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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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ll. Histolo-
gische Ele-
mente.

Wir wissen, dass der Embryo beim ersten Auftreten aus fast ganz homoge-
ner Masse besteht, die theils aus dunklen oder hellen Kügelchen oder Bläschen,
theils aus heller, bloss aus geronnener und nicht weiter geformter Masse zusam-
mengesetzt wird. So ist auch jedes einzelne Organ Anfangs in sich fast ganz ho-
mogen und erst später erscheinen in ihm Fasern, Blätter oder hohle Gänge. Die
Fasern werden unter sich verschieden, und überhaupt treten die Besonderheiten
des innern Gewebes auf.

Da die neuern Anatomen die Lehre von den Verschiedenheiten des Gewebes
mit den Namen der Histologie im Gegensatze zur Morphologie, der Untersuchung
der äussern Gestaltung, belegt haben, so wollen wir die im Embryo auftretende
Scheidung in mannigfaches Gewebe die histologische Sonderung nennen. Sie ist
eben so wenig als die früher betrachteten Formen der Sonderung eine Neubildung,
sondern nur eine Umänderung des schon Bestehenden, und zwar eine Scheidung
des Gleichartigen in verschiedene histologische Elemente.

mm. Zeitli-
ches Verhält-
niss der hi-
stologischen
und morpho-
logischen
Sonderung.

Im Allgemeinen tritt die histologische Sonderung später ein als die morpho-
logische, doch sind beide keinesweges der Zeit nach völlig geschieden, sondern
gehen gemeinschaftlich fort. Ja die Absonderung der Knorpel wird schon sehr
früh kenntlich, schon wenn der Rücken sich schliesst. Indessen nähert die Schei-
dung des Knochensystems sich sehr der primären Sonderung, was ich schon frü-
her angedeutet habe und hier nicht weiter durchführen will, da es uns zu weit
ableiten würde.

nn. Blutbil-
dung.

Die Sonderung von Festem und Flüssigem gehört offenbar nur in diese Kate-
gorie -- also auch die Blutbildung. Die Blutbildung ist Flüssigwerden von einem
Theile des Organismus. Der flüssig gewordene Theil des Organismus bewegt sich
zuvörderst gegen die Axe des Embryo; -- das Blut hat also zuerst eine venöse
Strömung (was freilich in den sogenannten kaltblütigen Wirbelthieren leichter er-
wiesen wird als im Vogel), wird aber, so wie dieses Zuströmen entschiedene Bah-
nen erhalten hat, auf andern Bahnen auch wieder zur Peripherie zurückgestossen.
Auf diesen Bahnen sondert sich eine feste Wand von dem Blute als seine Hülle ab,
und solche Wände sind die Gefässhäute. Blut und Gefässbildung zeigen sich zuerst,
und einige Zeit hindurch allein, in derjenigen Schicht, die wir davon die Gefäss-
schicht genannt haben. Allmählich äussert sich aber dieselbe Metamorphose auch
im gesammten Embryo. Die flüssig gewordenen Theile gehen überall in die Bah-
nen, welche das Blut innerhalb der Gefässschicht sich gebildet hatte, und das in
die andern Schichten des Embryo eindringende Blut kommt aus den Arterien der
Gefässschicht. So ist denn bald das Gefässsystem nicht mehr in einer einzelnen
dünnen Schicht enthalten, sondern es durchzieht, vielfach verästelt, den ganzen

ll. Histolo-
gische Ele-
mente.

Wir wissen, daſs der Embryo beim ersten Auftreten aus fast ganz homoge-
ner Masse besteht, die theils aus dunklen oder hellen Kügelchen oder Bläschen,
theils aus heller, bloſs aus geronnener und nicht weiter geformter Masse zusam-
mengesetzt wird. So ist auch jedes einzelne Organ Anfangs in sich fast ganz ho-
mogen und erst später erscheinen in ihm Fasern, Blätter oder hohle Gänge. Die
Fasern werden unter sich verschieden, und überhaupt treten die Besonderheiten
des innern Gewebes auf.

Da die neuern Anatomen die Lehre von den Verschiedenheiten des Gewebes
mit den Namen der Histologie im Gegensatze zur Morphologie, der Untersuchung
der äuſsern Gestaltung, belegt haben, so wollen wir die im Embryo auftretende
Scheidung in mannigfaches Gewebe die histologische Sonderung nennen. Sie ist
eben so wenig als die früher betrachteten Formen der Sonderung eine Neubildung,
sondern nur eine Umänderung des schon Bestehenden, und zwar eine Scheidung
des Gleichartigen in verschiedene histologische Elemente.

mm. Zeitli-
ches Verhält-
niſs der hi-
stologischen
und morpho-
logischen
Sonderung.

Im Allgemeinen tritt die histologische Sonderung später ein als die morpho-
logische, doch sind beide keinesweges der Zeit nach völlig geschieden, sondern
gehen gemeinschaftlich fort. Ja die Absonderung der Knorpel wird schon sehr
früh kenntlich, schon wenn der Rücken sich schlieſst. Indessen nähert die Schei-
dung des Knochensystems sich sehr der primären Sonderung, was ich schon frü-
her angedeutet habe und hier nicht weiter durchführen will, da es uns zu weit
ableiten würde.

nn. Blutbil-
dung.

Die Sonderung von Festem und Flüssigem gehört offenbar nur in diese Kate-
gorie — also auch die Blutbildung. Die Blutbildung ist Flüssigwerden von einem
Theile des Organismus. Der flüssig gewordene Theil des Organismus bewegt sich
zuvörderst gegen die Axe des Embryo; — das Blut hat also zuerst eine venöse
Strömung (was freilich in den sogenannten kaltblütigen Wirbelthieren leichter er-
wiesen wird als im Vogel), wird aber, so wie dieses Zuströmen entschiedene Bah-
nen erhalten hat, auf andern Bahnen auch wieder zur Peripherie zurückgestoſsen.
Auf diesen Bahnen sondert sich eine feste Wand von dem Blute als seine Hülle ab,
und solche Wände sind die Gefäſshäute. Blut und Gefäſsbildung zeigen sich zuerst,
und einige Zeit hindurch allein, in derjenigen Schicht, die wir davon die Gefäſs-
schicht genannt haben. Allmählich äuſsert sich aber dieselbe Metamorphose auch
im gesammten Embryo. Die flüssig gewordenen Theile gehen überall in die Bah-
nen, welche das Blut innerhalb der Gefäſsschicht sich gebildet hatte, und das in
die andern Schichten des Embryo eindringende Blut kommt aus den Arterien der
Gefäſsschicht. So ist denn bald das Gefäſssystem nicht mehr in einer einzelnen
dünnen Schicht enthalten, sondern es durchzieht, vielfach verästelt, den ganzen

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[92/0102] Wir wissen, daſs der Embryo beim ersten Auftreten aus fast ganz homoge- ner Masse besteht, die theils aus dunklen oder hellen Kügelchen oder Bläschen, theils aus heller, bloſs aus geronnener und nicht weiter geformter Masse zusam- mengesetzt wird. So ist auch jedes einzelne Organ Anfangs in sich fast ganz ho- mogen und erst später erscheinen in ihm Fasern, Blätter oder hohle Gänge. Die Fasern werden unter sich verschieden, und überhaupt treten die Besonderheiten des innern Gewebes auf. Da die neuern Anatomen die Lehre von den Verschiedenheiten des Gewebes mit den Namen der Histologie im Gegensatze zur Morphologie, der Untersuchung der äuſsern Gestaltung, belegt haben, so wollen wir die im Embryo auftretende Scheidung in mannigfaches Gewebe die histologische Sonderung nennen. Sie ist eben so wenig als die früher betrachteten Formen der Sonderung eine Neubildung, sondern nur eine Umänderung des schon Bestehenden, und zwar eine Scheidung des Gleichartigen in verschiedene histologische Elemente. Im Allgemeinen tritt die histologische Sonderung später ein als die morpho- logische, doch sind beide keinesweges der Zeit nach völlig geschieden, sondern gehen gemeinschaftlich fort. Ja die Absonderung der Knorpel wird schon sehr früh kenntlich, schon wenn der Rücken sich schlieſst. Indessen nähert die Schei- dung des Knochensystems sich sehr der primären Sonderung, was ich schon frü- her angedeutet habe und hier nicht weiter durchführen will, da es uns zu weit ableiten würde. Die Sonderung von Festem und Flüssigem gehört offenbar nur in diese Kate- gorie — also auch die Blutbildung. Die Blutbildung ist Flüssigwerden von einem Theile des Organismus. Der flüssig gewordene Theil des Organismus bewegt sich zuvörderst gegen die Axe des Embryo; — das Blut hat also zuerst eine venöse Strömung (was freilich in den sogenannten kaltblütigen Wirbelthieren leichter er- wiesen wird als im Vogel), wird aber, so wie dieses Zuströmen entschiedene Bah- nen erhalten hat, auf andern Bahnen auch wieder zur Peripherie zurückgestoſsen. Auf diesen Bahnen sondert sich eine feste Wand von dem Blute als seine Hülle ab, und solche Wände sind die Gefäſshäute. Blut und Gefäſsbildung zeigen sich zuerst, und einige Zeit hindurch allein, in derjenigen Schicht, die wir davon die Gefäſs- schicht genannt haben. Allmählich äuſsert sich aber dieselbe Metamorphose auch im gesammten Embryo. Die flüssig gewordenen Theile gehen überall in die Bah- nen, welche das Blut innerhalb der Gefäſsschicht sich gebildet hatte, und das in die andern Schichten des Embryo eindringende Blut kommt aus den Arterien der Gefäſsschicht. So ist denn bald das Gefäſssystem nicht mehr in einer einzelnen dünnen Schicht enthalten, sondern es durchzieht, vielfach verästelt, den ganzen

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/102>, abgerufen am 24.11.2024.