zerriſs, welche ich bald nach der ersten Bildung der Zotten unter-
suchte (etwa vierzehn-bis zwanzigtägige **) Eier), so weiſs ich nicht gewiſs, ob

*) Diese Ansicht hatte ich auch bei Abfassung meiner frühern Darstellungen als fraglich aufge-
stellt. Ich bemerke ausdrücklich, daſs sie noch nicht durch Beobachtung widerlegt, daſs sie
mir aber durch Vergleichung unwahrscheinlich geworden ist, und berufe mich auf §. 9. n.
**) Bei keinem Thiere, das ich untersuchte, läſst sich so wenig ein normales Zeitmaaſs für die
Entwickelung feststellen als im Hunde. Meine Beobachtungen stimmen in dieser Hinsicht weder
unter sich, noch mit den Beobachtungen Anderer. Entweder ist die Entwickelungszeit nach den
Jahreszeiten verschieden, oder nach den Hunde-Raçen, oder die ganze Zeit der Brunst wirkt gar
nicht auf die Entwickelung der Eier.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="239"/>
beiden Häute finden konnte, so glaubte ich, die äu&#x017F;sere sey dieselbe, welche ich,<lb/>
so lange das Ei lose war, auch äu&#x017F;serlich gesehen hatte, und ich mu&#x017F;ste also folgern,<lb/>
sie wäre aus dem Eierstocke mit herübergenommen, und schlo&#x017F;s nun weiter, die<lb/>
Haut, die im Eierstock schon vor der Befruchtung gebildet ist, sey die äu&#x017F;sere<lb/>
Eihaut und nicht die Dotterhaut<note place="foot" n="*)">Diese Ansicht hatte ich auch bei Abfassung meiner frühern Darstellungen als fraglich aufge-<lb/>
stellt. Ich bemerke ausdrücklich, da&#x017F;s sie noch nicht durch Beobachtung widerlegt, da&#x017F;s sie<lb/>
mir aber durch Vergleichung unwahrscheinlich geworden ist, und berufe mich auf §. 9. <hi rendition="#i">n.</hi></note>. Da ich aber später in andern Familien, na-<lb/>
mentlich in Dickhäutern und Wiederkäuern, die Neubildung der äu&#x017F;sern Eihaut<lb/>
vollständig verfolgen konnte, und die Haut, welche das Hunde-Ei nach seiner Be-<lb/>
festigung mir zeigte, offenbar die äu&#x017F;sere Eihaut ist, so wird es mir jetzt zweifel-<lb/>
haft, ob nicht in der Zelle, welche der Fruchthälter um das Ei bildet, Eiwei&#x017F;s<lb/>
sich sammelt, und dieses sich mit einer Oberhaut bekleidet, vorher aber die Dot-<lb/>
terhaut geschwunden ist. Indem nun das Ei wächst und die Zotten sich verlängern,<lb/>
wird es länglich, der Embryo fängt an sich zu formen und liegt queer auf dem Dot-<lb/>
tersacke. Es bilden sich Amnion und seröse Hülle auf die allgemeine Weise. Der<lb/>
Embryo drängt, indem er sich krümmt, mit seinem Kopfe tief in den Dottersack<lb/>
hinein, wobei er aber immer vom Amnion umhüllt bleibt. &#x2014; Wenn Darm und<lb/>
Bauch grö&#x017F;stentheils noch offen sind, im Dottersacke und im Embryo aber schon<lb/>
längst Gefä&#x017F;se sich erzeugt haben, wächst der Harnsack aus der Kloake hervor<lb/>
(ungefähr am Schlusse der dritten Woche). So wie dieser die äu&#x017F;sere Eihaut be-<lb/>
rührt, was sehr bald geschieht, indem der Dottersack seiner Grö&#x017F;se wegen nicht<lb/>
weit von der äu&#x017F;sern Eihaut absteht, der Harnsack aber immer zwischen dem<lb/>
Dottersacke und der äu&#x017F;sern Eihaut liegt, so schiebt er sich an ihr fort und um-<lb/>
wächst auf diese Weise den Embryo mit einer doppelten Hülle (seiner innern und<lb/>
äu&#x017F;sern Hälfte), das Amnion von au&#x017F;sen und das Chorion von innen bedeckend, die<lb/>
seröse Hülle aber vor sich herschiebend. Der Harnsack liegt, wie es scheint,<lb/>
immer auf der rechten Seite des Embryo, so lange dieser noch keinen oder nur ei-<lb/>
nen sehr kurzen Nabelstrang hat und sich nicht drehen kann. Im ganzen Harn-<lb/>
sacke bleiben die Gefä&#x017F;sschicht und die Schleimhautschicht eng an einander haf-<lb/>
ten, aber die Gefä&#x017F;se der erstern wuchern in die Zotten, und so wird auch die<lb/>
Schleimhautschicht eng an die äu&#x017F;sere Eihaut angezogen. Da die äu&#x017F;sere Eihaut<lb/>
in allen Eiern zerri&#x017F;s, welche ich bald nach der ersten Bildung der Zotten unter-<lb/>
suchte (etwa vierzehn-bis zwanzigtägige <note place="foot" n="**)">Bei keinem Thiere, das ich untersuchte, lä&#x017F;st sich so wenig ein normales Zeitmaa&#x017F;s für die<lb/>
Entwickelung feststellen als im Hunde. Meine Beobachtungen stimmen in dieser Hinsicht weder<lb/>
unter sich, noch mit den Beobachtungen Anderer. Entweder ist die Entwickelungszeit nach den<lb/>
Jahreszeiten verschieden, oder nach den Hunde-Raçen, oder die ganze Zeit der Brunst wirkt gar<lb/>
nicht auf die Entwickelung der Eier.</note> Eier), so wei&#x017F;s ich nicht gewi&#x017F;s, ob<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0249] beiden Häute finden konnte, so glaubte ich, die äuſsere sey dieselbe, welche ich, so lange das Ei lose war, auch äuſserlich gesehen hatte, und ich muſste also folgern, sie wäre aus dem Eierstocke mit herübergenommen, und schloſs nun weiter, die Haut, die im Eierstock schon vor der Befruchtung gebildet ist, sey die äuſsere Eihaut und nicht die Dotterhaut *). Da ich aber später in andern Familien, na- mentlich in Dickhäutern und Wiederkäuern, die Neubildung der äuſsern Eihaut vollständig verfolgen konnte, und die Haut, welche das Hunde-Ei nach seiner Be- festigung mir zeigte, offenbar die äuſsere Eihaut ist, so wird es mir jetzt zweifel- haft, ob nicht in der Zelle, welche der Fruchthälter um das Ei bildet, Eiweiſs sich sammelt, und dieses sich mit einer Oberhaut bekleidet, vorher aber die Dot- terhaut geschwunden ist. Indem nun das Ei wächst und die Zotten sich verlängern, wird es länglich, der Embryo fängt an sich zu formen und liegt queer auf dem Dot- tersacke. Es bilden sich Amnion und seröse Hülle auf die allgemeine Weise. Der Embryo drängt, indem er sich krümmt, mit seinem Kopfe tief in den Dottersack hinein, wobei er aber immer vom Amnion umhüllt bleibt. — Wenn Darm und Bauch gröſstentheils noch offen sind, im Dottersacke und im Embryo aber schon längst Gefäſse sich erzeugt haben, wächst der Harnsack aus der Kloake hervor (ungefähr am Schlusse der dritten Woche). So wie dieser die äuſsere Eihaut be- rührt, was sehr bald geschieht, indem der Dottersack seiner Gröſse wegen nicht weit von der äuſsern Eihaut absteht, der Harnsack aber immer zwischen dem Dottersacke und der äuſsern Eihaut liegt, so schiebt er sich an ihr fort und um- wächst auf diese Weise den Embryo mit einer doppelten Hülle (seiner innern und äuſsern Hälfte), das Amnion von auſsen und das Chorion von innen bedeckend, die seröse Hülle aber vor sich herschiebend. Der Harnsack liegt, wie es scheint, immer auf der rechten Seite des Embryo, so lange dieser noch keinen oder nur ei- nen sehr kurzen Nabelstrang hat und sich nicht drehen kann. Im ganzen Harn- sacke bleiben die Gefäſsschicht und die Schleimhautschicht eng an einander haf- ten, aber die Gefäſse der erstern wuchern in die Zotten, und so wird auch die Schleimhautschicht eng an die äuſsere Eihaut angezogen. Da die äuſsere Eihaut in allen Eiern zerriſs, welche ich bald nach der ersten Bildung der Zotten unter- suchte (etwa vierzehn-bis zwanzigtägige **) Eier), so weiſs ich nicht gewiſs, ob *) Diese Ansicht hatte ich auch bei Abfassung meiner frühern Darstellungen als fraglich aufge- stellt. Ich bemerke ausdrücklich, daſs sie noch nicht durch Beobachtung widerlegt, daſs sie mir aber durch Vergleichung unwahrscheinlich geworden ist, und berufe mich auf §. 9. n. **) Bei keinem Thiere, das ich untersuchte, läſst sich so wenig ein normales Zeitmaaſs für die Entwickelung feststellen als im Hunde. Meine Beobachtungen stimmen in dieser Hinsicht weder unter sich, noch mit den Beobachtungen Anderer. Entweder ist die Entwickelungszeit nach den Jahreszeiten verschieden, oder nach den Hunde-Raçen, oder die ganze Zeit der Brunst wirkt gar nicht auf die Entwickelung der Eier.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/249
Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/249>, abgerufen am 02.05.2024.