4) Die Centrallinien aller Fundamentalorgane liegen über einander in der Mittelebene. In Fig. 5. enthält die Linie a b die Durchschnitte aller Central- linien. Erinnern wir uns nun, dass sämmtliche Blätter sich nur allmählig von einander getrennt haben, und je weiter wir zurückgehen, um so mehr eine einzige Schicht bildeten, so erkennen wir, wie alle Centrallinien früher dichter zusam- menlagen, ja nur Absonderungen einer einzigen ursprünglichen Centrallinie des Keimes sind, und es wird uns klar, wie das früher bei Bildung des einfachen Keimes erkannte Gesetz, dass alle Entwickelung aus einem Centrum nach der Peripherie fort- schreitet (Schol. III. g.), auch beim Auftreten der doppelt symmetrischen Ausbil- dung fortwirkt und alle Entwickelung wahrhaft excentrisch ist. Das Auseinander- treten der Centrallinen selbst ist nichts als ein besonderer Ausdruck dieses Gesetzes. Nur eine mittlere Centrallinie bleibt bei dieser Sonderung die Axe des Ganzen.
5) In der Regel ist in den Wirbelthieren jedes Organ, das einfach ist, ursprünglich in der Mittelebene gewesen, oder das gleichnamige Organ der andern Seite ist als verkümmert anzusehen. Jeder einfache Theil scheint nämlich ent- weder ursprünglich einfach, wenn er aus einer Schlusslinie stammt, oder einfach, indem seine zwei gleichnamigen Hälften durch den Fortgang der Entwickelung in die Schlusslinie geführt wurden. -- Ich stelle diesen Satz etwas zweifelnd hin, weil mir der erste Bildungsmoment der Milz nicht recht klar ist. Indessen ist es gewiss, dass sie im Hühnchen, je früher man sie untersucht, um so mehr in der Mitte liegt. Sie scheint also aus der Mitte zu stammen und nach links zu rücken. In Hinsicht der Leber ist hierüber kein Zweifel. Die Entwickelungsgeschichte der Leber, der ich in allen einzelnen Abstufungen gefolgt bin, liesert überhaupt die schönsten Bestätigungen für die Betrachtungen dieses Paragraphen. Sie tritt gedoppelt auf als zwei Lebergänge, welche Ausstülpungen aus den Seitentheilen der Schleimhautröhre sind. Dann verwachsen beide Lebergänge nach unten, also an der Schlussseite für ihren Bildungsbogen. Durch weiteres, Hervortreten der Lebergänge wird endlich auch die Mitte zwischen beiden hervorgehoben, und nun ist der Lebergang in seinem Stamme einfach. Aus diesem stülpt sich wahr- scheinlich die ungetheilte Gallenblase hervor. Wodurch aber die Leber und die Milz aus ihrer Seitenlage weggerückt werden, können wir erst später unter- suchen (Schol. IV. §. 3. i. und Schol. V. §. 3. g.). Bedenken erregt auch das Pankreas. Es scheint eine seitliche Hervorstülpung. Allein ich muss bemerken, dass ich sehr oft beim ersten Erscheinen desselben, auf der entgegengesetzten Seite, obgleich nicht ganz gegenüber, eine ähnliche kleine Ausstülpung der Schleimhautröhre sah, die sich aber nicht weiter entwickelt. Das Pankreas der rechten Seite scheint also schon in der Bildung abzusterben.
4) Die Centrallinien aller Fundamentalorgane liegen über einander in der Mittelebene. In Fig. 5. enthält die Linie α β die Durchschnitte aller Central- linien. Erinnern wir uns nun, daſs sämmtliche Blätter sich nur allmählig von einander getrennt haben, und je weiter wir zurückgehen, um so mehr eine einzige Schicht bildeten, so erkennen wir, wie alle Centrallinien früher dichter zusam- menlagen, ja nur Absonderungen einer einzigen ursprünglichen Centrallinie des Keimes sind, und es wird uns klar, wie das früher bei Bildung des einfachen Keimes erkannte Gesetz, daſs alle Entwickelung aus einem Centrum nach der Peripherie fort- schreitet (Schol. III. g.), auch beim Auftreten der doppelt symmetrischen Ausbil- dung fortwirkt und alle Entwickelung wahrhaft excentrisch ist. Das Auseinander- treten der Centrallinen selbst ist nichts als ein besonderer Ausdruck dieses Gesetzes. Nur eine mittlere Centrallinie bleibt bei dieser Sonderung die Axe des Ganzen.
5) In der Regel ist in den Wirbelthieren jedes Organ, das einfach ist, ursprünglich in der Mittelebene gewesen, oder das gleichnamige Organ der andern Seite ist als verkümmert anzusehen. Jeder einfache Theil scheint nämlich ent- weder ursprünglich einfach, wenn er aus einer Schluſslinie stammt, oder einfach, indem seine zwei gleichnamigen Hälften durch den Fortgang der Entwickelung in die Schluſslinie geführt wurden. — Ich stelle diesen Satz etwas zweifelnd hin, weil mir der erste Bildungsmoment der Milz nicht recht klar ist. Indessen ist es gewiſs, daſs sie im Hühnchen, je früher man sie untersucht, um so mehr in der Mitte liegt. Sie scheint also aus der Mitte zu stammen und nach links zu rücken. In Hinsicht der Leber ist hierüber kein Zweifel. Die Entwickelungsgeschichte der Leber, der ich in allen einzelnen Abstufungen gefolgt bin, lieſert überhaupt die schönsten Bestätigungen für die Betrachtungen dieses Paragraphen. Sie tritt gedoppelt auf als zwei Lebergänge, welche Ausstülpungen aus den Seitentheilen der Schleimhautröhre sind. Dann verwachsen beide Lebergänge nach unten, also an der Schluſsseite für ihren Bildungsbogen. Durch weiteres, Hervortreten der Lebergänge wird endlich auch die Mitte zwischen beiden hervorgehoben, und nun ist der Lebergang in seinem Stamme einfach. Aus diesem stülpt sich wahr- scheinlich die ungetheilte Gallenblase hervor. Wodurch aber die Leber und die Milz aus ihrer Seitenlage weggerückt werden, können wir erst später unter- suchen (Schol. IV. §. 3. i. und Schol. V. §. 3. g.). Bedenken erregt auch das Pankreas. Es scheint eine seitliche Hervorstülpung. Allein ich muſs bemerken, daſs ich sehr oft beim ersten Erscheinen desselben, auf der entgegengesetzten Seite, obgleich nicht ganz gegenüber, eine ähnliche kleine Ausstülpung der Schleimhautröhre sah, die sich aber nicht weiter entwickelt. Das Pankreas der rechten Seite scheint also schon in der Bildung abzusterben.
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4) Die Centrallinien aller Fundamentalorgane liegen über einander in der
Mittelebene. In Fig. 5. enthält die Linie α β die Durchschnitte aller Central-
linien. Erinnern wir uns nun, daſs sämmtliche Blätter sich nur allmählig von
einander getrennt haben, und je weiter wir zurückgehen, um so mehr eine einzige
Schicht bildeten, so erkennen wir, wie alle Centrallinien früher dichter zusam-
menlagen, ja nur Absonderungen einer einzigen ursprünglichen Centrallinie des
Keimes sind, und es wird uns klar, wie das früher bei Bildung des einfachen Keimes
erkannte Gesetz, daſs alle Entwickelung aus einem Centrum nach der Peripherie fort-
schreitet (Schol. III. g.), auch beim Auftreten der doppelt symmetrischen Ausbil-
dung fortwirkt und alle Entwickelung wahrhaft excentrisch ist. Das Auseinander-
treten der Centrallinen selbst ist nichts als ein besonderer Ausdruck dieses Gesetzes.
Nur eine mittlere Centrallinie bleibt bei dieser Sonderung die Axe des Ganzen.
5) In der Regel ist in den Wirbelthieren jedes Organ, das einfach ist,
ursprünglich in der Mittelebene gewesen, oder das gleichnamige Organ der andern
Seite ist als verkümmert anzusehen. Jeder einfache Theil scheint nämlich ent-
weder ursprünglich einfach, wenn er aus einer Schluſslinie stammt, oder einfach,
indem seine zwei gleichnamigen Hälften durch den Fortgang der Entwickelung in
die Schluſslinie geführt wurden. — Ich stelle diesen Satz etwas zweifelnd hin,
weil mir der erste Bildungsmoment der Milz nicht recht klar ist. Indessen ist es
gewiſs, daſs sie im Hühnchen, je früher man sie untersucht, um so mehr in der
Mitte liegt. Sie scheint also aus der Mitte zu stammen und nach links zu rücken.
In Hinsicht der Leber ist hierüber kein Zweifel. Die Entwickelungsgeschichte
der Leber, der ich in allen einzelnen Abstufungen gefolgt bin, lieſert überhaupt
die schönsten Bestätigungen für die Betrachtungen dieses Paragraphen. Sie tritt
gedoppelt auf als zwei Lebergänge, welche Ausstülpungen aus den Seitentheilen
der Schleimhautröhre sind. Dann verwachsen beide Lebergänge nach unten,
also an der Schluſsseite für ihren Bildungsbogen. Durch weiteres, Hervortreten
der Lebergänge wird endlich auch die Mitte zwischen beiden hervorgehoben, und
nun ist der Lebergang in seinem Stamme einfach. Aus diesem stülpt sich wahr-
scheinlich die ungetheilte Gallenblase hervor. Wodurch aber die Leber und die
Milz aus ihrer Seitenlage weggerückt werden, können wir erst später unter-
suchen (Schol. IV. §. 3. i. und Schol. V. §. 3. g.). Bedenken erregt auch das
Pankreas. Es scheint eine seitliche Hervorstülpung. Allein ich muſs bemerken,
daſs ich sehr oft beim ersten Erscheinen desselben, auf der entgegengesetzten
Seite, obgleich nicht ganz gegenüber, eine ähnliche kleine Ausstülpung der
Schleimhautröhre sah, die sich aber nicht weiter entwickelt. Das Pankreas der
rechten Seite scheint also schon in der Bildung abzusterben.
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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/202>, abgerufen am 16.02.2025.
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