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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Die Sehnervengrube ist enger und tiefer geworden. Beide Eingänge der
Sehnerven sind dadurch zusammengerückt, und bilden, wenn man von der Basis
die Sehnerven wegschneidet, zuerst eine zweischenkliche, dann eine ganz ein-
fache Oeffnung in der Spitze dieser trichterförmigen Vorragung, die jetzt ansehn-
licher ist, als der eigentlich sogenannte Trichter. Aus der Spitze dieser Vorra-
gung treten die Sehnerven hervor. Man sieht leicht ein, dass die Spitze dieser
hohlen Vorragung nichts ist, als die Kreuzung der Sehnerven, denn bis jetzt lief
jeder Sehnerve, ohne sich mit dem andern zu kreuzen, in das Auge seiner Seite.
Eine Kreuzung ist auch jetzt noch nicht, aber sie ist vollkommen vorbereitet, wie
wir im nächsten Zeitabschnitte finden werden.

An der innern Fläche der dritten Hirnhöhle sieht man eine rundliche Vor-
ragung -- den Sehhügel. Er war schon am fünften Tage angedeutet, tritt aber
jetzt bestimmter hervor. Er ruht auf dem Hirnschenkel, hebt sich aber noch
mehr aus dessen Fläche hervor, als der gestreifte Körper, so dass der Hirnschen-
kel unter ihm wegzugehen scheint.

Aus ihm geht ein schmaler Wulst oder ein Strang in die hintere Wand der
Sehnervengrube, und ein Theil des Hirnschenkels scheint in eben diesen Strang
überzugehen, die Stränge beider Seiten laufen in einander über; doch beruht diese
Beschreibung nur auf dem äussersten Ansehn, indem ich noch immer keine deut-
liche Faserung erkenne.

Die hohlen Eingänge in den Hörnerven und den Riechnerven konnte ichw. Sinnes-
nerven. Au-
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vom Anfange dieser Periode an nicht mehr auffinden. Die Stelle, an welcher der
Riechnerve austritt, ist nur sehr dünnwandig. Der Eingang in den Sehnerven
ist, wie bemerkt wurde, noch hohl, aber der Sehnerve scheint solide und lässt
sich leicht in zwei Stränge theilen. Die Netzhaut ist noch sehr dick, dicker, als
die Decke des grossen Hirns. Sie reicht aber in dieser Dicke nicht mehr bis an
die Linse, sondern in einiger Entfernung von der Linse sieht man sie plötzlich
dünn werden, und der dünne ringförmige Theil hat am 6ten Tage noch das An-
sehn eines sehr verdünnten Nervenblattes, am 7ten aber ist er durchsichtiger und
giebt sich als das Strahlenblättchen zu erkennen. An derselben Stelle, wo die
Netzhaut aufhört, sieht man nun auch in der dunklen Haut eine Trennung in
Aderhaut und Ciliarkörper. Letzterer bekömmt einige sehr kleine Falten. Ich
weiss nicht, ob es eine wahre Trennung ist, oder ob nur die Netzhaut und Ader-
haut sich von der Linse zurückziehen und das Strahlenblättchen und der Ciliar-
körper neu hinzugetretene Theile sind. Auffallend ist der geringe Zusammenhang
zwischen Gefässhaut und Ciliarkörper, denn oft bleibt nach Erhärtung im Wein-
geist der Ciliarkörper beim Aufheben der Gefässhaut auf dem Glaskörper und der

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Die Sehnervengrube ist enger und tiefer geworden. Beide Eingänge der
Sehnerven sind dadurch zusammengerückt, und bilden, wenn man von der Basis
die Sehnerven wegschneidet, zuerst eine zweischenkliche, dann eine ganz ein-
fache Oeffnung in der Spitze dieser trichterförmigen Vorragung, die jetzt ansehn-
licher ist, als der eigentlich sogenannte Trichter. Aus der Spitze dieser Vorra-
gung treten die Sehnerven hervor. Man sieht leicht ein, daſs die Spitze dieser
hohlen Vorragung nichts ist, als die Kreuzung der Sehnerven, denn bis jetzt lief
jeder Sehnerve, ohne sich mit dem andern zu kreuzen, in das Auge seiner Seite.
Eine Kreuzung ist auch jetzt noch nicht, aber sie ist vollkommen vorbereitet, wie
wir im nächsten Zeitabschnitte finden werden.

An der innern Fläche der dritten Hirnhöhle sieht man eine rundliche Vor-
ragung — den Sehhügel. Er war schon am fünften Tage angedeutet, tritt aber
jetzt bestimmter hervor. Er ruht auf dem Hirnschenkel, hebt sich aber noch
mehr aus dessen Fläche hervor, als der gestreifte Körper, so daſs der Hirnschen-
kel unter ihm wegzugehen scheint.

Aus ihm geht ein schmaler Wulst oder ein Strang in die hintere Wand der
Sehnervengrube, und ein Theil des Hirnschenkels scheint in eben diesen Strang
überzugehen, die Stränge beider Seiten laufen in einander über; doch beruht diese
Beschreibung nur auf dem äuſsersten Ansehn, indem ich noch immer keine deut-
liche Faserung erkenne.

Die hohlen Eingänge in den Hörnerven und den Riechnerven konnte ichw. Sinnes-
nerven. Au-
ge.

vom Anfange dieser Periode an nicht mehr auffinden. Die Stelle, an welcher der
Riechnerve austritt, ist nur sehr dünnwandig. Der Eingang in den Sehnerven
ist, wie bemerkt wurde, noch hohl, aber der Sehnerve scheint solide und läſst
sich leicht in zwei Stränge theilen. Die Netzhaut ist noch sehr dick, dicker, als
die Decke des groſsen Hirns. Sie reicht aber in dieser Dicke nicht mehr bis an
die Linse, sondern in einiger Entfernung von der Linse sieht man sie plötzlich
dünn werden, und der dünne ringförmige Theil hat am 6ten Tage noch das An-
sehn eines sehr verdünnten Nervenblattes, am 7ten aber ist er durchsichtiger und
giebt sich als das Strahlenblättchen zu erkennen. An derselben Stelle, wo die
Netzhaut aufhört, sieht man nun auch in der dunklen Haut eine Trennung in
Aderhaut und Ciliarkörper. Letzterer bekömmt einige sehr kleine Falten. Ich
weiſs nicht, ob es eine wahre Trennung ist, oder ob nur die Netzhaut und Ader-
haut sich von der Linse zurückziehen und das Strahlenblättchen und der Ciliar-
körper neu hinzugetretene Theile sind. Auffallend ist der geringe Zusammenhang
zwischen Gefäſshaut und Ciliarkörper, denn oft bleibt nach Erhärtung im Wein-
geist der Ciliarkörper beim Aufheben der Gefäſshaut auf dem Glaskörper und der

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[105/0135] Die Sehnervengrube ist enger und tiefer geworden. Beide Eingänge der Sehnerven sind dadurch zusammengerückt, und bilden, wenn man von der Basis die Sehnerven wegschneidet, zuerst eine zweischenkliche, dann eine ganz ein- fache Oeffnung in der Spitze dieser trichterförmigen Vorragung, die jetzt ansehn- licher ist, als der eigentlich sogenannte Trichter. Aus der Spitze dieser Vorra- gung treten die Sehnerven hervor. Man sieht leicht ein, daſs die Spitze dieser hohlen Vorragung nichts ist, als die Kreuzung der Sehnerven, denn bis jetzt lief jeder Sehnerve, ohne sich mit dem andern zu kreuzen, in das Auge seiner Seite. Eine Kreuzung ist auch jetzt noch nicht, aber sie ist vollkommen vorbereitet, wie wir im nächsten Zeitabschnitte finden werden. An der innern Fläche der dritten Hirnhöhle sieht man eine rundliche Vor- ragung — den Sehhügel. Er war schon am fünften Tage angedeutet, tritt aber jetzt bestimmter hervor. Er ruht auf dem Hirnschenkel, hebt sich aber noch mehr aus dessen Fläche hervor, als der gestreifte Körper, so daſs der Hirnschen- kel unter ihm wegzugehen scheint. Aus ihm geht ein schmaler Wulst oder ein Strang in die hintere Wand der Sehnervengrube, und ein Theil des Hirnschenkels scheint in eben diesen Strang überzugehen, die Stränge beider Seiten laufen in einander über; doch beruht diese Beschreibung nur auf dem äuſsersten Ansehn, indem ich noch immer keine deut- liche Faserung erkenne. Die hohlen Eingänge in den Hörnerven und den Riechnerven konnte ich vom Anfange dieser Periode an nicht mehr auffinden. Die Stelle, an welcher der Riechnerve austritt, ist nur sehr dünnwandig. Der Eingang in den Sehnerven ist, wie bemerkt wurde, noch hohl, aber der Sehnerve scheint solide und läſst sich leicht in zwei Stränge theilen. Die Netzhaut ist noch sehr dick, dicker, als die Decke des groſsen Hirns. Sie reicht aber in dieser Dicke nicht mehr bis an die Linse, sondern in einiger Entfernung von der Linse sieht man sie plötzlich dünn werden, und der dünne ringförmige Theil hat am 6ten Tage noch das An- sehn eines sehr verdünnten Nervenblattes, am 7ten aber ist er durchsichtiger und giebt sich als das Strahlenblättchen zu erkennen. An derselben Stelle, wo die Netzhaut aufhört, sieht man nun auch in der dunklen Haut eine Trennung in Aderhaut und Ciliarkörper. Letzterer bekömmt einige sehr kleine Falten. Ich weiſs nicht, ob es eine wahre Trennung ist, oder ob nur die Netzhaut und Ader- haut sich von der Linse zurückziehen und das Strahlenblättchen und der Ciliar- körper neu hinzugetretene Theile sind. Auffallend ist der geringe Zusammenhang zwischen Gefäſshaut und Ciliarkörper, denn oft bleibt nach Erhärtung im Wein- geist der Ciliarkörper beim Aufheben der Gefäſshaut auf dem Glaskörper und der w. Sinnes- nerven. Au- ge. O

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/135>, abgerufen am 23.11.2024.