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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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gattung oder ihr analoge Reizung des weiblichen Geschlechtsapparates sich zu öff-
nen. Häufiger kommt dieses schon in Vögeln vor, und es ist sogar Regel bei dem
productivsten derselben, dem Haushuhne; jedoch erfolgt auch hier der Austritt
des Eies erst wenn der Eierstock überfüllt ist. In den Fröschen gehen zwar die
Eier stets vor der Befruchtung ab, allein ich habe mehrmals beobachtet, dass die
Eier viele Wochen, ja zuweilen vielleicht ganz zurückgehalten werden, wenn
man die Weibchen allein hält. Das Abgehen der Eier scheint also durch das Um-
fassen des Männchens, wo nicht allein bedingt, doch gar sehr beschleunigt zu
werden, und dieses Umfassen ist in der That eine Begattung *). Nachtschmetter-
linge legen nicht selten gleich nach dem Auskriechen aus der Puppenhülle Eier,
vorzüglich aber, wenn man sie aufspiesst, oder wenn sie in ganz engen Behält-
nissen gehalten, oder sonst belästigt werden. Aus Allem geht hervor, dass das
Heraustreiben des Eies allerdings durch den weiblichen Geschlechtsapparat be-
wirkt wird, dass dieses aber in der Regel durch die Einwirkung des männlichen
Geschlechtes dazu aufgeregt wird, dass aber auch wohl andere Aufregungen den
Einfluss des männlichen Geschlechtes ersetzen können.

Was die zweite Wirkung der Paarung anlangt, oder die Begründung eines
selbstständigen Lebens, so scheint hierzu die Einwirkung des männlichen Ge-
schlechtes und zwar durch seinen Zeugungsstoff viel nothwendiger, als zur Lösung
des Eies, und im Allgemeinen um so nothwendiger, je höher das Leben entwickelt
ist und vielleicht je mehr die Differenz der Geschlechter ausgebildet ist. Wenig-
stens kennt man in den Wirbelthieren keine sichere Beobachtung der Entwicke-
lung von Jungen ohne Befruchtung. Die Erfahrungen, die man von Salamandern
anführt, sind nicht beweisend. Blumenbach sah einen Salamander nach fünf-
monatlicher Einsamkeit Junge zur Welt bringen, (Kleine Schriften S. 136). Da
er aber die Jahreszeit nicht angiebt, so darf man hieraus nicht auf eine Zeugung
ohne vorhergegangene Befruchtung schliessen, was Blumenbach auch nicht
thut. Wurfbain (Salamandrologia p. 83) machte eine ähnliche Beobachtung,
da aber die Jungen nach fünfmonatlicher Einsperrung der Mutter im März reif zur

*) Für die Fisch-Weibchen mag die Nähe des Männchens auch ohne Berührung doch nicht ohne
Einfluss seyn, und es wäre nicht überflüssig, genaue Beobachtungen anzustellen, ob einzeln
gehaltene Weibchen, immer und eben so früh laichen, als andere. Ich vermuthe diesen Einfluss,
weil ich erfahren habe, dass Froschweibchen, die in einem grossen Blechkasten mit vielen an-
dern Fröschen gehalten wurden, laichten, obgleich ich nicht bemerken konnte, dass sie von
Männchen umfasst waren, denn jeden Abend nahm ich die gepaarten Frösche heraus und doch
fand ich zuweilen am Morgen Laich, der sich nicht entwickelte. Einer solchen Einwirkung
des Geschlechtes aus der Entfernung fehlt es auch nicht an Analogie, wenn wir uns erinnern,
welchen Einfluss die Nähe der Bienenkönigin auf das Leben des ganzen Stockes ausübt.

gattung oder ihr analoge Reizung des weiblichen Geschlechtsapparates sich zu öff-
nen. Häufiger kommt dieses schon in Vögeln vor, und es ist sogar Regel bei dem
productivsten derselben, dem Haushuhne; jedoch erfolgt auch hier der Austritt
des Eies erst wenn der Eierstock überfüllt ist. In den Fröschen gehen zwar die
Eier stets vor der Befruchtung ab, allein ich habe mehrmals beobachtet, daſs die
Eier viele Wochen, ja zuweilen vielleicht ganz zurückgehalten werden, wenn
man die Weibchen allein hält. Das Abgehen der Eier scheint also durch das Um-
fassen des Männchens, wo nicht allein bedingt, doch gar sehr beschleunigt zu
werden, und dieses Umfassen ist in der That eine Begattung *). Nachtschmetter-
linge legen nicht selten gleich nach dem Auskriechen aus der Puppenhülle Eier,
vorzüglich aber, wenn man sie aufspieſst, oder wenn sie in ganz engen Behält-
nissen gehalten, oder sonst belästigt werden. Aus Allem geht hervor, daſs das
Heraustreiben des Eies allerdings durch den weiblichen Geschlechtsapparat be-
wirkt wird, daſs dieses aber in der Regel durch die Einwirkung des männlichen
Geschlechtes dazu aufgeregt wird, daſs aber auch wohl andere Aufregungen den
Einfluſs des männlichen Geschlechtes ersetzen können.

Was die zweite Wirkung der Paarung anlangt, oder die Begründung eines
selbstständigen Lebens, so scheint hierzu die Einwirkung des männlichen Ge-
schlechtes und zwar durch seinen Zeugungsstoff viel nothwendiger, als zur Lösung
des Eies, und im Allgemeinen um so nothwendiger, je höher das Leben entwickelt
ist und vielleicht je mehr die Differenz der Geschlechter ausgebildet ist. Wenig-
stens kennt man in den Wirbelthieren keine sichere Beobachtung der Entwicke-
lung von Jungen ohne Befruchtung. Die Erfahrungen, die man von Salamandern
anführt, sind nicht beweisend. Blumenbach sah einen Salamander nach fünf-
monatlicher Einsamkeit Junge zur Welt bringen, (Kleine Schriften S. 136). Da
er aber die Jahreszeit nicht angiebt, so darf man hieraus nicht auf eine Zeugung
ohne vorhergegangene Befruchtung schlieſsen, was Blumenbach auch nicht
thut. Wurfbain (Salamandrologia p. 83) machte eine ähnliche Beobachtung,
da aber die Jungen nach fünfmonatlicher Einsperrung der Mutter im März reif zur

*) Für die Fisch-Weibchen mag die Nähe des Männchens auch ohne Berührung doch nicht ohne
Einfluſs seyn, und es wäre nicht überflüssig, genaue Beobachtungen anzustellen, ob einzeln
gehaltene Weibchen, immer und eben so früh laichen, als andere. Ich vermuthe diesen Einfluſs,
weil ich erfahren habe, daſs Froschweibchen, die in einem groſsen Blechkasten mit vielen an-
dern Fröschen gehalten wurden, laichten, obgleich ich nicht bemerken konnte, daſs sie von
Männchen umfaſst waren, denn jeden Abend nahm ich die gepaarten Frösche heraus und doch
fand ich zuweilen am Morgen Laich, der sich nicht entwickelte. Einer solchen Einwirkung
des Geschlechtes aus der Entfernung fehlt es auch nicht an Analogie, wenn wir uns erinnern,
welchen Einfluſs die Nähe der Bienenkönigin auf das Leben des ganzen Stockes ausübt.
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[151/0181] gattung oder ihr analoge Reizung des weiblichen Geschlechtsapparates sich zu öff- nen. Häufiger kommt dieses schon in Vögeln vor, und es ist sogar Regel bei dem productivsten derselben, dem Haushuhne; jedoch erfolgt auch hier der Austritt des Eies erst wenn der Eierstock überfüllt ist. In den Fröschen gehen zwar die Eier stets vor der Befruchtung ab, allein ich habe mehrmals beobachtet, daſs die Eier viele Wochen, ja zuweilen vielleicht ganz zurückgehalten werden, wenn man die Weibchen allein hält. Das Abgehen der Eier scheint also durch das Um- fassen des Männchens, wo nicht allein bedingt, doch gar sehr beschleunigt zu werden, und dieses Umfassen ist in der That eine Begattung *). Nachtschmetter- linge legen nicht selten gleich nach dem Auskriechen aus der Puppenhülle Eier, vorzüglich aber, wenn man sie aufspieſst, oder wenn sie in ganz engen Behält- nissen gehalten, oder sonst belästigt werden. Aus Allem geht hervor, daſs das Heraustreiben des Eies allerdings durch den weiblichen Geschlechtsapparat be- wirkt wird, daſs dieses aber in der Regel durch die Einwirkung des männlichen Geschlechtes dazu aufgeregt wird, daſs aber auch wohl andere Aufregungen den Einfluſs des männlichen Geschlechtes ersetzen können. Was die zweite Wirkung der Paarung anlangt, oder die Begründung eines selbstständigen Lebens, so scheint hierzu die Einwirkung des männlichen Ge- schlechtes und zwar durch seinen Zeugungsstoff viel nothwendiger, als zur Lösung des Eies, und im Allgemeinen um so nothwendiger, je höher das Leben entwickelt ist und vielleicht je mehr die Differenz der Geschlechter ausgebildet ist. Wenig- stens kennt man in den Wirbelthieren keine sichere Beobachtung der Entwicke- lung von Jungen ohne Befruchtung. Die Erfahrungen, die man von Salamandern anführt, sind nicht beweisend. Blumenbach sah einen Salamander nach fünf- monatlicher Einsamkeit Junge zur Welt bringen, (Kleine Schriften S. 136). Da er aber die Jahreszeit nicht angiebt, so darf man hieraus nicht auf eine Zeugung ohne vorhergegangene Befruchtung schlieſsen, was Blumenbach auch nicht thut. Wurfbain (Salamandrologia p. 83) machte eine ähnliche Beobachtung, da aber die Jungen nach fünfmonatlicher Einsperrung der Mutter im März reif zur *) Für die Fisch-Weibchen mag die Nähe des Männchens auch ohne Berührung doch nicht ohne Einfluſs seyn, und es wäre nicht überflüssig, genaue Beobachtungen anzustellen, ob einzeln gehaltene Weibchen, immer und eben so früh laichen, als andere. Ich vermuthe diesen Einfluſs, weil ich erfahren habe, daſs Froschweibchen, die in einem groſsen Blechkasten mit vielen an- dern Fröschen gehalten wurden, laichten, obgleich ich nicht bemerken konnte, daſs sie von Männchen umfaſst waren, denn jeden Abend nahm ich die gepaarten Frösche heraus und doch fand ich zuweilen am Morgen Laich, der sich nicht entwickelte. Einer solchen Einwirkung des Geschlechtes aus der Entfernung fehlt es auch nicht an Analogie, wenn wir uns erinnern, welchen Einfluſs die Nähe der Bienenkönigin auf das Leben des ganzen Stockes ausübt.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/181>, abgerufen am 23.11.2024.