Das übrige Gefässsystem hat bei seiner ersten Ausbildung folgende Ge- staltung. Ein grosser Blutbehälter, nächst dem Herzen der weiteste Kaual für das Blut, hat sich in den beiden dunklen Halbbogen gebildet, welche den Gefässhof gegen den Dotterhof begrenzen. Da beide Bogen einen Kreis bilden, der nach vorn immer einen deutlichen Einschnitt hat, zuweilen auch nach hinten einen weniger tiefen, so ist das Gefäss auch ein kreisförmiges, aus zwei Bogen- hälften bestehendes. Jeder Bogen ist nach hinten am dünnsten, nach vorn weiter. Dieser Blutkreis (sinus terminalis) ist lange ohne eigene Wand, eine blosse Lücke zwischen dem serösen und dem Schleimblatte; es ist aber unrichtig, dass er nie eine eigne Wand bekomme, vielmehr ist am Ende der zweiten Periode die Wand leicht darstellbar, indem man das seröse Blatt abtrennt. In diesem spätern Zustande verdient er den Namen Grenzvene (vena terminalis). In dem Blutkreise sieht man am frühesten rothes Blut. In jedem Halbbogen ist die Auf- nahme des zuströmenden Blutes in der Mitte, indem diese von den letzten Enden der Schlagadern erreicht wird. Die Bewegung des Blutes geht von der Mitte in einem stärkern Strom nach vorn, in einem schwächern nach hinten. Am vordern Ende treten aus dem Blutkreise eine Menge Blutadern hervor, die sich sammeln, so dass sie bald in einem, bald in zwei Stämmen zum Embryo gelangen. Diese Verschiedenheit beruht nicht auf verschiedenen Entwickelungsstufen, sondern findet sich in allen Perioden bis zum Verschwinden des Blutkreises. Sind zwei Venenstämme da, so tritt jeder in einen Schenkel des Herzens ein. Ist nur ein Stamm gebildet, so geht er in den linken Herzschenkel, der rechte Schenkel ist dann doch nicht ganz ohne Vene. Es tritt nämlich eine kleine Vene von der rechten Seite aus dem Gefässhofe in ihn ein, die durch ihre feinsten Zweige wohl mit dem Blutkreise in Verbindung steht, aber nicht als Stamm aus ihm kommt. So wie die eine oder das Paar vorderer Venen nach hinten gegen den Embryo herabsteigt, so verläuft dagegen eine etwas später sich entwickelnde aufsteigende Vene aus dem hintern Theile des Gefässhofes nach vorn und senkt sich in den linken Schenkel des Herzens ein. Die beiden Schenkel sind überhaupt nichts als die doppelten Venenstämmchen, die alles Blut in das Herz führen. Es fliesst nun durch das Herz, durch eine gemeinsame Pulsation des Herzens fortgestossen, in die zwei oder drei Bogen-Paare, kommt durch diese an die untere Fläche der Wirbelsäule, fliesst hier in zwei Armen fort, die endlich über dem Speisekanale in einen Stamm zusammenlaufen. Dieser Stamm der Aorta theilt sich bald wieder in zwei Aeste, welche ziemlich nahe zusammen liegend nach dem hintern Ende des Fötus verlaufen, vorher aber, in der Mitte des Verlaufs, fast im rechten Winkel einen Ast abgeben, der viel stärker als die nach dem hintern Ende ver-
t. Bildung des übrigen Gefäſs- systems.
Das übrige Gefäſssystem hat bei seiner ersten Ausbildung folgende Ge- staltung. Ein groſser Blutbehälter, nächst dem Herzen der weiteste Kaual für das Blut, hat sich in den beiden dunklen Halbbogen gebildet, welche den Gefäſshof gegen den Dotterhof begrenzen. Da beide Bogen einen Kreis bilden, der nach vorn immer einen deutlichen Einschnitt hat, zuweilen auch nach hinten einen weniger tiefen, so ist das Gefäſs auch ein kreisförmiges, aus zwei Bogen- hälften bestehendes. Jeder Bogen ist nach hinten am dünnsten, nach vorn weiter. Dieser Blutkreis (sinus terminalis) ist lange ohne eigene Wand, eine bloſse Lücke zwischen dem serösen und dem Schleimblatte; es ist aber unrichtig, daſs er nie eine eigne Wand bekomme, vielmehr ist am Ende der zweiten Periode die Wand leicht darstellbar, indem man das seröse Blatt abtrennt. In diesem spätern Zustande verdient er den Namen Grenzvene (vena terminalis). In dem Blutkreise sieht man am frühesten rothes Blut. In jedem Halbbogen ist die Auf- nahme des zuströmenden Blutes in der Mitte, indem diese von den letzten Enden der Schlagadern erreicht wird. Die Bewegung des Blutes geht von der Mitte in einem stärkern Strom nach vorn, in einem schwächern nach hinten. Am vordern Ende treten aus dem Blutkreise eine Menge Blutadern hervor, die sich sammeln, so daſs sie bald in einem, bald in zwei Stämmen zum Embryo gelangen. Diese Verschiedenheit beruht nicht auf verschiedenen Entwickelungsstufen, sondern findet sich in allen Perioden bis zum Verschwinden des Blutkreises. Sind zwei Venenstämme da, so tritt jeder in einen Schenkel des Herzens ein. Ist nur ein Stamm gebildet, so geht er in den linken Herzschenkel, der rechte Schenkel ist dann doch nicht ganz ohne Vene. Es tritt nämlich eine kleine Vene von der rechten Seite aus dem Gefäſshofe in ihn ein, die durch ihre feinsten Zweige wohl mit dem Blutkreise in Verbindung steht, aber nicht als Stamm aus ihm kommt. So wie die eine oder das Paar vorderer Venen nach hinten gegen den Embryo herabsteigt, so verläuft dagegen eine etwas später sich entwickelnde aufsteigende Vene aus dem hintern Theile des Gefäſshofes nach vorn und senkt sich in den linken Schenkel des Herzens ein. Die beiden Schenkel sind überhaupt nichts als die doppelten Venenstämmchen, die alles Blut in das Herz führen. Es flieſst nun durch das Herz, durch eine gemeinsame Pulsation des Herzens fortgestoſsen, in die zwei oder drei Bogen-Paare, kommt durch diese an die untere Fläche der Wirbelsäule, flieſst hier in zwei Armen fort, die endlich über dem Speisekanale in einen Stamm zusammenlaufen. Dieser Stamm der Aorta theilt sich bald wieder in zwei Aeste, welche ziemlich nahe zusammen liegend nach dem hintern Ende des Fötus verlaufen, vorher aber, in der Mitte des Verlaufs, fast im rechten Winkel einen Ast abgeben, der viel stärker als die nach dem hintern Ende ver-
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Das übrige Gefäſssystem hat bei seiner ersten Ausbildung folgende Ge-
staltung. Ein groſser Blutbehälter, nächst dem Herzen der weiteste Kaual für
das Blut, hat sich in den beiden dunklen Halbbogen gebildet, welche den
Gefäſshof gegen den Dotterhof begrenzen. Da beide Bogen einen Kreis bilden,
der nach vorn immer einen deutlichen Einschnitt hat, zuweilen auch nach hinten
einen weniger tiefen, so ist das Gefäſs auch ein kreisförmiges, aus zwei Bogen-
hälften bestehendes. Jeder Bogen ist nach hinten am dünnsten, nach vorn
weiter. Dieser Blutkreis (sinus terminalis) ist lange ohne eigene Wand, eine
bloſse Lücke zwischen dem serösen und dem Schleimblatte; es ist aber unrichtig,
daſs er nie eine eigne Wand bekomme, vielmehr ist am Ende der zweiten Periode
die Wand leicht darstellbar, indem man das seröse Blatt abtrennt. In diesem
spätern Zustande verdient er den Namen Grenzvene (vena terminalis). In dem
Blutkreise sieht man am frühesten rothes Blut. In jedem Halbbogen ist die Auf-
nahme des zuströmenden Blutes in der Mitte, indem diese von den letzten Enden
der Schlagadern erreicht wird. Die Bewegung des Blutes geht von der Mitte in
einem stärkern Strom nach vorn, in einem schwächern nach hinten. Am vordern
Ende treten aus dem Blutkreise eine Menge Blutadern hervor, die sich sammeln,
so daſs sie bald in einem, bald in zwei Stämmen zum Embryo gelangen. Diese
Verschiedenheit beruht nicht auf verschiedenen Entwickelungsstufen, sondern
findet sich in allen Perioden bis zum Verschwinden des Blutkreises. Sind zwei
Venenstämme da, so tritt jeder in einen Schenkel des Herzens ein. Ist nur ein
Stamm gebildet, so geht er in den linken Herzschenkel, der rechte Schenkel ist
dann doch nicht ganz ohne Vene. Es tritt nämlich eine kleine Vene von der
rechten Seite aus dem Gefäſshofe in ihn ein, die durch ihre feinsten Zweige wohl
mit dem Blutkreise in Verbindung steht, aber nicht als Stamm aus ihm kommt.
So wie die eine oder das Paar vorderer Venen nach hinten gegen den Embryo
herabsteigt, so verläuft dagegen eine etwas später sich entwickelnde aufsteigende
Vene aus dem hintern Theile des Gefäſshofes nach vorn und senkt sich in den
linken Schenkel des Herzens ein. Die beiden Schenkel sind überhaupt nichts als
die doppelten Venenstämmchen, die alles Blut in das Herz führen. Es flieſst nun
durch das Herz, durch eine gemeinsame Pulsation des Herzens fortgestoſsen, in
die zwei oder drei Bogen-Paare, kommt durch diese an die untere Fläche der
Wirbelsäule, flieſst hier in zwei Armen fort, die endlich über dem Speisekanale
in einen Stamm zusammenlaufen. Dieser Stamm der Aorta theilt sich bald wieder
in zwei Aeste, welche ziemlich nahe zusammen liegend nach dem hintern Ende
des Fötus verlaufen, vorher aber, in der Mitte des Verlaufs, fast im rechten
Winkel einen Ast abgeben, der viel stärker als die nach dem hintern Ende ver-
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/66>, abgerufen am 27.11.2024.
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