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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Ebener lusores cum IIII tesseribus.
Spanvelder mendicantes in terris de villa ad villam.
Versucher sagittantes cum arcu.

Die Erklärungen, welche Hoffmann dazu gibt, sind größten-
theils verfehlt; Stromer und Kawalsprenger werden rich-
tig erklärt; dahingegen ist Stoßer durchaus der auf Messen
und Märkten stehlende Schottenfäller, von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], schoto, und
[irrelevantes Material - Zeichen fehlt], schtus (vgl. Th. II, S. 192). Nusser, Taschendieb, ist
nicht vom ahd. nuscari (?) fibularius, Spangenmacher, wie Hoff-
mann anführt, abzuleiten, sondern doch wol von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] (wie bereits
Th. III, S. 205 und 206 angegeben), oder von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], nossar,
welches letztere springen, hüpfen bedeutet und auch (z. B. Psalm
105, V. 20) vom Losmachen der Gefangenen gebraucht wird.
So hat sich Nusser noch in dem sehr gebräuchlichen Volksaus-
druck nüschen (die Taschen visitiren) erhalten. Vazenheuer ist
nicht, wie Hoffmann will, von vaze, fascia, Band (?), abzuleiten,
sondern vom ahd. vaz, Gefäß, das doch wol mit dem hebr. [irrelevantes Material - Zeichen fehlt]
und [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] und dem Fudt des Liber Vagatorum in Verbindung
steht, da [irrelevantes Material - Zeichen fehlt] in der ersten Bedeutung Zwischenraum, quod patet,
und genitalia muliebria bezeichnet, woran sich wieder der volks-
gebräuchliche Ausdruck Fotze (auch für ein liederliches Weibsbild)
anschließt. Dagegen ist die von Hoffmann angeführte Ableitung
der Tumeherren, Falschmünzer, nach dem am Schluß des vori-
gen Kapitels bei der historischen Kritik Gesagten als richtig an-
zuerkennen. Swimmer, Schwimmer, ist deutschen Ursprungs
und dem heutigen unterkabbern entsprechend, unter einer Mauer
oder Schwelle eingraben, um durchzukriechen, gleichsam untertau-
chend zu schwimmen. Die Ableitung des Schenenwerfer und
Ebener ist bereits Th. III, S. 206 erörtert und berichtigt worden.
Die Ableitung des Spanvelder von spannen und Feld erscheint
bei Hoffmann richtig. Versucher (bei Ottfried firsuachen) scheint
in der veralteten, jedoch noch im Niederdeutschen erhaltenen Be-
deutung besuchen gebraucht zu sein und dem modernen Strade-
halter, Stradehändler,
Buschklepper mit gewaffneter Hand,
zu entsprechen.



Ebener lusores cum IIII tesseribus.
Spanvelder mendicantes in terris de villa ad villam.
Verſucher sagittantes cum arcu.

Die Erklärungen, welche Hoffmann dazu gibt, ſind größten-
theils verfehlt; Stromer und Kawalſprenger werden rich-
tig erklärt; dahingegen iſt Stoßer durchaus der auf Meſſen
und Märkten ſtehlende Schottenfäller, von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], schoto, und
[irrelevantes Material – Zeichen fehlt], schtus (vgl. Th. II, S. 192). Nuſſer, Taſchendieb, iſt
nicht vom ahd. nuscari (?) fibularius, Spangenmacher, wie Hoff-
mann anführt, abzuleiten, ſondern doch wol von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] (wie bereits
Th. III, S. 205 und 206 angegeben), oder von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], nossar,
welches letztere ſpringen, hüpfen bedeutet und auch (z. B. Pſalm
105, V. 20) vom Losmachen der Gefangenen gebraucht wird.
So hat ſich Nuſſer noch in dem ſehr gebräuchlichen Volksaus-
druck nüſchen (die Taſchen viſitiren) erhalten. Vazenheuer iſt
nicht, wie Hoffmann will, von vaze, fascia, Band (?), abzuleiten,
ſondern vom ahd. vaz, Gefäß, das doch wol mit dem hebr. [irrelevantes Material – Zeichen fehlt]
und [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] und dem Fudt des Liber Vagatorum in Verbindung
ſteht, da [irrelevantes Material – Zeichen fehlt] in der erſten Bedeutung Zwiſchenraum, quod patet,
und genitalia muliebria bezeichnet, woran ſich wieder der volks-
gebräuchliche Ausdruck Fotze (auch für ein liederliches Weibsbild)
anſchließt. Dagegen iſt die von Hoffmann angeführte Ableitung
der Tumeherren, Falſchmünzer, nach dem am Schluß des vori-
gen Kapitels bei der hiſtoriſchen Kritik Geſagten als richtig an-
zuerkennen. Swimmer, Schwimmer, iſt deutſchen Urſprungs
und dem heutigen unterkabbern entſprechend, unter einer Mauer
oder Schwelle eingraben, um durchzukriechen, gleichſam untertau-
chend zu ſchwimmen. Die Ableitung des Schenenwerfer und
Ebener iſt bereits Th. III, S. 206 erörtert und berichtigt worden.
Die Ableitung des Spanvelder von ſpannen und Feld erſcheint
bei Hoffmann richtig. Verſucher (bei Ottfried firsuachen) ſcheint
in der veralteten, jedoch noch im Niederdeutſchen erhaltenen Be-
deutung beſuchen gebraucht zu ſein und dem modernen Strade-
halter, Stradehändler,
Buſchklepper mit gewaffneter Hand,
zu entſprechen.



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[56/0068] Ebener lusores cum IIII tesseribus. Spanvelder mendicantes in terris de villa ad villam. Verſucher sagittantes cum arcu. Die Erklärungen, welche Hoffmann dazu gibt, ſind größten- theils verfehlt; Stromer und Kawalſprenger werden rich- tig erklärt; dahingegen iſt Stoßer durchaus der auf Meſſen und Märkten ſtehlende Schottenfäller, von _ , schoto, und _ , schtus (vgl. Th. II, S. 192). Nuſſer, Taſchendieb, iſt nicht vom ahd. nuscari (?) fibularius, Spangenmacher, wie Hoff- mann anführt, abzuleiten, ſondern doch wol von _ (wie bereits Th. III, S. 205 und 206 angegeben), oder von _ , nossar, welches letztere ſpringen, hüpfen bedeutet und auch (z. B. Pſalm 105, V. 20) vom Losmachen der Gefangenen gebraucht wird. So hat ſich Nuſſer noch in dem ſehr gebräuchlichen Volksaus- druck nüſchen (die Taſchen viſitiren) erhalten. Vazenheuer iſt nicht, wie Hoffmann will, von vaze, fascia, Band (?), abzuleiten, ſondern vom ahd. vaz, Gefäß, das doch wol mit dem hebr. _ und _ und dem Fudt des Liber Vagatorum in Verbindung ſteht, da _ in der erſten Bedeutung Zwiſchenraum, quod patet, und genitalia muliebria bezeichnet, woran ſich wieder der volks- gebräuchliche Ausdruck Fotze (auch für ein liederliches Weibsbild) anſchließt. Dagegen iſt die von Hoffmann angeführte Ableitung der Tumeherren, Falſchmünzer, nach dem am Schluß des vori- gen Kapitels bei der hiſtoriſchen Kritik Geſagten als richtig an- zuerkennen. Swimmer, Schwimmer, iſt deutſchen Urſprungs und dem heutigen unterkabbern entſprechend, unter einer Mauer oder Schwelle eingraben, um durchzukriechen, gleichſam untertau- chend zu ſchwimmen. Die Ableitung des Schenenwerfer und Ebener iſt bereits Th. III, S. 206 erörtert und berichtigt worden. Die Ableitung des Spanvelder von ſpannen und Feld erſcheint bei Hoffmann richtig. Verſucher (bei Ottfried firsuachen) ſcheint in der veralteten, jedoch noch im Niederdeutſchen erhaltenen Be- deutung beſuchen gebraucht zu ſein und dem modernen Strade- halter, Stradehändler, Buſchklepper mit gewaffneter Hand, zu entſprechen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/68>, abgerufen am 22.11.2024.