wußtsein seines Wesens und seiner köstlichen reichen Sprache fördernd.
Für die frühe und vollkommene Ausbildung einer lebendigen deutschen Volkssprache gibt aber doch auch schon die älteste, wenn gleich nur sehr geringfügig erscheinende Gaunersprachurkunde ein frappantes Zeugniß. Man findet nämlich in dem zu Breslau im königlichen Provinzialarchiv aufbewahrten Notatenbuch des Dith- mar von Meckebach, Kanonikus und Kanzler des Herzogthums Breslau unter Kaiser Karl IV. (1347--78) ein Verzeichniß von elf, ohnehin nur auf die Bezeichnung bestimmter Gaunergewerbs- zweige beschränkte Vocabeln, welche aber in ihrer ganzen Con- struction ihren Ursprung und ihre Wahl aus dem Stoff und Boden einer vollkommen ausgebildeten Volkssprache verrathen, wie auch schon ihre Zusammensetzung aus deutschsprachlichen und fremd- sprachlichen Stämmen vollkommen der Weise gleichkommt, in wel- cher auch das spätere Gaunerthum bis zur Stunde seine Kunst- ausdrücke zusammenträgt. Besonders lebhaft tritt sogleich das Judendeutsch hervor. Bemerkenswerth ist noch, daß diese deutschen Gaunerausdrücke vorherrschend in lateinischer Sprache, und zwar in recht schlechtem Mittellatein, erklärt sind. So ist das "Maleficus terrarum" der Ueberschrift als Landstreicher, umher- ziehender, gewerbsmäßiger Verbrecher oder Gauner aufzufassen. Das Verzeichniß folgt hier nach Hoffmann von Fallersleben im "Weimarischen Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst", Bd. I, Heft 2, S. 328:
Ista sunt nomina maleficorum terrarum.
Stromerdicuntur kelsnider.
Kawalsprengerfures equorum.
Stoßerfures rerum venalium in foro.
Nusserfures denariorum ex peris.
Vazenheuer beutelsnider.
Tumeherrenfalsi monetarii grossorum aut hellensium.
Swimmeraut laboratores in der swerze dicuntur fures noctis intrantes domos sub limine.
Schenenwerferreseratores serarum cum uncis.
wußtſein ſeines Weſens und ſeiner köſtlichen reichen Sprache fördernd.
Für die frühe und vollkommene Ausbildung einer lebendigen deutſchen Volksſprache gibt aber doch auch ſchon die älteſte, wenn gleich nur ſehr geringfügig erſcheinende Gaunerſprachurkunde ein frappantes Zeugniß. Man findet nämlich in dem zu Breslau im königlichen Provinzialarchiv aufbewahrten Notatenbuch des Dith- mar von Meckebach, Kanonikus und Kanzler des Herzogthums Breslau unter Kaiſer Karl IV. (1347—78) ein Verzeichniß von elf, ohnehin nur auf die Bezeichnung beſtimmter Gaunergewerbs- zweige beſchränkte Vocabeln, welche aber in ihrer ganzen Con- ſtruction ihren Urſprung und ihre Wahl aus dem Stoff und Boden einer vollkommen ausgebildeten Volksſprache verrathen, wie auch ſchon ihre Zuſammenſetzung aus deutſchſprachlichen und fremd- ſprachlichen Stämmen vollkommen der Weiſe gleichkommt, in wel- cher auch das ſpätere Gaunerthum bis zur Stunde ſeine Kunſt- ausdrücke zuſammenträgt. Beſonders lebhaft tritt ſogleich das Judendeutſch hervor. Bemerkenswerth iſt noch, daß dieſe deutſchen Gaunerausdrücke vorherrſchend in lateiniſcher Sprache, und zwar in recht ſchlechtem Mittellatein, erklärt ſind. So iſt das „Maleficus terrarum“ der Ueberſchrift als Landſtreicher, umher- ziehender, gewerbsmäßiger Verbrecher oder Gauner aufzufaſſen. Das Verzeichniß folgt hier nach Hoffmann von Fallersleben im „Weimariſchen Jahrbuch für deutſche Sprache, Literatur und Kunſt“, Bd. I, Heft 2, S. 328:
Ista sunt nomina maleficorum terrarum.
Stromerdicuntur kelſnider.
Kawalſprengerfures equorum.
Stoßerfures rerum venalium in foro.
Nuſſerfures denariorum ex peris.
Vazenheuer beutelſnider.
Tumeherrenfalsi monetarii grossorum aut hellensium.
Swimmeraut laboratores in der ſwerze dicuntur fures noctis intrantes domos sub limine.
Schenenwerferreseratores serarum cum uncis.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0067"n="55"/>
wußtſein ſeines Weſens und ſeiner köſtlichen reichen Sprache<lb/>
fördernd.</p><lb/><p>Für die frühe und vollkommene Ausbildung einer lebendigen<lb/>
deutſchen Volksſprache gibt aber doch auch ſchon die älteſte, wenn<lb/>
gleich nur ſehr geringfügig erſcheinende Gaunerſprachurkunde ein<lb/>
frappantes Zeugniß. Man findet nämlich in dem zu Breslau im<lb/>
königlichen Provinzialarchiv aufbewahrten Notatenbuch des Dith-<lb/>
mar von Meckebach, Kanonikus und Kanzler des Herzogthums<lb/>
Breslau unter Kaiſer Karl <hirendition="#aq">IV.</hi> (1347—78) ein Verzeichniß von<lb/>
elf, ohnehin nur auf die Bezeichnung beſtimmter Gaunergewerbs-<lb/>
zweige beſchränkte Vocabeln, welche aber in ihrer ganzen Con-<lb/>ſtruction ihren Urſprung und ihre Wahl aus dem Stoff und<lb/>
Boden einer vollkommen ausgebildeten Volksſprache verrathen, wie<lb/>
auch ſchon ihre Zuſammenſetzung aus deutſchſprachlichen und fremd-<lb/>ſprachlichen Stämmen vollkommen der Weiſe gleichkommt, in wel-<lb/>
cher auch das ſpätere Gaunerthum bis zur Stunde ſeine Kunſt-<lb/>
ausdrücke zuſammenträgt. Beſonders lebhaft tritt ſogleich das<lb/>
Judendeutſch hervor. Bemerkenswerth iſt noch, daß dieſe deutſchen<lb/>
Gaunerausdrücke vorherrſchend in <hirendition="#g">lateiniſcher</hi> Sprache, und<lb/>
zwar in recht ſchlechtem Mittellatein, erklärt ſind. So iſt das<lb/>„<hirendition="#aq">Maleficus terrarum</hi>“ der Ueberſchrift als Landſtreicher, umher-<lb/>
ziehender, gewerbsmäßiger Verbrecher oder Gauner aufzufaſſen.<lb/>
Das Verzeichniß folgt hier nach Hoffmann von Fallersleben im<lb/>„Weimariſchen Jahrbuch für deutſche Sprache, Literatur und Kunſt“,<lb/>
Bd. <hirendition="#aq">I</hi>, Heft 2, S. 328:</p><lb/><list><item><hirendition="#aq">Ista sunt nomina maleficorum terrarum.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Stromer</hi><hirendition="#aq">dicuntur</hi> kelſnider.</item><lb/><item><hirendition="#g">Kawalſprenger</hi><hirendition="#aq">fures equorum.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Stoßer</hi><hirendition="#aq">fures rerum venalium in foro.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Nuſſer</hi><hirendition="#aq">fures denariorum ex peris.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Vazenheuer</hi> beutelſnider.</item><lb/><item><hirendition="#g">Tumeherren</hi><hirendition="#aq">falsi monetarii grossorum aut hellensium.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Swimmer</hi><hirendition="#aq">aut laboratores</hi> in der ſwerze <hirendition="#aq">dicuntur fures noctis<lb/>
intrantes domos sub limine.</hi></item><lb/><item><hirendition="#g">Schenenwerfer</hi><hirendition="#aq">reseratores serarum cum uncis.</hi></item></list><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[55/0067]
wußtſein ſeines Weſens und ſeiner köſtlichen reichen Sprache
fördernd.
Für die frühe und vollkommene Ausbildung einer lebendigen
deutſchen Volksſprache gibt aber doch auch ſchon die älteſte, wenn
gleich nur ſehr geringfügig erſcheinende Gaunerſprachurkunde ein
frappantes Zeugniß. Man findet nämlich in dem zu Breslau im
königlichen Provinzialarchiv aufbewahrten Notatenbuch des Dith-
mar von Meckebach, Kanonikus und Kanzler des Herzogthums
Breslau unter Kaiſer Karl IV. (1347—78) ein Verzeichniß von
elf, ohnehin nur auf die Bezeichnung beſtimmter Gaunergewerbs-
zweige beſchränkte Vocabeln, welche aber in ihrer ganzen Con-
ſtruction ihren Urſprung und ihre Wahl aus dem Stoff und
Boden einer vollkommen ausgebildeten Volksſprache verrathen, wie
auch ſchon ihre Zuſammenſetzung aus deutſchſprachlichen und fremd-
ſprachlichen Stämmen vollkommen der Weiſe gleichkommt, in wel-
cher auch das ſpätere Gaunerthum bis zur Stunde ſeine Kunſt-
ausdrücke zuſammenträgt. Beſonders lebhaft tritt ſogleich das
Judendeutſch hervor. Bemerkenswerth iſt noch, daß dieſe deutſchen
Gaunerausdrücke vorherrſchend in lateiniſcher Sprache, und
zwar in recht ſchlechtem Mittellatein, erklärt ſind. So iſt das
„Maleficus terrarum“ der Ueberſchrift als Landſtreicher, umher-
ziehender, gewerbsmäßiger Verbrecher oder Gauner aufzufaſſen.
Das Verzeichniß folgt hier nach Hoffmann von Fallersleben im
„Weimariſchen Jahrbuch für deutſche Sprache, Literatur und Kunſt“,
Bd. I, Heft 2, S. 328:
Ista sunt nomina maleficorum terrarum.
Stromer dicuntur kelſnider.
Kawalſprenger fures equorum.
Stoßer fures rerum venalium in foro.
Nuſſer fures denariorum ex peris.
Vazenheuer beutelſnider.
Tumeherren falsi monetarii grossorum aut hellensium.
Swimmer aut laboratores in der ſwerze dicuntur fures noctis
intrantes domos sub limine.
Schenenwerfer reseratores serarum cum uncis.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/67>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.